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Whatsapp setzt umstrittene Datenschutzregeln durch

Ab Sonnabend soll die Kommunikation mit Unternehmen leichter sein. Kritiker fürchten, dass Daten an Facebook gehen. Es gibt auch Whatsapp-Alternativen.

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Der Messanger-Dienst Whatsapp ist in der Kritik.
Der Messanger-Dienst Whatsapp ist in der Kritik. © Symbolfoto/Ritchie B. Tongo/EPA FILE/dpa

Was ändert sich bei Whatsapp?

Bei Whatsapp gelten ab Sonnabend neue Datenschutz-Bedingungen.Whatsapp betonte stets, dass damit keine erweiterte Datenweitergabe an Facebook vorgesehen sei. Bei den Änderungen gehe es vor allem darum, bessere Möglichkeiten für die Kommunikation mit Unternehmen zu schaffen. Auch an der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, mit der Chatinhalte nur für die teilnehmenden Nutzer im Klartext sichtbar sind, werde nicht gerüttelt. Außerhalb der EU fließen bereits seit 2016 einige Whatsapp-Nutzerdaten an Facebook, zu Werbezwecken oder zur Verbesserung von Produkten.

Zugleich betonte Whatsapp, dass der Nachrichtenaustausch mit Unternehmen anders gestaltet sei als mit Familie oder Freunden. „Wenn du mit einem Unternehmen über Telefon, E-Mail oder Whatsapp kommunizierst, kann es die Informationen aus diesen Interaktionen mit dir für eigene Marketingzwecke verwenden. Dies kann auch Werbung auf Facebook einschließen“, hieß es in einer Erläuterung.

Was ist, wenn ich als Nutzer dem Update nicht zustimme?

Entgegen früherer Ankündigungen sollen diese Nutzer zunächst weiter uneingeschränkt auf den Chatdienst zugreifen können. Einige Wochen später wird der Funktionsumfang aber schrittweise schrumpfen. Zunächst werden Nutzer nicht mehr auf ihre Chatliste zugreifen können, wie Whatsapp in einem Blogeintrag erläuterte. Man werde dann aber noch eingehende Audio- und Videoanrufe annehmen sowie über Benachrichtigungen auch Chatnachrichten beantworten können. Wenige Wochen später werde Whatsapp dann weder Anrufe noch Nachrichten an die Smartphones der Nutzer schicken. In dieser Zeit sollen die Nutzer immer wieder daran erinnert werden, den Änderungen zuzustimmen.

Was wird an der Änderung kritisiert?

Seit Ankündigung der Änderungen im Januar sorgen Warnungen vor einem stärkeren Datenaustausch mit der Konzernmutter Facebook für Unruhe, trotz der Dementis von Whatsapp. Es hagelte Kritik, Nutzer wanderten zu anderen Messengern ab. Das Unternehmen verschob die ursprünglich für Februar geplante Einführung der neuen Regeln daraufhin um gut drei Monate. Inzwischen wurde auch der Hamburger Datenschützer Johannes Caspar aktiv. Er kann allerdings nur befristet eingreifen, weil für Facebook die irische Datenschutzbehörde zuständig ist.

Was macht der Datenschützer?

Der Datenschützer hat eine Anordnung erlassen, in der Facebook untersagt wird, Daten von Whatsapp für eigene Zwecke zu nutzen. Er warnt, dass die neuen Regeln die Tür für einen stärkeren Datenaustausch mit anderen Facebook-Unternehmen öffneten. Whatsapp kontert, die Anordnung basiere „auf einem grundlegenden Missverständnis von Ziel und Folgen des Updates“ und werde die Einführung der neuen Regeln nicht aufhalten.

Warum nimmt Facebook den ganzen Ärger in Kauf?

Das weltgrößte Online-Netzwerk übernahm Whatsapp 2014 für am Ende rund 22 Milliarden Dollar. Mit diesem Kaufpreis nahm Facebook zwar einen potenziellen Rivalen vom Markt, der Dienst trug bisher aber wenig zum Konzerngewinn bei. Zeitweise wurde über Werbung im Stories-Bereich von Whatsapp nachgedacht, wo Nutzer Fotos und Videos für einen Tag mit ihren Kontakten teilen können. Die Idee wurde dann aber auf Eis gelegt. Der aktuelle Plan ist, Geld zu verdienen, wenn Unternehmen mit ihren Kunden über Whatsapp kommunizieren. Die Regeländerung ist eine Voraussetzung dafür.

Wie können sich Nutzer wehren?

Eine Messenger-Alternative finden, bei Bedarf die Whatsapp-Chats sichern und dann das Konto löschen. Zum Sichern öffnet man den Einzel- oder Gruppenchat, tippt oben rechts aufs Dreipunkte-Menü (Android) bzw. Einstellungen (iOS), wählt „Mehr/Chat exportieren“ und bestimmt im nächsten Fenster, dass auch die Medien gespeichert werden sollen. Danach wählt man, ob das Textdokument mit den Nachrichten sowie die Medien-Dateien auf dem Gerät oder in einem Onlinespeicher abgelegt werden sollen. (dpa)

Fragen/Antworten von Whatsapp

Anordnung gegen Facebook

Vor- und Nachteile ausgewählter Whatsapp-Alternativen

© Signal

Signal

Anbieter: Hinter der App steht eine gemeinnützige US-Stiftung, die sich vor allem durch Spenden finanziert. Mitgründer Matthew Rosenfeld alias Moxie Marlinspike genießt einen exzellenten Ruf als Kryptografieexperte.

Vorteile: Signal gilt als datensparsam und ist komplett Open Source. Das heißt, der Quellcode der App ist offengelegt und überprüfbar. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung wird standardmäßig angeboten. Das heißt, die Inhalte werden beim Sender verschlüsselt und erst beim Empfänger wieder dekodiert. Die App startet auch, ohne dass alle Kontakte hochgeladen werden müssen. Wie bei anderen Messengern gibt es auch bei Signal sich selbst löschende Nachrichten.

Nachteile: Server stehen in den USA. Zudem muss eine Telefonnummer angegeben werden. Laut Signal werden keine Anstalten unternommen, diesen Datensatz mit der Identität des Nutzers zu verknüpfen.

Apple iOS: .......................................................... 11.0 oder neuer
Google Android: ................................................... 4.4 oder neuer
Andere Systeme: ................................... Windows, Mac OS, Linux
Preis: ............................................................................ kostenlos

© Threema

Threema

Anbieter: Die Threema GmbH hat ihren Sitz in der Schweiz. Sie finanziert ihren Dienst durch den Verkauf der App und einer Geschäftskunden-Anwendung namens Threema Work, die je nach Funktionsumfang zwischen 1,40 und 1,70 Franken (SFR) pro Monat und Gerät kostet.

Vorteile: Registrierung und Nutzung funktionieren auch ohne Angabe persönlicher Daten wie Telefonnummer oder Mail-Adresse. Statt des Adressbuchs- Uploads können Kontakte auch manuell (per Eingabe einer ID oder oder Scannen eines QR-Codes) hinzugefügt werden. Weitere Pluspunkte: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und der Serverstandort in der Schweiz. Seit Kurzem ist auch Threema eine Open-
Source-App. Lesebestätigungen sind abschaltbar.

Nachteile: Die Nutzerzahl (im Oktober 2020 laut Threema acht Millionen). Auch der Bezahldownload dürfte wechselwillige Whatsapp-Nutzer abhalten.

Apple iOS: .......................................................... ab Version 10.0
Google Android: ........................................ variiert je nach Gerät
Andere Systeme: ................................................................. keine
Preis: .............................................. 3,99 Euro (iOS und Android)

© Telegram

Telegram

Anbieter: Telegram wurde von Pavel und Nikolai Durov erdacht und bisher privat finanziert. Das Entwicklerteam sitzt in Dubai. 2021 soll die Monetarisierung der App starten – wann und wie genau, ist noch nicht klar. Das Erzielen von Gewinnen werde jedoch nicht das Hauptziel sein, versichern die Betreiber.

Vorteile: Profitiert am stärksten vom Whatsapp-Exodus (seit Januar über 500 Millionen Nutzer weltweit). Die App ist auch mit langsamen Internetverbindungen gut nutzbar und läuft auf verschiedensten Endgeräten und Betriebssystemen. In Gruppen lassen sich Telefonnummern durch Pseudonyme ersetzen.

Nachteile: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nur für „Geheime Chats“, für Gruppenchats gar nicht. Die Server stehen weltweit verteilt. Ohne Telefonnummer kann man nicht loslegen.

Apple iOS: ............................................................ 9.0 oder neuer
Google Android: ........................................ variiert je nach Gerät
Andere Systeme: ... Windows (div.), Mac OS, Linux, Free BSD u.a.
Preis: ............................................................................ kostenlos

© Wire

Wire

Anbieter: Wire ist vorrangig für die berufliche Kommunikation und sicheren Datenaustausch in Teams gedacht. Programmiert wird die App in Deutschland, die Firma dahinter sitzt in der Schweiz. Das Geschäftsmodell besteht in Bezahldiensten für Profi-Anwender (Wire Pro fünf Euro pro Monat, Wire Ent(erprise) acht Euro pro Monat).

Vorteile: Vollständige Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, offener Quellcode, abschaltbare Lesebestätigung. Auch positiv: Es werden ausschließlich Serverstandorte in der Schweiz und der EU genutzt. Wer sich anmelden will, muss mindestens Name und Mail-Adresse oder Name und Telefonnummer preisgeben. Wire funktioniert auch ohne Smartphone.

Nachteile: Geringer Bekanntheitsgrad und entsprechend geringere Verbreitung. In den Bewertungsspalten der App-Portale war zuletzt öfter zu lesen, die App arbeite nicht immer reibungslos. (are)

Apple iOS: .......................................................... 10.0 oder neuer
Google Android: ................................................... 7.0 oder neuer
Andere Systeme: ......................................Windows, Linux,Mac OS
Preis: ............................................................................ kostenlos