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Teure Bäume

Jedes Jahr sollen bis zu 150 Straßenbäume nachgepflanzt werden. Der Preis erscheint manchem viel zu hoch.

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© Claudia Hübschmann

Von Jürgen Müller

Lommatzsch. Allein in der Lommatzscher Pflege sind in den vergangenen Jahren über 1 000 Bäume an Straßenrändern aus verschiedensten Gründen verschwunden. Oft ist Überalterung oder Verkehrssicherung die Ursache. Nachpflanzungen erfolgten nur spärlich. Das ärgert nicht nur Leo Lippold, den Vorsitzenden des Kulturkreises Scharfenberg. „Zu keinem Zeitpunkt der Kulturgeschichte war dieser Landstrich monotoner, armseliger und so entwertet wie heute“, sagt er. Dabei sei das Meißner Umland einer der fruchtbarsten und reichsten Landstriche Deutschlands gewesen. Heute sei diese Gegend von einigen Ausnahmen abgesehen so billig und geschmacklos wie nie zuvor. Deshalb habe er sich im Frühjahr mit einem Brief an den sächsischen Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt gewandt. Eine Antwort bekam er nicht.

Obstbäume, die bis vor zehn Jahren noch die Straßenränder säumten, seien „weggepflegt“ worden, Nachpflanzungen Fehlanzeige. Geackert würde heute bis zum Bankett. Sämtliche als unnütz, die Effizienz störenden Elemente würden vergiftet, ausgerottet oder bestenfalls aus Bestands- und Ausgleichsmaßnahmen geduldet, schimpft er. Sein Brandbrief hat offenbar doch Wirkung hinterlassen. Das Landratsamt Meißen hat das Thema aufgegriffen.

Die Kulturlandschaft im Landkreis soll belebt werden. Während einer Kreisstraßenbefahrung wurde den Abgeordneten des Landkreises und einem fachkundigen Publikum die Idee vorgestellt, in noch bestehenden Baumreihen Nachpflanzungen vorzunehmen, sagt Dezernent Andreas Herr. Das sei einfacher als die Neuanlage einer vollständig verschwundenen Baumreihe, da hier die Abstandsauflagen sehr hoch sind. So muss bei neu angelegten Straßenbäumen ein Abstand von sieben Metern zum Straßenrand eingehalten werden. Diese Kreisstraßenbefahrungen fänden allerdings jährlich statt, in diesem Jahr eben in der Lommatzscher Pflege , so Herr.

Viele Obstbäume an der Straßenrändern stammten noch aus der Vorkriegszeit, seien abgestorben und hätten entfernt werden müssen, so der Dezernent. Es sei nicht in ausreichendem Maße nachgepflanzt worden. „Das war dem Landschaftsbild abträglich“, so Herr. Das soll jetzt geändert werden. Ein entsprechendes Programm soll demnächst im Technischen Ausschuss beraten werden.

Allerdings sind bei den anfallenden Kosten von etwa 500 Euro pro Baum jährlich nur Nachpflanzungen von 100 bis höchstens 150 Bäumen möglich. Die Abgeordneten und Vertreter der Landwirtschaft hätten dem Projekt zugestimmt. Gleichzeitig gebe es die vorsichtige Hoffnung, dass die Pflanzungen einen gewissen Modellcharakter hätten und auch andere Bürger animierten, Nachpflanzungen vorzunehmen, heißt es auch der Fachschule für Landwirtschaft Großenhain. Die Pflanzungen können gefördert werden. Dazu stünden Mittel im Programm „Natürliches Erbe“ bereit. Riesig ist der Förderbetrag allerdings nicht. Pro Baum gibt es lediglich 78 Euro. Bei Ausreichung der Mittel gelte das „Windhundprinzip“. Soll heißen: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.

Doch wie kommt der hohe Preis von 500 Euro pro nachzupflanzenden Baum zustande? Andreas Herr erklärt, dass in dem Preis nicht nur das Anpflanzen, sondern drei Jahre Bestandspflege enthalten sind. Zudem sollten spezielle Obstbaumsorten gepflanzt werden, die zwar Blüten tragen, aber keine oder kaum Früchte ausbilden. In heißen Sommern müssten die neu angepflanzten Bäume zudem regelmäßig gewässert werden. Die Pflanzung und Pflege könnte die Straßenmeisterei übernehmen. Landwirt Thomas Fischer aus Hirschstein hat dafür nur Spott übrig: „Das ist doch ein Witz, dass ausgerechnet diejenigen, die alle Bäume gefällt haben, es jetzt richten sollen.“

Finanziert könnte das Ganze aus dem Umweltetat des Landkreises oder aus Mitteln der Kreisstraßenunterhaltung werden, sagt Herr. Leo Lippold kritisiert den hohen Preis für einen Baum. „Ich traue mir zu, für diesen Preis mindesten zehn zu pflanzen, und das an einem sonnigen Vormittag.“ Sein Verein führe einmal im Jahr Baumpflanzungen durch. Dabei würden aus Spenden 20 bis 40 Bäume gekauft und gepflanzt. In der Bio-Baumschule koste einer nicht mal 25 Euro.