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Mehr Tempo 30 auf Hauptstraßen

Etwa 50 neue Tempo-30-Strecken sind in diesem Jahr in Dresden entstanden. Und es sollen noch mehr werden.

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© Christian Juppe

Von Ralf Hübner

Das Schild für Tempo 30 kurz hinter der Waldschlößchenbrücke kommt für viele Autofahrer noch immer überraschend. Mitte September wurde es am Beginn der Fetscherstraße, wenige Meter hinter der Ampelkreuzung, aufgestellt.

Seit fast einem Jahr ist es den Kommunen gesetzlich erlaubt, auf Hauptstraßen an „sensiblen Einrichtungen“ wie Kindertagesstätten, Schulen oder Krankenhäusern und Pflegeheimen auf einer Distanz von 300 Metern die zulässige Geschwindigkeit eigenständig herabzusetzen. Das soll die Verkehrssicherheit verbessern. Zuvor wurde Tempo 30 in der Regel nur angeordnet, wenn sich dort ein Unfall ereignet hat. Jetzt hat sich eine Kommission der Stadt Gedanken zu gefährlichen Stellen gemacht – auch ohne dass es zuvor gekracht hat.

An der Fetscherstraße etwa liegen das Pflege- und Seniorenheim „Clara Zetkin“ sowie das Herzzentrum des Uniklinikums. Für die Stadt ist damit die Voraussetzung erfüllt, zwischen Pfotenhauerstraße und Tatzberg Tempo 30 zu verhängen.

Rund 80 potenzielle Standorte wollte die Stadt näher untersuchen – teils von sich aus, teils aufgrund von Hinweisen von Dresdnern. Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain (Grüne) hatte die Bürger ausdrücklich aufgerufen, Vorschläge zu machen. Inzwischen wird laut Straßenbauamtschef Reinhard Koettnitz in etwa 50 Fällen die neue Regelung angewendet. Es kämen aber noch weitere hinzu. Insgesamt gibt es in Dresden auf Haupt- und Nebenstraßen mehr als 300 Tempo-30-Zonen.

An die neue Geschwindigkeitsregelung auf der vierspurig ausgebauten Fetscherstraße mussten sich die Autofahrer jedoch offensichtlich erst gewöhnen. Bei einer ersten Kontrolle Ende September war von knapp 200 Fahrzeugen rund jedes vierte zu schnell. Etwa eine Woche später war es jedes dritte von rund 1800 Fahrzeugen.

Eigenen Angaben zufolge haben allerdings weder das Herzzentrum noch das DRK, der Träger des Pflegeheimes, von der Stadt Tempo 30 vor der Haustür gefordert. Dem Pflegeheim war die neue Geschwindigkeitsregelung noch nicht einmal aufgefallen. Eine Veränderung sei nicht zu spüren, heißt es dort.

Langsames Fahren ist nun auch an Schulen – wie dem Gymnasium Bühlau an der Quorener Straße sowie der Lernförderschule Makarenko an der Leisniger Straße – angesagt. An der SRH Montessori-Grundschule an der Pirnaer Landstraße etwa wurden bei sechs Geschwindigkeitsmessungen fast 640 Verstöße festgestellt, an der 62. Grundschule an der Pillnitzer Landstraße bei sieben Messungen rund 380 Verstöße. Wie der Vorsitzende des Landeselternrates Sachsen, Michael Becker, sagt, hätten viele Eltern mitgemacht und Ideen für Stellen mit Tempo 30 geliefert. „Aber wir haben deutlich mehr als nur ein stupides Aufspannen von Tempo 30 Strecken vor Schulen gefordert.“ Denn das allein ändere das Verhalten der Autofahrer nicht. „An Tempo 30 halten sich viele nicht. Hier helfen möglicherweise unangekündigte Kontrollen, vor denen nicht im Radio gewarnt wird und die nicht auf der Blitzer-App zu finden sind. Auch Kampagnen könnten helfen, dass Menschen ihr Verhalten im Straßenverkehr überdenken“, sagt Becker.

Tempo 30 gilt unter anderem jetzt auch vor den Kitas Schatzinsel, Outlaw, Sausewind, Sonnenkäferland und Pfiffikus an Reicker-, Hecht-, Industrie-, Dölzschener und Wurzener Straße, vor dem Seniorenheim Dresden-Leuben und dem Krankenhaus Dresden-Neustadt.

Markus Löffler vom ADAC Sachsen zufolge müsse jeder die Vernunft haben zu akzeptieren, dass an diesen Stellen langsamer gefahren werden muss. „Die neue Regelung ist vernünftig und es wird verantwortungsvoll damit umgegangen.“ Er habe noch nicht erlebt, dass die Kommunen „mit der Gießkanne“ Tempo 30 verteilt hätten. „Das wird alles genau geprüft.“

Andere Kommunen in Sachsen haben von den neuen Möglichkeiten ebenfalls rege Gebrauch gemacht. In Chemnitz etwa werden die 30-iger Schilder mit erklärenden Hinweisen wie „Schule“ versehen. „Damit können die neuen Regelungen von den Fahrern besser nachvollzogen werden“, sagt ein Stadtsprecher. Denn vor Schulen, Kindertagesstätten, Pflegeheimen und Krankenhäusern werde eine solche Tempobegrenzung in der Regel akzeptiert. Zum Teil gelte diese auch nur zeitweise während der „Öffnungszeit“ der Einrichtungen. Seinen Angaben zufolge sind es etwa 100 Einrichtungen, an denen Tempo 30 infrage kommen könnte. Bis Jahresende sollen die Prüfungen abgeschlossen sein.

Von 146 Schulen in Leipzig gab es schon vor der Neuregelung 113 mit Tempo 30. Jetzt seien 29 weitere hinzu gekommen, heißt es. Weitere Anhörungen liefen noch. Ähnlich sieht es bei den 246 Kitas aus. Dort hatten schon 176 Tempo 30. Für weitere 15 wurde das jetzt angeordnet.