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Taxis halten sich an Grenzen

Fahrer kritisieren politisches Versagen: Seit Jahren sind Neißebrücken für sie tabu. Für polnische Taxis nicht.

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© Pawel Sosnowski

Von Ralph Schermann

Görlitz. Für die Görlitzer Taxifahrer ist er grenzenlos – der Ärger über die offene Grenze, die ihnen verschlossen bleibt. Noch dazu, wenn an der Neiße mit zweierlei Maß gemessen wird: Während Zgorzelecer Mietwagen-Chauffeure ihre Fahrgäste problemlos bis zehn Kilometer weit nach Deutschland hinein fahren dürfen, müssen ihre Görlitzer Kollegen an der Stadtbrücke abdrehen. Denn in Polen sollen sie Steuern zahlen, und das nicht zu knapp. Eine ungleiche Gesetzeslage benachteiligt sie.

Siegbert Knobloch ist einer der betroffenen Fahrer: „Ich darf keine Gäste nach Polen chauffieren.“ Dabei komme immer wieder mal ein Tourist, der zum Dom Kultury oder zum Stalag VIIIA will. Doch würden Siegbert Knobloch oder seine Kollegen so eine Fahrt annehmen, begäben sie sich in Gefahr: Bei einer Kontrolle wäre eine Strafe wegen Steuerhinterziehung fällig.

Der Ärger beruht auf einer EU-Verordnung, nach der seit 2011 für Taxifahrer immer in dem Land Steuern fällig werden, wo sie einen Fahrgast absetzen. Andreas Gritzner, Vorsitzender der Taxi-Innung Görlitz, hat schon mal ausgerechnet, was das bedeutet: Allein für ein zusätzliches Taxameter und die Anmeldung beim polnischen Finanzamt werden 900 Euro fällig. Zudem muss jeden Monat eine Steuererklärung eingereicht werden, egal ob man Fahrten in Polen hatte oder nicht. Benötigt wird ein Bankkonto in Polen, und der Zgorzelecer Steuerberater ist für seine Leistungen auch nicht unter 70 Euro im Monat zu haben. „Wir haben probiert, eine Art Sammelnachweis für die Innungsbetriebe zu bekommen, eine gemeinsame Steuernummer, doch die Polen winkten ab: Jeder Taxibetrieb braucht das für seine Fahrzeuge gesondert“, bedauert Andreas Gritzner.

„Für uns ist es katastrophal“, erklärt Taxifahrer Holger Bauch: „Fahrgäste verstehen das nicht, schimpfen auf uns. Warum fährt das polnische Taxi, das deutsche nicht? Die Bundesregierung gestattet hier eine Wettbewerbsverzerrung und behindert massiv das Taxigewerbe.“ Nicht nur Holger Bauch, auch seine Kollegen fühlen sich von allen im Stich gelassen, die sich für eine Lösung einsetzen könnten. „Die sächsische Staatsregierung, die örtlichen Bundestagsabgeordneten, sie alle haben bisher versagt“, bedauert Holger Bauch. Der Frust sitzt deshalb tief, weil mittlerweile bereits fast sechs Jahre ergebnislos ins Land gegangen sind. „Da verliert man den Glauben an die Politik“, betont Andreas Gritzner. Dennoch spricht er das Thema immer wieder an, egal ob auf politischen Ebenen oder bei der Industrie- und Handelskammer. 2013 hatte der Deutsche Taxi- und Mietwagenverband sich über das Bundesverkehrsministerium um eine Klärung bemüht. Damals erfuhr Gritzner, dass das nicht leicht sei, schließlich müssten Ministerien in Polen und Deutschland hinzugezogen werden. Jetzt schreiben wir 2016, da empfinden Taxifahrer das als Ausrede. Auch Bundestagsabgeordneter Michael Kretschmer (CDU) und die Görlitzer IHK hatten das Problem an das Auswärtige Amt herangetragen. Daraufhin sei ein Antrag auf Einführung einer Sonderregelung bei der EU gestellt – und abgelehnt worden.

Für die Taxifahrer bleibt also bis auf Weiteres noch immer alles beim Alten. „Das ist frustrierend“, sagt Andreas Gritzner, „weil es in erster Linie eine Entscheidung ist, die sich gegen die Kunden richtet.“ Statt eine Gleichbehandlung herzustellen, prüfe – so habe er gehört – die EU lieber, ob denn die deutsche Freizügigkeit, polnische Taxifahrer bis zehn Kilometer einfahren zu lassen, überhaupt rechtens sei. Wenn aber irgendwann auch die polnischen Kollegen an der Grenze wenden müssten, wäre insgesamt keinem gedient, im Gegenteil: Dann hätten noch mehr Fahrgäste ein Problem. Wenn aber auch diese Prüfung so lange dauert wie das bisherige Prozedere, dann brauche den polnischen Kollegen wohl nicht Bange sein.

Die Görlitzer Taxifahrer sehen mit den Beschneidungen der Fahrziele die Gemeinsamkeiten einer Europastadt beschädigt. Deshalb spricht die Innung schon seit Jahren in Richtung Polen von dringend zunächst dort nötigen Zwischenlösungen. So könnte die polnische Seite zusichern, bis zu einer EU-Prüfung einfach auf eine Steuerstrafverfolgung deutscher Taxifahrer zu verzichten. Oder sie könnte ein wesentlich kostengünstigeres Verfahren dafür wählen. Oder es einfach so machen, wie die deutsche Seite es den polnischen Fahrern seit Jahren gestattet. Vielleicht besteht eine Grenze wirklich nur in manchen Köpfen?

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