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Tiere werden vom Problemhof geholt

Es gab keine Zwangsräumung in Kohlwesa. Das hatte ein Richter untersagt. Das Landratsamt reagierte trotzdem.

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© Uwe Soeder

Von Kerstin Fiedler

Kohlwesa. Mitten im Müll steht Hendrik Lange. Er ist entsetzt, denn der Eigentümer des großen Hofes in Kohlwesa war seit längerer Zeit nicht vor Ort. Und wenn nicht der Termin der Zwangsräumung gestanden hätte, wüsste er wohl immer noch nicht, wie es um sein Eigentum bestellt ist. „So schlimm habe ich mir das nicht vorgestellt“, sagt er. Überall liegt Müll, Plasteeimer, Geschirr in Kisten, Tüten mit Essensresten oder auch Waschmaschine und Kühlschrank sind im Freien verteilt. Die Mülltonnen sind gefüllt. Neben dem Eingangstor liegt ein totes Schwein in einer Plastekiste. Geflügel läuft herum und sucht nach Essbarem.

Fotos von der Räumung des Problemhofes

Eigentlich wollte sich Hendrick Lange nur mit der SZ und dem Bürgermeister von Hochkirch dort treffen. Denn die Zwangsräumung, die er in langwierigen gerichtlichen Kämpfen für diesen Tag erstritten hat, wurde vom Amtsgericht abgesagt. Trotzdem herrscht an diesem Morgen reger Betrieb auf dem Hof. Landratsamt und Polizei holen die Tiere ab.

Seit mehreren Jahren wohnt auf dem Hof von Hendrik Lange ein Mann, der es offensichtlich mit der Ordnung nicht so genau nimmt. Das hat Lange zunächst weder gewusst, noch die Folgen erwartet. „Schon ein halbes Jahr, nachdem wir den Mietvertrag unterschrieben hatten, habe ich versucht, ihn dort wieder rauszubekommen“, erzählt Hendrik Lange. Der Hof gehört ihm mittlerweile allein. Das hatte die Erbengemeinschaft vor über zehn Jahren geklärt. Die Solaranlagen und die erneuerten Dächer auf dem Stall und den Scheunen im zweiten Teil des Hofes zeugen von einer begonnenen Sanierung. Ein mittlerweile zugewachsenes Schild lässt vermuten, was Lange sich vorgestellt hat. Einen Ferienhof wollte er aus dem Hof machen. „Das hätte sich nicht gerechnet, das Ensemble ist einfach zu groß“, sagt er aus heutiger Sicht. Da habe er sich lieber um Mieter bemüht.

Nachbarn haben Angst

Dass durch diesen einen Mieter nun ein ganzes Dorf in Aufruhr ist, das hat er, der jetzt nahe Frankfurt lebt und arbeitet, nicht gewollt. Die Nachbarn sind an diesem Donnerstag froh, dass wenigstens etwas passiert. Wenn ihnen auch gesagt wird, dass der Bewohner bleibt. „Wir verstehen das nicht“, sagt zum Beispiel Dana Köckert, deren Scheune an den Hof anschließt. Sie ist mit dem dritten Kind schwanger und hat Angst, dass dieser Mensch irgendwann auch auf die Kinder losgeht. „Am Sonntag hat er uns angespuckt“, erzählen andere Nachbarn. Neben dem Gestank und den immer wieder herumliegenden toten Schweinen stört sie vor allem der Lärm. „Früh um vier geht das Geschnatter los. Ich kann kein Fenster auflassen“, sagt Dana Köckert. Die Anwohner verstehen nicht, warum dieser Mann auf dem Hof bleiben darf.

Zumindest eine Mitarbeiterin des Landratsamtes kommt mit den Kohlwesaern ins Gespräch. Die Frau vom sozialpsychiatrischen Dienst versucht zu erklären, wie kompliziert es ist, einen Richter davon zu überzeugen, dass der Bewohner und sein Handeln eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen. „Und da spielen wir gar keine Rolle, wenn wir alle fix und fertig sind“, fragen die Anwohner entsetzt.

Auf dem Hof indes stehen Polizisten, die den Mann davon abhalten, in die Ställe und das Wohnhaus zu gehen. Als der den Eigentümer erkennt, ruft er ihm von Weitem zu: „Sie haben mich noch lange nicht hier raus.“ Dann kommt ein älterer Herr, der mit dem Bewohner spricht. Ein Freund, sagen die Anwohner. Der käme öfter her. Mit der SZ reden will er nicht. Das tut derweil eine andere Anwohnerin, die bisher kein Problem hatte, mit dem Mann zu sprechen. „Warum kann ihm denn nicht geholfen werden“, fragt sie. „Das sieht man doch, dass er krank ist. Er hat es mir auch erzählt, sagt sie. Tief betroffen von dem, was dort vorgeht und wie er behandelt wird, geht sie wieder nach Hause.

Polizisten in Schutzkleidung

Unterdessen ist der Lkw, der die Schweine abholt, zum zweiten Mal angekommen. Aus dem Stallgebäude schauen die Schweine aus dem ungesicherten Fenster im Obergeschoss. Kurz bevor sie dort rausfallen, hat ein Mann ein Brett vor die Fensterluke gestellt. Im Tor entwischen den Männern dann einige Ferkel. Doch auch sie werden wieder eingefangen.

Mittlerweile haben Polizisten Schutzkleidung angelegt. Sie wollen die Hunde aus dem Haus holen. Das gestaltet sich schwieriger als gedacht. Doch zwei Schäferhunde haben sie dann in großen Transportkisten auf den Pickup gestellt. Wohin sie kommen, erfuhr die SZ am Donnerstag nicht mehr. Auch auf andere Fragen gibt es aus dem Landratsamt keine Antwort. Wohin wurden die Schweine gebracht? Werden sie getötet und wenn nicht, was wird mit ihnen? An diesem Freitag will die Kreisverwaltung informieren.

Das hilft aber Hendrik Lange nicht weiter. Denn er weiß, dass selbst dann, wenn irgendwann dieser Mann von seinem Hof gehen sollte, er Unmengen an Arbeit hat. „Ich darf gar nicht an die Entsorgungskosten denken“, sagt Lange. So, wie die Situation jetzt ist, hat er keine Lust mehr, diesen Familienbesitz zu behalten. Er wird versuchen, den Hof zu verkaufen.

Norbert Wolf, Bürgermeister von Hochkirch, zu dem Kohlwesa gehört, schüttelt mit dem Kopf. „Es ist zwar gut, dass endlich etwas passiert. Das ist ein Anfang. Aber es ist nicht schön, wie das hier läuft“, sagt Wolf. Noch viel mehr bemängelt er, dass die Behörden so lange gewartet haben.