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Wer ist die Dresdner Tankstellenräuberin? 

Wieder kommt die Frau maskiert und mit Pistole zu Esso an der Leipziger Straße. Es war ihr dritter Überfall innerhalb weniger Tage. Jetzt wächst die Angst auch bei anderen Tankstellenpächtern.

Von Christoph Springer
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Erneut überfiel die Räuberin,von der die Polizei dieses Foto veröffentlichte, die Tankstelle an der Leipziger Straße.
Erneut überfiel die Räuberin,von der die Polizei dieses Foto veröffentlichte, die Tankstelle an der Leipziger Straße. © Polizei/Tino Plunert

Wie abgebrüht ist diese Frau? Sie hat zum zweiten Mal innerhalb von fünf Tagen die Esso-Tankstelle an der Leipziger Straße überfallen. Es war ihr dritter Tankstellenüberfall in dieser Woche. Wieder hatte sie eine Pistole dabei, wieder erbeutete sich eine dreistellige Bargeldsumme. Damit flüchtete sie zu Fuß in Richtung Stadtzentrum. Die Polizei suchte sie erfolglos.

„Zum zweiten Mal, wie dreist muss man sein“, fragte sich am Morgen nach dem Überfall eine Mitarbeiterin der Esso-Station kopfschüttelnd im Gespräch mit einem Kunden. Der Betrieb lief am Morgen nach dem zweiten Raub so, als ob nichts gewesen wäre.

Die maskierte Räuberin kam am Donnerstagabend kurz nach 23 Uhr in den Verkaufsraum. Sie drohte mit einer Pistole, erhielt einen niedrigen dreistelligen Betrag und flüchtete. Polizeisprecher Marko Laske: „Sie hat den näheren Tatortbereich zu Fuß verlassen.“ Es könnte auch sein, dass sie in ein Auto oder eine Straßenbahn eingestiegen ist. „Dass sie drei Mal untertauchen konnte, spricht dafür, dass sie ortskundig ist“, sagt Laske.

Am Freitag veröffentlichte die Polizei dieses von einer Überwachungskamera aufgezeichnete Bild. 
Am Freitag veröffentlichte die Polizei dieses von einer Überwachungskamera aufgezeichnete Bild.  © Polizei

Wie bei den Überfällen am Sonntag in der Esso-Station und  am Dienstag bei Total an der Wiener Straße trug die Räuberin dunkle Kleidung und war maskiert. Das Fahndungsfoto der Polizei zeigt sie in der Total-Tankstelle. Dort hatte sie ihr Gesicht mit einem Tuch verdeckt, darauf könnten Totenköpfe abgebildet sein. Außerdem trug sie helle Schuhe. Die Täterin ist etwa 1,70 Meter groß und schlank. Obwohl das Fahndungsfoto die Räuberin aus einer ungünstigen Perspektive zeigt, glaubt die Polizei, dass sie identifiziert werden kann. „Wer sie kennt, der erkennt sie auch“, sagt Laske. Es sei das beste Foto der Überwachungsaufnahmen aus beiden Tankstellen.

Bis zum Freitagnachmittag sind bei den Ermittlern etwa ein Dutzend Hinweise zu der Täterin eingegangen. Zur Qualität dieser Tipps lässt sich noch nichts sagen. Die Beamten wollen bei ihren Streifenfahrten am Wochenende Tankstellen besonders im Auge behalten. Eine Ermittlungsgruppe, die sich ausschließlich mit den drei Raubüberfällen befasst, ist noch nicht gegründet. Die Polizei setzt vorerst vor allem auf die Öffentlichkeitsfahndung mit dem Foto.

Die neue Überfallserie lässt indes anderen Tankstellenpächtern keine Ruhe. „Das macht einem schon Sorge, solange die Täterin nicht gefasst ist“, sagt Simone Saloßnick. Sie betreibt zwei Stationen in Dresden, die Dynamo-Tankstelle an der Dohnaer Straße in Lockwitz und die Go-Tankstelle an der Tharandter Straße in Löbtau. Auch sie hatte schon mit einem Überfall zu tun. Das war vor vier Jahren. Der Mann drohte damals mit einer Pistole und erbeutete fast 1000 Euro. Eine 29-jährige Mitarbeiterin stand an jenem Tag allein hinter dem Tresen. „Sie kam am nächsten Tag wieder und dann haben wir eine Woche lang zu zweit gearbeitet“, erinnert sich Saloßnick an diese Zeit. Gemeinsam mit ihr habe sie sich das Überwachungsvideo angesehen. Der Täter war nicht vermummt und „er hatte genauso viel Angst“, meint die Tankstellenchefin erkannt zu haben. Später wurde der Mann in Chemnitz nach einem weiteren Tankstellenüberfall gefasst und vor Gericht gestellt.

Katrin Barlovic hat fast täglich mit Opfern solcher Überfälle zu tun. Sie ist Leitende Psychologin in der Klinik am Waldschlößchen, die unter anderem Patienten mit traumatischen Erlebnissen behandelt. „Bei Gefahr will man entweder kämpfen oder fliehen“, sagt die 44-Jährige. Doch hinter dem Tresen einer Tankstelle sei beides nicht möglich. „Dann schließt sich die traumatische Zange, der Organismus reagiert, indem er erstarrt, und es erstarrt auch die Verarbeitung.“ Das Erlebte werde zerstückelt abgespeichert und genau so sei dann die Erinnerung. Flashback nennen Psychologen solche unkontrollierten Erinnerungsschübe. „Sie hören mal die Stimme, sehen mal ein Bild, riechen vielleicht sogar den Geruch der Situation.“ Die Traumaexperten helfen, die Stücke wieder zu einem Ganzen zusammenzusetzen und zu verarbeiten. Den Opfern helfe aber vor allem ein gutes soziales Umfeld, mitfühlende Chefs und Kollegen.