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Tempo ohne Limit

Auf Facebook stimmten über 1500 SZ-Leser klar gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung ab. Auch der ADAC ist kritisch.

Von Dominique Bielmeier
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Derzeit sind bereits rund 30 Prozent des deutschen Autobahnnetzes dauerhaft oder zeitweise geschwindigkeitsbeschränkt, hinzukommen Baustellenbereiche – sagt der ADAC. Vielen Menschen ist das schon jetzt genug der Beschränkung.
Derzeit sind bereits rund 30 Prozent des deutschen Autobahnnetzes dauerhaft oder zeitweise geschwindigkeitsbeschränkt, hinzukommen Baustellenbereiche – sagt der ADAC. Vielen Menschen ist das schon jetzt genug der Beschränkung. © dpa

Landkreis. Drei Autobahnen kreuzen den Landkreis Meißen – die A 4, die A 14 und die A 13. Zumindest streckenweise gilt auf diesen keine Geschwindigkeitsbegrenzung, beispielsweise auf der A 13 zwischen Radeburg und Thiendorf; zwischen Dresden-Nord und Nossen gelten nach Aussage des Landesamts für Straßenbau und Verkehr (Lasuv) dagegen größtenteils Tempolimits. Ganz anders sieht es aus, wenn man von Dresden aus nach Görlitz unterwegs ist: 72 der 96,6 Kilometer langen Autobahn 4 Ost haben keine Geschwindigkeitsbegrenzung, in umgekehrter Richtung sind es 72,5 Kilometer.

Könnten die Landkreisbewohner mit einem Tempolimit, wie es derzeit wieder einmal diskutiert wird, leben? Und was würde ein Limit überhaupt bringen? Die wichtigsten Antworten zum Thema im Überblick:

Warum wird das Tempolimit auf einmal wieder diskutiert?

Seit ein paar Tagen ist eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen Gesprächsthema Nummer eins, nicht nur in sozialen Netzwerken. Aber wie kam die Diskussion um das Tempolimit nun überhaupt wieder auf? Auf einer Liste von Vorschlägen, die eine Arbeitsgruppe der von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) initiierten Kommission zur Zukunft der Mobilität entwickelt hat, findet sich auch das Tempolimit. Über das Papier wurde zwar noch nicht abgestimmt, aber seine Inhalte kamen bereits an die Öffentlichkeit. Die Arbeitsgruppe soll Ideen entwickeln, wie der deutsche Verkehrssektor die Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 um 40 bis 42 Prozent gegenüber 1990 senken kann.

Was halten die Bürger im Landkreis Meißen von einem Limit?

Sofern die Abstimmungsergebnisse einer Facebook-Umfrage auf den vier Profilen der Sächsischen Zeitung im Landkreis Aufschluss über die Meinung der Bürger insgesamt geben können, dann sind diese mehrheitlich gegen ein Limit. Bei der nichtrepräsentativen Umfrage, die noch bis Mittwoch läuft, wurden bis Redaktionsschluss insgesamt 2 049 Stimmen abgegeben, wobei Mehrfachabstimmungen nicht ausgeschlossen werden können. 541-mal wurde dabei für ein Tempolimit gestimmt – 1 508-mal dagegen. Die meisten sprachen sich auf dem Profil der SZ Riesa gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung aus: 553 Nein- zu 158 Ja-Stimmen. Am dichtesten lagen die Stimmen auf dem Meißner-Profil zusammen: 121-mal „Ja“, 267-mal „Nein“.

Einer der wenigen Kommentatoren für ein Limit erzählte von seinen Erfahrungen in den Niederlanden: „Dort bin ich stets sehr entspannt und sicher Auto gefahren, inklusive rechts von mir befindlicher Radfahrer“. Mit einem Limit käme man ja nie ans Ziel, findet ein anderer. „Wenn man von Hamburg nach München muss, brauchst dann 12 Stunden oder wie?“ Ein Weiterer gibt zu, dass er gerne einmal mit 200 Stundenkilometern unterwegs sei, „und würde, wenn es mein Auto hergibt, noch schneller fahren“. Eine der wenigen Frauen, die zur Abstimmung kommentierten, schrieb: „Tempolimit, gut funktionierender und für den Nutzer kostengünstiger Nah- bzw. Fernverkehr, Radwege, Infrastruktur, die alle Verkehrsteilnehmer gleichwertig berücksichtigt ... Was hätten wir für ein schönes, ruhiges und gesundes Leben!“ Ihr Navi zeige ihr auf längeren Strecken deutlich an, wie viel Zeit sie bei hoher Geschwindigkeit spare: „fast nichts“.

Und wie denkt man in den autobahnnahen Kommunen?

Was halten aber diejenigen von einem Tempolimit, die in unmittelbarer Nähe einer Autobahn wohnen? Die SZ hat die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen der Anrainer-Kommunen Klipphausen, Nossen, Wilsdruff, Radeburg, Thiendorf und Schönfeld nach ihrer Meinung dazu gefragt. Könnte ein Tempolimit ihrer Meinung nach zu saubererer Luft in ihrer Kommune führen, zu weniger Lärmbelästigung oder geringeren Unfallzahlen? Würden sie selbst ein Limit befürworten? Antworten kamen aus Wilsdruff und Schönfeld.

Wilsdruffs Bürgermeister Ralf Rother erklärte, seine Stadt habe sich „auf dem uns betreffenden, sehr stark frequentierten Autobahnabschnitt der BAB 4 aus Gründen der Unfallhäufigkeit und des Lärmschutzes bereits erfolgreich für ein Tempolimit eingesetzt“. Ihm persönlich erscheine jedoch die Verlagerung von Güterverkehr auf die Schiene ökologisch wesentlich wirksamer als ein generelles Tempolimit.

Hans-Joachim Weigel, Bürgermeister der Gemeinde Schönfeld, glaubt nicht daran, dass ein Tempolimit kommen wird, „weil dann das Statussymbol Auto in Gefahr geraten würde, und da hängen zu viele Lobbyisten dran – der Zeitpunkt ist einfach noch nicht da.“ Auch er selbst ist für eine Beibehaltung der bisherigen Regelung, auch wenn er kritisch anmerkt, dass manche extra aus dem Ausland nach Deutschland kämen, um hier mal schnell zu fahren. „Und da ist zum Beispiel der Abschnitt zwischen Radeburg und Thiendorf wunderbar geeignet.“

Was würde ein Tempolimit bringen?

Nicht viel, sagt zumindest Markus Löffler, Leiter Umwelt, Verkehr und Technik beim ADAC Sachsen. Der Automobilclub hält ein allgemeines Tempolimit nicht für sinnvoll. Ein Zusammenhang zwischen generellem Limit und dem Sicherheitsniveau auf Autobahnen sei weder im internationalen noch innerdeutschen Vergleich feststellbar. „Die eigentliche Schwachstelle in Sachen Verkehrssicherheit sind nach wie vor die Landstraßen, wo knapp 60 Prozent aller Verkehrstoten registriert werden, bei nur etwa 40 Prozent der Kfz-Fahrleistungen“, so Löffler. Auch der CO²-Ausstoß im Straßenverkehr werde durch eine Geschwindigkeitsbegrenzung nicht maßgeblich beeinflusst. „Laut einer Studie des Umweltbundesamtes reduzieren sich bei Tempo 120 die CO²-Emissionen um neun Prozent – bezogen auf den Pkw-Verkehr auf Autobahnen. Dort wird etwa ein Drittel der Pkw-Fahrleistung erbracht, sodass die CO²-Einsparung bezogen auf den gesamten Pkw-Verkehr bei lediglich drei Prozent liegen würde. Der Pkw-Verkehr wiederum verursacht etwa 13 Prozent der CO²-Emissionen in Deutschland. Die Einsparungen würden somit national weniger als 0,5 Prozent betragen.“ Statt ein Tempolimit unterstütze der ADAC die Forderung nach einem Ausbau von Streckenbeeinflussungsanlagen.