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Tagebuch aus der Folterkammer

Mohamedou Ould Slahi ist seit Jahren in Guantanamo inhaftiert. Nun sind seine Aufzeichnungen auch in Deutschland erschienen.

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© ICRC

Von Johannes Schmitt-Tegge und Teresa Dapp

Am zweiten oder dritten Tag nach seiner Ankunft in Guantánamo kollabierte Mohamedou Ould Slahi in seiner Zelle. „Dauernd musste ich mich übergeben und war deshalb völlig dehydriert“, schreibt der Mann mit der Häftlingsnummer 760. Der Mauretanier war bereits über neun Monate in Jordanien und Afghanistan verhört worden, bevor er gefesselt, gewindelt und betäubt wurde und mit einer Kapuze über dem Kopf in das berüchtigte Gefangenenlager auf Kuba geflogen wurde.

Gestern sind seine Aufzeichnungen von dort als Buch erschienen. Der 44-Jährige, der in Duisburg Elektrotechnik studiert und lange in Deutschland gelebt hatte, sitzt bis heute in derselben Zelle, in der er sein Tagebuch verfasst hat.

Allein das juristische Gezerre um Slahis „Guantánamo-Tagebuch“ zeigt, wie brisant das 466 Seiten zählende, handgeschriebene Manuskript ist. Mehr als sechs Jahre kämpften seine Verteidiger für die redigierte Freigabe unter den strengen Protokollen des US-Militärs. Es wurde an einem sicheren Ort nahe Washington gelagert.

Erst vergangenen Monat hatte ein Senatsbericht die CIA-Verhörmethoden nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 als weit brutaler als bisher bekannt beschrieben. Slahis Schilderung liefert Einblicke in die Folterkammer Guantánamo. Mit Schlafentzug, Endlos-Verhören, Verlegung in eine Kälte-Kammer mit rund zehn Grad Celsius, durch Schläge, Beleidigung und Demütigung soll er eingeschüchtert, gedemütigt, zermürbt und so zum Geständnis gezwungen werden.

„Er weiß, dass er unschuldig ist, deswegen hat er durchgehalten“, ist sein Bruder überzeugt. Yahdih Ould Slahi, der in Düsseldorf lebt, hatte aus dem „Spiegel“ erfahren, dass sein Bruder in Guantanamo ist.

Der Wahrheitsgehalt von Mohamedou Ould Slahis Bericht lässt sich nicht überprüfen, klingt mit Blick auf Details aus dem CIA-Bericht und anderen Berichten aus „Gitmo“ aber authentisch. Der Verdacht, er sei in die Planung eines Anschlags auf den Flughafen in Los Angeles oder vom 11. September 2001 in New York verwickelt gewesen, hat sich nicht bestätigt. Bis heute, nach mehr als 13 Jahren Haft, ist Slahi keines Verbrechens angeklagt worden. (dpa)