Von Tobias Wolf
Gruppenweise schieben sich die Menschen durch die Straßen, vereinzelt torkelt der eine oder andere, weil er schon ein bisschen zu viel Bier intus hat. Auto- und Motorradfahrer rollen im Schritttempo dazwischen durch – mehr ist nicht drin. Es ist ein gewohntes Bild im Kneipenviertel Äußere Neustadt, das sich in den nächsten Jahren verfestigen könnte – vor allem aus Autofahrersicht. Denn das Rathaus will eine durchgehende Tempo-20-Zone im Stadtteil einrichten. Dann ist nicht mehr nur zu abendlichen Feierzeiten Schleichgeschwindigkeit angesagt.
Betroffen ist das Gebiet zwischen Königsbrücker und Prießnitzstraße in Ost-West-Richtung, im Süden begrenzt durch die Bautzner Straße und im Norden durch die Stauffenbergallee. Nur auf dem Bischofsweg und der Rothenburger/Görlitzer Straße dürfen Autofahrer demnach künftig noch mit Tempo 30 rollen. Die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 20 Kilometer pro Stunde soll vor allem den Lärm für Anwohner und Besucher der Neustadt reduzieren helfen. Denn das Szeneviertel ist an vielen Stellen gefährlich laut und stadtweit das Gebiet, das am meisten unter dem Verkehrslärm leidet.
Deshalb hat die Stadt einen Aktionsplan für die Neustadt entwickeln lassen, der am Montagabend im städtischen Umweltausschuss behandelt wurde. Insgesamt zwei komplexe Maßnahmen und 24 Einzelvorhaben will die Stadt zur Lärmbekämpfung umsetzen, dabei auch Straßen sanieren und den Durchgangsverkehr verringern. Den Entwurf billigten bis auf die AfD alle Stadtratsfraktionen, ebenso, dass der Plan vier Wochen lang öffentlich für die Bürger ausliegen soll, damit sie Einwände vorbringen können.
Keine Einigung gibt es jedoch um die Ergänzungswünsche aus dem Neustädter Ortsbeirat, die auf Anwohnerbeschwerden beruhen. So war der Stadt eine Petition mit 800 Unterschriften übergeben worden, in der auch für die Marienallee und die Forststraße verkehrsberuhigende Eingriffe gefordert werden. Im Preußischen Viertel existiert zwar bereits eine Tempo-30-Zone, nur halte sich kaum jemand an die Geschwindigkeit, sagt Grünen-Stadtrat Torsten Schulze. „Teilweise wird dort mit 80 Kilometern pro Stunde gefahren.“ Laut der Initiative „Preußisches Viertel – lärmfrei“ hielten sich 45 Prozent aller Fahrzeuge nicht an die vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung. Rund 3 000 Autos rollen pro Tag durch das Wohnquartier, eine Folge der Eröffnung der Waldschlößchenbrücke, so die Petenten. Anwohner und Ortsbeirat hatten deshalb gefordert, die bestehende Hauptstraßenregelung durch das Rechts-vor-Links-Prinzip zu ersetzen. Außerdem sollten mehr Radarkontrollen stattfinden. Das könnte die Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich reduzieren.
Der Neustädter Ortsbeirat hatte mit großer Mehrheit diesen Vorschlägen zugestimmt. Im Umweltausschuss des Stadtrates stimmte FDP-Fraktionschef Holger Zastrow am Montag dagegen. Für verkehrsrechtliche Anordnungen sei der Stadtrat nicht zuständig, so Zastrow. Auch die CDU lehnt es mit gleicher Begründung ab, einer solchen Verkehrsberuhigung zuzustimmen, so CDU-Stadtrat Peter Krüger. Außerdem gingen die Wünsche der Anwohner „in Richtung eines völligen Erliegens des Autoverkehrs“, sagt er. „Das wollen wir nicht.“ Für Wohngebiete wolle die Fraktion zwar bestmöglichen Schutz bieten, aber keine Anreize schaffen für eine Verkehrsberuhigung in vergleichbaren Gebieten. Gunter Thiele, der baupolitische Sprecher der CDU, kritisiert, dass in dem Konzept nicht alle Lärmquellen erfasst seien, beispielsweise laute Besuchergruppen.
Mit knapper Mehrheit verwies der Umweltausschuss die Wünsche der Anwohner nun zur Prüfung an das Rathaus. In den demnächst öffentlich ausliegenden Plänen zum Lärmschutz werden diese Punkte jedoch nicht zu finden sein. „Dass Wünsche von Bürgern nicht mit in die Auslegung der Pläne genommen wurden, sehe ich kritisch“, sagt Grünen-Stadtrat Schulze. „Holger Zastrow und die FDP reiten immer auf dem Bürgerwillen rum, aber wenn es dann um konkrete Entscheidungen geht, ist der Bürgerwille nicht mehr wichtig.“ (mit uki)