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Theater im Schul-Speiseraum

Die Schüler der Förderschule lernen Djadi kennen und lieben. Bei dem Flüchtlingsthema ist Fantasie gefragt.

Von Elke Braun
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Almut Buchwald und Robert Kapelle vom Mittelsächsischen Theater lesen in der Waldheimer Förderschule Szenen aus „Djadi, Flüchtlingsjunge“, einem Buch von Peter Härtling.
Almut Buchwald und Robert Kapelle vom Mittelsächsischen Theater lesen in der Waldheimer Förderschule Szenen aus „Djadi, Flüchtlingsjunge“, einem Buch von Peter Härtling. © Dietmar Thomas

Waldheim. Djadi ist elf Jahre alt. Ungefähr so alt wie die meisten Kinder der 5. und 6. Klasse der Förderschule Waldheim, die sich an diesem Vormittag im Speiseraum versammelt haben. Sie lauschen den Ausführungen von Almut Buchwald und Robert Kapelle. 

Die beiden Schauspieler des Mittelsächsischen Theaters berichten von einem Flüchtlingsjungen, der aus Syrien nach Deutschland gekommen ist. Allein. Ohne seine Eltern und Geschwister. Die hat er auf der Flucht verloren. Er ist gestrandet in Frankfurt am Main und wird dort von dem Sozialarbeiter Jan, dessen Frau Dorothea und dem pensionierten Lehrer Wladi aufgenommen.

„Djadi, Flüchtlingsjunge“ ist der Titel der neuen Klassenzimmer-Produktion des Mittelsächsischen Theaters. Es ist eine zweiteilige szenisch-spielerische Lesung, ein kleines Lesetheater. Kulissen brauchen die Schauspieler nur ganz wenige. Eine kleine Mini-Drehorgel zum Beispiel, die die Übergänge zu den einzelnen Szenen akustisch untersetzt. Oder ein großes Hintergrundbild, das die Darstellerin selbst gezeichnet hat. Auch Kostüme werden so gut wie gar nicht benötigt. 

Wenn Almut Buchwald den Wladi spricht, setzt sie eine Schiebermütze auf. Das ist alles. Obwohl insgesamt 26 Personen in dem Stück vorkommen, erkennen die Zuschauer leicht, welcher Charakter gerade gesprochen wird. Die Schauspieler verstehen es, gekonnt mit Mimik und Gestik zu vermitteln und die Spannung aufrecht zu erhalten.

Das Buch „Djadi, Flüchtlingsjunge“ hat der Schriftsteller Peter Härtling geschrieben. Es ist das letzte Buch vor seinem Tod im Jahr 2017. Der Autor hat eine eigene Flüchtlingsvergangenheit. Im Zweiten Weltkrieg musste er seine Heimat verlassen, verlor dabei wie Djadi seine Eltern.

Jetzt ist das Thema aktueller denn je. Härtling gelingt es, das Schicksal Djadis aus der Anonymität herauszuholen. Es sind Millionen von Menschen in den letzten Jahren nach Deutschland geflüchtet. Diesem einen Jungen gibt der Autor Gesicht, lässt die Leser und Zuschauer mitfühlen. Er beschreibt, wie sich Djadi fühlt, bei den ersten Arztbesuchen oder bei der Vorstellung bei den Behörden, von seiner Angst als seine Pflegeeltern die Koffer für den Urlaub packen, weil er glaubt, er muss wieder für immer fort; wie er sich unter dem Sofa versteckt, obwohl es nur der Nachbar ist, der draußen klingelt oder wie ihn die Bootsfahrt zu einer Ostseeinsel in Panik versetzt. Auch der erste Tag in der Schule und Beschimpfungen durch die Mitschüler werden angesprochen.

„Wir möchten die Lese-Fantasie der Kinder anregen“, sagt Regieassistentin Anna Reupke. „Die Kinder sollen die Geschichte weiterdenken.“ Das tun die Schüler auch. Sie überlegen, wie das Leben von Djadi weitergegangen sein könnte, denn das lässt der Autor offen. Und sie überlegen, wie sie in Djadis Situation gehandelt hätten.

Für Schulleiter Heiko Felgener ist das Theaterprojekt eine Bereicherung des Unterrichts. „Wir sind sehr dankbar, dass wir unseren Schülern so etwas bieten können“, sagt er. Finanziert wird sowohl das Projekt in der Schule als auch eine einmal im Schuljahr stattfindende Fahrt zu einer Theatervorstellung von der Waldheimer François Maher Presley-Stiftung.