Von Annette Binninger
Wenn eine Klinik ihre Patienten selbst nach Hause schickt, traut sie offenbar ihren eigenen Heilungskräften nicht mehr. Im Fall der Bavaria-Klinik in Kreischa bei Dresden musste die Leitung ihre Patienten jetzt sogar vor dem Klinikbetrieb in Sicherheit bringen. Denn auf den Krankenhausfluren lauert seit Tagen ein gefährlicher Magen-Darm-Virus, der sich in einem Bereich der Privatklinik, der sogenannten Klinik II, mit rasantem Tempo wie eine Epidemie ausgebreitet hat. Noro heißt das tückische Virus, das extrem ansteckend und mit schwerem Erbrechen und Durchfall verbunden ist.
Bereits in der vergangenen Woche, wie am Dienstag erst bekannt wurde, attackierte das Virus die Klinik. Mit mehr als 1000 Patienten ist sie eine der größten und modernsten Reha-Kliniken in den neuen Bundesländern. Rund 500 Patienten sind in der vom Noro-Virus betroffenen Klinik II untergebracht. Aktueller Infektionsstand dort gestern Abend: 97Patienten und 15 Mitarbeiter leiden unter dem höchst aggressiven Erreger. Offenbar für die Klinikleitung überraschend waren gestern doch noch einmal weitere Erkrankungen hinzugekommen.
Die vor Tagen eingeleiteten Gegenmaßnahmen wurden daraufhin noch einmal verschärft: Die gesamte Klinik II (s. Foto: der halbrunde Gebäudeteil) steht derzeit unter Quarantäne. Und trotz des Feiertags entschloss sich der Krisenstab der Klinik gestern, etwa 100 „mobile“ Patienten zum eigenen Schutz nach Hause zu schicken – auf Urlaub vom Krankenhaus gewissermaßen. „Wir wollen niemanden zusätzlich gefährden“, begründete Chefarzt Frank Oehmichen das ungewöhnliche Vorgehen.
Keine neuen Patienten
Wer raus kann, soll raus – und nach Möglichkeit auch vorläufig niemand mehr hinein in den gefährdeten Klinikbereich. Seit gestern gilt darum in Kreischa auch ein Besuchsverbot für Angehörige von Patienten der Klinik II. „Das bleibt in Kraft, bis keine neuen Infektionsfälle mehr auftreten“, so Oehmichen.
Besonders brisant für die Privatklinik: Ausgerechnet in der Klinik II sind viele Schwerstkranke in mehreren Intensivstationen untergebracht. Für sie könnte jede zusätzliche Infektion Lebensgefahr bedeuten. Bisher seien dort aber noch keine Infektionen aufgetreten, versicherte Oehmichen. „Um sicherzugehen, nehmen wir aber vorläufig dort auch keine neuen Patienten mehr auf.“ Entwarnung gibt er aber für die anderen Klinik-Bereiche: Die Klinik I, die Klinik IV und die Kinderklinik seien bisher von der Infektion nicht betroffen.
Das Gesundheitsministerium reagierte gestern zurückhaltend. „Das ist eine lokale Angelegenheit“, teilte ein Ministeriumssprecher mit. Das Gesundheitsamt in Freital sei informiert, die Maßnahmen würden von dort aus überwacht. Unter anderem berät der Krankenhaus-Hygieniker der Dresdner Universitätsklinik den Einsatzstab in Kreischa. „Wir haben alles getan, was nötig ist“, versicherte deren Chefarzt, Frank Oehmichen. „Und wir haben nichts zu verschleiern“, verspricht er Offenheit.