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Teures Schweigen

Ein 26-Jähriger sitzt seit Januar in Beugehaft. Nun wurde er wieder verurteilt.

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© Sven Ellger

Von Alexander Schneider

Bis Januar 2021 – so lange muss Patrik L. mindestens noch im Gefängnis sitzen. Das klingt nach sehr viel Zeit zum Nachdenken, nach großer Langeweile und nach einer verschwendeten Jugend. L. ist 26 Jahre alt und sitzt bereits seit Juni 2016 in Haft, derzeit in der Justizvollzugsanstalt Waldheim. Im Februar 2021 wird er 29.

Patrik L. hat einen Hauptschulabschluss und eine Lehre als Großhandelskaufmann abgeschlossen. Das klingt zunächst nicht schlecht. Doch der Deutsche kam früh mit dem Gesetz in Konflikt, auch wegen seines Hanges zu rechtsextremem Gedankengut. Anfang 2015 erhielt er wegen gemeinschaftlichen Raubes eine Bewährungsstrafe von 14 Monaten. Doch dabei blieb es nicht. Schon im August 2015 beteiligte sich L. an den Ausschreitungen in Heidenau, wo mehrere Hundert Asylgegner die Ankunft von Asylbewerbern verhindern wollten und zwei Nächte lang die Polizei angegriffen hatten.

L. stahl an der nahe gelegenen Tankstelle einen Feuerlöscher, versprühte das Pulver, um die Straße zu vernebeln und einen Sichtschutz für andere Chaoten herzustellen, und warf mit Gegenständen auf Uniformierte. Im Herbst 2016 wurde Patrik L. dafür unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs zu einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.

Letztes Urteil diese Woche

Diese Woche ein weiterer Schuldspruch: Das Landgericht Dresden hat L. wegen räuberischen Diebstahls verurteilt. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten. Die Heidenau-Verurteilung ist darin enthalten. Patrick L. hat im Mai 2016 am Bahnhof Niedersedlitz einen damals 18 Jahre alten Schüler mit Quarzsand-Handschuhen bedroht und ihm seine Union Berlin Fußball-Jacke abgeknöpft. Die Polizei hatte den Täter kurz nach dem Überfall gestellt. In dem Prozess hat sich L. nicht zu den Vorwürfen geäußert. Mit einem Geständnis hätte er mit einer deutlich milderen Strafe rechnen können, schon weil seit dem Überfall bereits zwei Jahre vergangen waren.

In seinem Heidenau-Prozess hatte sich L. noch, so gut es eben ging, eingelassen und die Vorwürfe eingeräumt. Er sei mit anderen „Kameraden“ in Heidenau gewesen, um den Bezug zu verhindern. Er sagte aus, dass auch Gewalt gebilligt worden sei („Wenn‘s knallt, dann knallt’s halt“), und soll auch Namen von Mittätern genannt haben. Das macht ihn als Zeugen in anderen Verfahren interessant.

Seit Januar 2018 ist L.s Expertise in einem Prozess vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden gefragt – im Prozess gegen sechs mutmaßliche Mitglieder der Freien Kameradschaft Dresden (FKD). Einige von ihnen sollen sich ebenfalls an den Ausschreitungen vor dem zur Erstaufnahmeeinrichtung umgebauten ehemaligen Praktiker-Baumarkt in Heidenau beteiligt haben. L. ist als Zeuge nach seiner eigenen rechtskräftigen Verurteilung zu einer Aussage verpflichtet – doch er sagte überraschend nichts, machte Erinnerungslücken geltend, bockte. Zweieinhalb Stunden befragte die Kammer den Mann erfolglos. Daher ordnete das Gericht an, L. in Beugehaft zu nehmen.

Es ist ein teures Schweigen. Monat für Monat wird L. seit Januar aus Waldheim zu dem Prozess am Landgericht Dresden gebracht, wo L. regelmäßig schweigt und sein Beugehaft-Abonnement verlängert. Inzwischen ist er im fünften Monat, Ende Juni wird er wieder von der Staatsschutzkammer erwartet. Die Beugehaft muss Patrik L. zusätzlich absitzen. Er kann sie nicht auf seine Strafhaft anrechnen. Das heißt auch, dass der Entlassungstermin Januar 2021 wohl noch weiter in die Ferne rückt.

Wieso der 26-Jährige weiter schweigt, während andere Beschuldigte, darunter selbst Anführer der Gruppe Freital, der im März wegen Rechtsterrors verurteilten Neonazis, längst zu den Krawallen in Heidenau und anderen rechtsextremen Taten ausgesagt haben, bleibt sein Geheimnis. Patrik schweigt – und brummt.