Von Jürgen Müller
Radebeul/Meißen. Es ist schon weit nach Mitternacht, als der 56-jährige Radebeuler eine Bar in Dresden verlässt. Er hat sich ein Taxi gerufen, will nach Hause fahren. Von Anfang an beleidigt der Mann den Fahrer als „Volltrottel“, „Idiot“, „Penner“ und mit anderen Kraftausdrücken, weil der sich weigert, schneller als erlaubt zu fahren. Dann will er zu einem Geldautomaten gefahren werden. Er steigt aus, kommt fluchend zurück. „Der scheiß Automat geht nicht, da bezahle ich eben nicht“, soll er gesagt haben.
Der Taxifahrer bietet ihm an, die Rechnung mit Geldkarte zu begleichen. Die Antwort darauf sind Schläge, doch der betrunkene Mann trifft den Taxifahrer nicht. Der Fahrgast haut ab, doch mithilfe eines Zeugen macht der Taxifahrer den Mann ausfindig. Über die Zentrale wird die Polizei alarmiert. Wegen Beleidigung und Körperverletzung sitzt der Radebeuler nun in Meißen vor Gericht. Er sei total betrunken gewesen, sagt der Mann, habe einige Blackouts gehabt. Dafür kann er sich allerdings sehr genau an Details erinnern. So daran, dass er 16 Schnäpse, Gin Tonic und einige Bier getrunken habe. Würde das stimmen, hätte er mit Sicherheit mehr als die 1,8 Promille Atemalkohol in der Atemluft gehabt.
Den Fahrpreis habe er bereits vor Antritt der Fahrt bezahlt, behauptet er. Er habe dem Taxifahrer 20 Euro gegeben. Die Fahrt koste immer so zwischen 18 und 19 Euro. Doch der Fahrer habe weitere neun Euro verlangt, behauptet er. „Der ist gefahren, wie er wollte. Weil er sich nicht mal zehn Minuten merken konnte, dass ich ihm schon Geld gegeben hatte, habe ich ihn als schwachsinnigen Trottel bezeichnet“, sagt der Mann. Er sieht das nicht als Beleidigung, sondern als „Feststellung“. Geschlagen habe er jedenfalls nicht, sondern die Polizei gerufen, weil ihn der Taxifahrer betrogen hatte. Der fällt aus allen Wolken, als er tatsächlich eine Anzeige erhält. „Das fand ich besonders perfide, dass ich von dem Angeklagten wegen Vortäuschens einer Straftat angezeigt wurde“, sagt der Taxifahrer. Das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt.
Er habe den Taxifahrer auch noch im Beisein der Polizisten beschimpft, sagt ein Beamter. Mehrfach habe er gesagt, dass der Taxifahrer kein Geld bekomme. Dass er angeblich schon bezahlt hat, davon war keine Rede. Die Fahrt ist im Übrigen bis heute nicht bezahlt.
Der Angeklagte, der ein langes Vorstrafenregister hat, sieht sich nach wie vor im Recht. Deshalb hat er auch gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt. Er sollte eine Geldstrafe bezahlen. Das sieht er nicht ein. „Sie haben Glück gehabt, dass bei dem Taxifahrer kein Gesundheitsschaden entstanden ist“, sagt Richterin Ute Wehner und rät dem Mann, den Einspruch zurückzunehmen. Denn besser wird es nicht.
So bleibt es bei den 900 Euro Geldstrafe. Mit den 30 Tagessätzen ist der Vorbestrafte damit sehr gut bedient, sagt Staatsanwältin Ivonne Birke. Nicht gut bedient ist er allerdings mit der Höhe des Tagessatzes. Der wurde auf 30 Euro festgelegt. Ein Tagessatz ist das verfügbare Nettoeinkommen pro Tag. Bei ALG-II-Beziehern wie dem Angeklagten, wird der Tagessatz in aller Regel auf zehn Euro festgelegt. Er hätte also seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen, also auf die Höhe der Strafe, beschränken müssen. Dann wäre eine Strafe von 30 Tagessätzen zu zehn Euro, also 300 Euro herausgekommen. Das sagt dem Mann, der keinen Verteidiger hat, aber keiner. „Wie soll ich denn das bezahlen“, schimpft der Arbeitslose beim Verlassen des Gerichtes. Nun, da wird er wohl auf einige Barbesuche und Heimfahrten mit dem Taxi verzichten müssen.