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Das seltsamste Säugetier der Welt

Eine Studie klärt, wie das Schnabeltier sein Sammelsurium an Kuriositäten erwarb.

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Wunderliches Schnabeltier: Das eierlegende Säugetier hat Entenschnabel, fluoreszierendes Fell und fünfmal mehr Geschlechtschromosomen als der Mensch.
Wunderliches Schnabeltier: Das eierlegende Säugetier hat Entenschnabel, fluoreszierendes Fell und fünfmal mehr Geschlechtschromosomen als der Mensch. © UNSW/AAP/dpa

Von Alice Lanzke

Das Schnabeltier ist wohl das merkwürdigste Säugetier der Welt. Zu seinem Biberkörper und dem entenähnlichen Schnabel kommt die Tatsache, dass es über fünf Geschlechtschromosomen-Paare verfügt, während die meisten Säugetiere, inklusive des Menschen, nur zwei Geschlechtschromosomen haben. Erklärungen für etliche Skurrilitäten liefert nun die Sequenzierung seines Genoms im Fachblatt Nature.

Das Schnabeltier (Ornithorhynchus anatinus) bildet zusammen mit den vier Arten des Ameisenigels die Ordnung der Kloakentiere (Monotremata) – eine uralte Gruppe von Säugetieren, die schon Millionen von Jahren vor Entstehung aller heutigen Säugetiere existierte. Das Schnabeltier gelte zwar als Säugetier, erläutert der Evolutionsbiologe Guojie Zhang von der Universität Kopenhagen. „Aber genetisch ist es eine Mischung aus Säugetieren, Vögeln und Reptilien.“

Diese Mischung zeigt sich schon im Aussehen der Tiere, das an einen flachen Biber mit Entenschnabel erinnert. Körper und Schwanz haben ein wasserabweisendes Fell, während die Füße Schwimmhäute tragen. Dazu schrieb der britische Naturforscher Charles Darwin 1836 in sein Tagebuch: „Glaubt jemand nur seinem eigenen Verstande, könnte er ausrufen: Gewiss müssen hier zwei verschiedene Schöpfer am Werk gewesen sein.“

Gilftig sind sie auch

Schnabeltiere leben in Binnengewässern im östlichen und südöstlichen Australien sowie in Tasmanien. Die Männchen haben Giftsporne an den Hinterbeinen, die bei Territorialkämpfen zum Einsatz kommen. Zudem fluoresziert das Fell der Tiere unter UV-Licht, wie US-Forscher im vergangenen Jahr berichteten.

Die Kartierung des Genoms durch ein internationales Forschungsteam ergab nun, dass die Tiere fünf Paare von Geschlechtschromosomen haben, die eine ungewöhnliche Kettenform einnehmen. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die zehn Geschlechtschromosomen des Schnabeltiers einmal als Ring angeordnet sein mussten“, sagt Ko-Autor Qi Zhou von der Universität Wien. Solche Chromosomenringe wurden demnach bislang nur bei Pflanzen gefunden.

Zudem sind Kloakentiere die einzigen Säugetiere, die Eier legen. Dies liegt der Analyse zufolge daran, dass die Tiere ein sogenanntes Vitellogenin-Gen tragen, das für die Produktion von Eigelb wichtig ist. Hühner haben drei solche Gene.

Milch wird herausgeschwitzt

Eine weitere Besonderheit ist die Milchproduktion der Schnabeltier-Weibchen: Sie haben im Gegensatz zu anderen Säugetieren keine Zitzen, sondern umgebildete Schweißdrüsen im Brustbereich, aus denen sie die Milch herausschwitzen. Die Jungen lecken die Milch dann aus dem Fell der Mutter.

Eine weitere Skurrilität: Schnabeltiere sind im Gegensatz zu den allermeisten Säugetieren zahnlos. Sie tragen am Ober- und Unterkiefer Hornplatten, mit denen sie ihre Nahrung – etwa Krabben, Würmer und Insektenlarven – zermahlen. Die Genom-Analyse ergab, dass die Tiere ihre Zähne vor etwa 120 Millionen Jahren verloren. Damals – zur Zeit der Dinosaurier – verschwanden demnach vier der acht für die Zahnentwicklung verantwortlichen Gene.

„Das vollständige Genom gibt uns die Antwort darauf, wie einige der bizarren Merkmale des Schnabeltiers entstanden sind“, fasst Zhang die Resultate der Studie zusammen. (dpa)