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THW auf Tauchstation

Die Bautzener Kameraden vom Technischen Hilfswerk bergen einen Verunglückten aus einem Brunnen. Sie können noch viel mehr – und möchten das auch öfter unter Beweis stellen.

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© Jens Kaczmarek

Von Madeleine Siegl-Mickisch

Bautzen. Ein Sonnabendmorgen kurz vor acht: Antreten im Nieselregen. Für die Männer vom Technischen Hilfswerk (THW) steht der monatliche Dienst an. Zugführer Jürgen Zoch teilt sie in zwei Gruppen ein. Die eine soll die Fahrzeuge beladen, die andere in den Garagen saubermachen. Da gibt es einiges zu tun, immerhin verfügt der Bautzener THW-Ortsverband auf dem Gelände der früheren Husarenkaserne, dem heutigen Verwaltungszentrum, an der Käthe-Kollwitz-Straße über recht viel Platz – und jede Menge Technik. „Wir sind wirklich sehr modern ausgestattet“, sagt Andreas Heinrich, der stellvertretende Ortsbeauftragte. Sieben Fahrzeuge stehen bereit, darunter ein erst drei Jahre alter Unimog mit Ladekran, außerdem eine 5 000 Liter-Hochleistungspumpe, die zum Beispiel beim Hochwasser 2013 im Einsatz war.

Einsatz beendet: Die geborgene Person wird an den Rettungsdienst übergeben.
Einsatz beendet: Die geborgene Person wird an den Rettungsdienst übergeben. © Jens Kaczmarek
Werben um neue Helfer: Ortsbeauftragter Robert Stolpe (l.) und sein Stellvertreter Andreas Heinrich.
Werben um neue Helfer: Ortsbeauftragter Robert Stolpe (l.) und sein Stellvertreter Andreas Heinrich. © Jens Kaczmarek

Nass ist es an diesem Morgen zwar auch, nach Überschwemmungen sieht es aber gerade nicht aus. Dennoch werden die unspektakulären Aufräumarbeiten in den Garagen plötzlich unterbrochen, als Andreas Heinrich im Laufschritt aus seinem Büro kommt: „Einsatz“, ruft er über den Hof. „Person im Brunnen, Jenkwitz–Waldsiedlung“, gibt er die knappe Information an Zugführer Jürgen Zoch weiter. Der ruft die Männer zusammen, verteilt die Aufgaben: „Schnell, wir sind hier nicht beim Kaffeekränzchen“, mahnt er einige zu etwas mehr Eile. Nach etwa einer Viertelstunde sind drei Fahrzeuge samt Besatzung startklar. Mit Blaulicht geht’s hinaus auf die Kollwitz-Straße. Eine Dacia-Fahrerin bremst im letzten Moment und lässt die kleine Kolonne durch.

Sicherheit geht vor

Am Einsatzort angekommen die erste Herausforderung: eine schmale Toreinfahrt. Nach der Erkundung der Lage zirkeln die Fahrer nach dem Transporter aber schließlich mit Fingerspitzengefühl auch die beiden größeren Lkw hinein. André Hutnik wartet schon auf die Männer in Blau. Der Brunnen auf seinem Grundstück ist normalerweise abgedeckt, jetzt liegen die schweren Granitplatten daneben. THW-Mann Paul Stolpe, der erst am Vorabend zum Truppführer befördert wurde, beugt sich mit einem Kameraden vorsichtig über den Brunnenrand. In einigen Metern Tiefe ist ein menschlicher Körper zu erkennen. Während die einen elektronisch die Brunnentiefe messen und ein Gaswarngerät hinablassen, laden die anderen Stahlrohre vom Lkw, um damit einen Dreibock aufzubauen. Mehrere Männer legen sich Gurte an. Drei von ihnen werden mit Seilen gesichert, als sie den Dreibock über den Brunnen heben. „Das mag jetzt übertrieben wirken, aber Sicherheit geht nun mal vor“, sagt Andreas Heinrich. Es könnte ja jemand stolpern – und so schneller im Brunnen landen als geplant.

Für den Abstieg macht sich Heiko Simon bereit. „Ein erfahrener Truppführer“, sagt Heinrich. Gut gesichert geht es für ihn in dem schmalen Schacht langsam etwa neun Meter abwärts. Dabei muss er aufpassen, sich nicht an der rostigen Leiter oder den alten Eisenträgern, die von den Seiten in den Brunnen hineinragen, zu verletzen. Diese Gegebenheiten erfordern auch bei der Rettung der verunglückten Person besondere Vorsicht. „Ich brauch’ mehr Seil“, ruft Simon nach oben. Kurze Zeit später ziehen die Männer kräftig. Als Erstes kommt der Verunfallte nach oben – eine lebensgroße Puppe, denn es ist nur eine Übung, was die Kameraden wohl von Anfang an ahnten. „Wäre ja auch ein zu großer Zufall, wenn wir einen Einsatz hätten, gerade wenn die Presse uns besucht“, kommentiert Andreas Heinrich schmunzelnd.

Die Kunst, vorbereitet zu sein

Jemanden aus einem Brunnen retten, mussten die Bautzener THW-Leute noch nie. Auch üben konnten sie das bisher nicht. „Es ist die Kunst, auf das vorbereitet zu sein, was hoffentlich nicht eintritt“, sagt Heinrich. Wenn es nach Heiko Simon geht, will er auch nicht in solch eine Situation kommen: „Ne, wenn da wirklich einer drin ist und vielleicht um Hilfe schreit, das willst du nicht haben“, sagt er zu seinen Kameraden, als er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Mit Wasser hatte er bisher anderweitig zu tun, vor allem ein Einsatz im Schottenbergtunnel in Meißen beim Hochwasser 2013 ist ihm in Erinnerung geblieben. Beim THW ist der Wilthener seit 2010. „Ich kam damals aus den alten Bundesländern zurück in die Heimat, hatte viel Freizeit und suchte soziale Kontakte“, erzählt der schlanke Mann, wie er zu der Zivil- und Katastrophenschutzorganisation gekommen ist, die dem Bundesinnenministerium untersteht. „Jetzt hab’ ich weniger oder eben sinnvoll ausgefüllte Freizeit.“

Auch Florian Wieland will einen Teil seiner freien Zeit künftig in der blauen Uniform verbringen. Nachdem es Anfang Februar in Neukirch eine Explosion gegeben hatte und Männer vom Bautzener THW daraufhin das einsturzgefährdete Gebäude sicherten, hatte ihm ein Arbeitskollege davon erzählt. Nun ist Florian Wieland zum ersten Mal dabei, viel machen kann er aber noch nicht. Er muss erst zur Grundausbildung.

Technik und motivierte Leute

Jeweils an einem Wochenende pro Monat lernen die neuen THW-Kameraden das Einmaleins des Katastrophenschutzes, nach einem Jahr ist Prüfung. In Bautzen werden für die Ausbildung, die im Mai beginnt, noch Interessenten gesucht. Früher seien öfter junge Männer zu ihnen gestoßen, die nicht zur Bundeswehr wollten und beim – größtenteils ehrenamtlich organisierten – THW ihren Wehrersatzdienst leisten konnten, sagt Ortsbeauftragter Robert Stolpe. Doch seit dem Wegfall der Wehrpflicht ist es schwieriger geworden, neue Helfer zu gewinnen – trotz eigener Jugendgruppe, in der zurzeit ein Dutzend Kinder und Jugendliche mitmacht. Zwei von ihnen gehen nun zur Grundausbildung.

Zuletzt war aber auch die Zahl der Einsätze rückläufig, sagt Andreas Heinrich. „Das ist schade. Früher wurden wir öfter gerufen.“ Dabei könne das THW gerade bei aufwendigen Einsätzen wie im Falle von Hochwasser oder Sturmschäden, wenn die Feuerwehren an ihre Grenzen stoßen, sehr gut helfen. „Wir haben die Technik und motivierte Leute“, sagt Heinrich, der seit 1993 beim THW ist und auch schon Auslandseinsätze, unter anderem in Haiti und Jordanien, absolviert hat.

Akzeptable Zeit

Am Brunnen in der Jenkwitzer Waldsiedlung haben die Helfer den Verunglückten inzwischen auf eine Trage gelegt. 35 Minuten nach Ankunft am Einsatzort übergeben sie ihn an den Rettungsdienst. „Das ist für uns eine akzeptable Zeit, da brauchen wir uns nicht zu verstecken“, sagt Zugführer Jürgen Zoch. Fehler, die ihm aufgefallen sind, wird er später auswerten, wenn sie zurück am Stützpunkt sind. Das dauert aber noch. Die Übung ist zwar beendet, doch der Auftrag noch nicht. Die Männer sollen für den Grundstückseigentümer nämlich eine alte Pumpe aus dem Brunnen holen, der seit Jahren nicht mehr in Betrieb ist, jetzt aber wieder aktiviert werden soll. „Und da haben wir die Gelegenheit genutzt und gleich eine Übung daraus gemacht“, sagt Andreas Heinrich, während es für den nächsten Kameraden – ausgerüstet mit einer Säge – nun nach unten geht.

Der THW-Standort in Bautzen, Käthe-Kollwitz-Straße 17, ist jeden Mittwoch ab 18 Uhr besetzt. Wer sich für eine Mitarbeit interessiert, kann unverbindlich vorbeischauen. Gesucht wird übrigens auch jemand, der die Truppe bei ihren Diensten vor Ort bekochen würde.

Kontakt: Telefon 03591 607444, www.thw-bautzen.de