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Superstar Bale rutscht mit Wales nach Paris

Nach England und Nordirland löst der dritte Verband von der Insel das Ticket für die EM. Auch Italien, Belgien, Spanien, Rumänien und Albanien sind 2016 in Frankreich dabei.

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© Reuters

Von Patrick Reichardt

Trainer Chris Coleman flog durch die Luft, die Spieler hingen sich Nationalflaggen um den Hals und posierten vor den mitgereisten Fans auf dem Rasen für ein spontanes Mannschaftsfoto: 58 Jahre des Wartens sind für die Fußballnation Wales vorbei. Das Team um Superstar Gareth Bale ließ sich in seinem Jubelsturm nicht mehr bremsen und feierte die erste EM-Teilnahme des Landes. Seit der WM 1958 in Schweden hatten die Waliser an keinem großen Turnier mehr teilgenommen, bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich sind sie nun dabei.

Die 0:2-Pleite in Bosnien-Herzegowina geriet in der roten Jubeltraube vollkommen zur Nebensache. „Das ist wahrscheinlich die schönste Niederlage meines Lebens, wenn ich ehrlich bin. Am Ende des Tages zählt die Qualifikation, und wir haben es geschafft“, jubelte Bale, der sechs Tore in neun Spielen der Qualifikation erzielte. Dank des Sieges von Zypern in Israel durften die Waliser auch feiern, ohne aus dem Stadion von Zenica etwas Zählbares mitgenommen zu haben.

Bei den neuen Nationalhelden machten sich Freude, Stolz und Euphorie breit. „Schon als kleiner Junge habe ich davon geträumt, bei so einem großen Turnier zu spielen. Es geschafft zu haben ist ein Traum, aber wir hören jetzt nicht auf. Auf uns wartet noch eine Aufgabe in Frankreich“, kündigte Bale an. Der Flügelspieler lobte vor allem den „großartigen Zusammenhalt und die Brüderschaft“ in der Mannschaft. „Es ist super, dass wir uns in einem der größten Turniere der Welt beweisen dürfen“, sagte der 91-Millionen-Euro-Mann von Real Madrid.

Eine Sensation, etwa wie die Qualifikation von Nordirland oder Island, ist das Direkt-Ticket für Wales aber nicht. In der Fifa-Weltrangliste ist das Team von Coach Coleman Achter, nur einen Platz hinter Rekord-Weltmeister Brasilien, dafür aber vor Fußballgrößen wie Italien, Frankreich und den Niederlanden. Neben dem alles überstrahlenden Superstar Bale hat das Team weitere gestandene Profis aus der englischen Premier League, darunter Aaron Ramsey vom FC Arsenal und Joe Allen vom FC Liverpool. Durch die Aufstockung der EM von 16 auf 24 Teams witterten eben diese Teams ihre Chance auf eine Teilnahme bei den großen Turnieren – Wales nutzte sie.

Auch die Belgier gaben sich keine Blöße und sind vor dem letzten Spieltag als Spitzenreiter der Gruppe B sicher qualifiziert. Beim punktlosen Andorra gewannen sie mit 4:1. Das Team um 75-Millionen-Mann Kevin de Bruyne, Torschütze zum 2:0, deutete einmal mehr an, warum es als Mitfavorit auf den EM-Titel gehandelt wird.

Neue Helden für Italien und Spanien

Auch Vize-Europameister Italien feiert – die perfekte Qualifikation und seinen neuen Hoffnungsträger: „Marco Verratti schießt Italien zur EM nach Paris“, schrieb die Gazzetta dello Sport nach dem 3:1 in Baku gegen Aserbaidschan. Der Offensivspieler von Paris St. Germain war bester italienischer Spieler, auch wenn ihm ein Torerfolg nicht vergönnt war.

Die Azzurri-Stars tanzten noch auf dem Platz ausgelassen Ringelreihen und ließen ihrer Freude freien Lauf. Das Team von Chefcoach Antonio Conte ist zum sechsten Mal in Folge bei einer EM dabei und zum neunten Mal insgesamt. „Dass Italien die Qualifikation schaffen würde, war zu erwarten, dass es die Mannschaft so gut schaffen würde, hätte man sich nicht vorgestellt“, bilanzierte die Gazzetta. Der 22-Jährige zeigte eine Galavorstellung, war an den Toren maßgeblich beteiligt, lieferte ein großes Laufpensum und war stets anspielbar. Die Zeitungen sehen in Verratti schon einen „neuen Andrea Pirlo“, hoffen also bei dem Offensivspieler auf Leaderpotenzial. „Der Übergang von Pirlo zu Verratti hat begonnen, hoffentlich wird er uns weitere Freude bescheren“, urteilte der Corriere dello Sport.

Auch Spanien hat gut ein Jahr nach der WM-Pleite von 2014 einen neuen Helden. Mit zwei Toren beim 4:0-Heimerfolg über Luxemburg, der dem Doppel-Europameister das Ticket für 2016 sicherte, avancierte der 22-jährige Paco Alcacer zum Mann der Stunde. „Was er anfasst, wird zu Gold“, titelte das Sportblatt Marca. Dabei war der 70 Kilo leichte Mittelstürmer des FC Valencia bis vor wenigen Monaten ein Nobody.

Die Zeitung errechnete, dass Alcacer im roten Nationaltrikot alle 79 Minuten getroffen hat. Damit sei der 1,75-Meter-Mann nach neun Spielen erfolgreicher als berühmte Landsmänner wie Rául (642 Einsatzminuten/ein Tor) oder David Villa (479/3) und auch treffsicherer als Superstars wie Lionel Messi (398/2) und Cristiano Ronaldo (338/1). „Wir haben eine neue Neun!“, hieß es. Nationaltrainer Vicente del Bosque scheint in die Jahre gekommene Stürmer wie Alvaro Negredo, Roberto Soldado (beide 30) oder Fernando Torres (31) bereits abgeschrieben zu haben. Er hätte zwar noch Juventus-Profi Morata (22) und Chelsea-Stürmer Diego Costa (27). „Aber keiner passt zum Kombinationsspiel von Spanien besser als Paco“, stellte die Zeitung As fest.

Gestern Abend qualifizierten sich Rumänien und Albanien. Ungarn hat noch die Chance, als bester Gruppendritter die EM-Teilnahme direkt zu schaffen. Dänemark muss in die Play-offs. Sie werden am nächsten Sonntag ausgelost. (sid, mit dpa)