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Testroet und seine Tattoos

23 große und kleine Tätowierungen hat Dynamos Stürmer. Sie erzählen Geschichten, die unter die Haut gehen.

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© Robert Michael

Von Tino Meyer

Das erste Mal, da war er keine 18 Jahre alt, tat gar nicht weh – das zweite Mal dafür umso mehr. Der Gedanke daran lässt Pascal Testroet immer noch das Gesicht verziehen. Wie die Nadel des Tätowierers seinen Rippenbogen entlangtackerte, wieder und wieder ein paar Millimeter unter die Haut fuhr. Knapp vier Stunden hat die Tortur für das Tattoo gedauert. Seitdem steht dort: „Wohin ich auch gehe, ich werde niemals vergessen, wer mir half dorthin zu kommen. Mama Isabel Papa.“ Doch die Schmerzen, meint Dynamo Dresdens Angreifer nun fast neun Jahre und etliche Tätowierungen später, seien es wert gewesen. Zum einen habe er danach nie wieder so leiden müssen. Außerdem „ist das ja kein Abziehbild. Ich will das schon spüren“.

Wenn er will, sagt Pascal Testroet, dann sieht man kein einziges seiner 23 Tattoos.
Wenn er will, sagt Pascal Testroet, dann sieht man kein einziges seiner 23 Tattoos. © Robert Michael
Auf Wade, Oberschenkel und Armbeuge – alles hat seinen Platz.
Auf Wade, Oberschenkel und Armbeuge – alles hat seinen Platz. © Robert Michael
Auf Wade, Oberschenkel und Armbeuge – alles hat seinen Platz.
Auf Wade, Oberschenkel und Armbeuge – alles hat seinen Platz. © Robert Michael
Auf Wade, Oberschenkel und Armbeuge – alles hat seinen Platz.
Auf Wade, Oberschenkel und Armbeuge – alles hat seinen Platz. © Robert Michael

Tattoos sind angesagter denn je und längst vorbei die Zeiten des Knasti-Images. Stattdessen geht man ohne fast schon als Langweiler durch, erst recht in der bunten Fußballwelt. Je größer, wilder, ausgefallener, umso besser – und auffälliger. Hippe Frisuren allein reichen nicht mehr, könnte man meinen beim Blick in die Ligen.

Für Testroet, das wird schnell deutlich, sind Tattoos aber mehr als nur modischer Trend oder nackter Körperkult. Dieser Verdacht könnte ja aufkommen bei seinem Berufsverständnis. „Wir müssen keine Leben retten oder den Weltfrieden. Wir sind moderne Gladiatoren, spielen für die Fans. Sie zu beglücken, darum geht es. So sehe ich das zumindest“, meint der 26-Jährige.

Dynamo-Tattoos gesucht

Nichts ist unmöglich: Das gilt auch für Tattoos. Einmal, erzählt Pascal Testroet, wurde er sogar selbst zum Tätowierer. Während seiner Zeit bei Arminia Bielefeld war das, als er einem Fan sein Autogramm auf den Arm stach. Inzwischen, sagt Testroet, trägt der Mann die Namenszüge der ganzen Mannschaft. Ideen gibt’s – bestimmt auch bei Dynamos Fans.

Wir suchen Fans und ihre Dynamo-Tattoos, die ähnlich verrückt sind, an Erfolge erinnern, an legendäre Spiele, schwarz-gelbe Geschichte erzählen oder einfach die Verbundenheit mit der SGD zeigen.

Schicken Sie uns bis zum 31. Januar ein Foto mit einer kurzen Beschreibung per Mail an: [email protected] . Oder über den Postweg an: Sächsische Zeitung, Sportredaktion, Ostra-Allee 20, 01067 Dresden

Unter allen Einsendern verlosen wir: 1x2 Eintrittskarten für Dynamos Heimspiel am 19. Februar gegen Hannover, einen 50-Euro-Gutschein für Dynamos Fanshop sowie drei von Pascal Testroet signierte Exemplare des Buches „Dynamomente“.

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Dass hinter dem Gladiator ein echter Mensch mit echten Gefühlen steckt, beweisen die Tränen, die Testroet vor lauter Glück bei Dynamos Aufstieg geweint hat. Davon zeugen aber auch seine Tattoos von der Familie, seinem Glauben und dem Leben als Fußballer, also alles Dinge, die ihm sehr wichtig sind. „Jedes einzelne Tattoo hat große Bedeutung für mich und eine besondere Geschichte. Andere schreiben Tagebuch, ich habe meinen Körper“, sagt er.

Mit Klebebildern in der Kindheit fing alles an. Die haben dem gebürtigen Münsterländer schon immer gefallen – genauso wie der Spruch an der Wand des Aufwachraums eines Gelsenkirchener Krankenhauses, wo er als 17-Jähriger am Knie operiert wurde. Das Ende der Fußballkarriere drohte, die im Nachwuchs beim FC Schalke 04 noch nicht mal richtig angefangen hatte.

Nicht ohne Erlaubnis von Mama

„Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, stand an der Wand geschrieben. Sinnige Worte, die sich Testroet danach in Hindi-Schrift auf seiner rechten Wade verewigen lässt – natürlich mit Zustimmung seiner Mutter. „Ich habe noch nie etwas heimlich gemacht. Es sollte ja auch schön werden“, betont er.

Markant ist auch, was im Nacken steht: „You know my name, not my story.“ Viel besser lässt sich seine Situation der vergangenen Wochen und Monate nicht beschreiben: Als sich der gefeierte Aufstiegsheld auf der Auswechselbank wiederfand, als er auch bei allerbesten Chancen das Tor nicht traf, als ihn so mancher auf der Tribüne abgeschrieben und beschimpft hatte. „Meinen Namen kennt jeder, meine Geschichte aber nicht. Bei allem Respekt vor unseren Fans“, sagt Testroet und wird prinzipiell, „was in mir vorgeht und wie viel ich investiere, was ich alles tue und versuche, das weiß nur meine Familie.“

Das Wort „family“ hat er sich gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester stechen lassen – er jedoch auf den Oberschenkel, weil der Nacken anders als bei den Frauen schließlich schon besetzt war. Unterhalb der linken Schulter liest man das Datum 20.12. An diesem Tag ist 1930 sein Opa geboren, und 2009 hat er an jenem Tag bei Werder Bremen seinen ersten Profivertrag unterschrieben. „Ich bin ich“ steht auf dem Rücken, „Geschwisterliebe“ am rechten Handgelenk und in Spiegelschrift auf seiner Brust: „Lerne immer, aber verliere nie dich selbst.“

In Dresden hat er sich nach dem Aufstieg mit dem Wort Dynamo und dem Datum des entscheidenden Spiels im April in Magdeburg in die linke Armbeuge belohnt. Insgesamt sind es mittlerweile 23 Schriftzüge und Motive, zu denen auch das Kreuz auf dem Bauch gehört und ein Herz am linken Handgelenk, das auch seine Frau Michelle trägt. Es ist ihr einziges Tattoo.

Der Entstehungsprozess ist stets gleich. Zuerst ist da die Idee, dann wird gezeichnet und der Grobentwurf mit Klebestreifen am Körper befestigt. Sozusagen zum Probetragen. Gibt Michelle ihr Okay, kümmert sich seine Schwester um künstlerische Feinheiten. Sie zeichnet das Tattoo als Schablone für den Tätowierer. Nur beim Kussmund seiner Frau ist das anders gewesen. Den drückte sie zunächst auf ein Blatt Papier.

Der nächste Termin ist natürlich bereits ausgemacht, irgendwann im April. Dann kommt sein erstes Kind zur Welt. Ein Mädchen soll es werden. Den Platz auf seinem Herzen hat Testroet dafür immer freigehalten – für ihren Namen, den Pulsschlag und das Geburtsdatum.

Wie das alles in 30, 40 oder gar 50 Jahren aussieht? Oder was passiert, wenn Michelle vielleicht nicht mehr seine Frau ist? Daran hat er natürlich auch mal gedacht. „Egal, was passiert: Michelle wird immer zu meiner Lebensgeschichte gehören, genauso wie alle Tattoos – selbst wenn es optisch nicht mehr so ansprechend aussehen sollte. Eine Blume würde ich dann vielleicht blöd finden, meine Familie nicht.“