Schmuggelwelpen aus Tierheim in Freital entführt

Freital. Eine seltene Rassehündin ist am Sonntagabend aus dem Tierheim in Freital entführt worden. Vor rund drei Wochen hatte die Polizei die Hündin der Rasse Cane Corso und ihren Bruder im Auto eines mutmaßlichen Welpenschmugglers entdeckt. Das Veterinäramt brachte sie damals beim Freitaler Tierschutzverein unter, der die Geschwister seither im Tierheim versorgt. Vereinsvorsitzende Regina Barthel-Marr sagt, dass die Hündin dringend auf medizinische Versorgung angewiesen sei. "Wir machen uns große Sorgen, haben die ganze Nacht lang nicht geschlafen", sagt die 60-Jährige. Sie ist überzeugt: "Die haben uns ausspioniert." Nur so könne sie sich erklären, wie die Täter den richtigen Moment so punktgenau abpassen konnten.
Es ist ein grauer Sonntag, eine Mitarbeiterin will den Innenbereich des Zwingers putzen. Regen fällt durch die Bäume auf den Waldboden, einige Gassigänger führen trotzdem Hunde des Tierheims aus. Gegen 17.30 Uhr schleust eine Mitarbeiterin die Hundegeschwister Biggi und James in den Außenbereich des Quarantänezwingers.
Schmuggler bringen Welpen schwerkrank ins Land
Die beiden 15 Wochen alten Hunde Hunde sind in Quarantäne, weil ihnen bei der Ankunft in Deutschland die erforderlichen Impfungen gefehlt haben. Es sind zwei von mehr als 90 Schmuggel-Hunden, die das Veterinäramt des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge in diesem Jahr schon registriert hat. Die meisten von ihnen kommen aus osteuropäischen Massenfabriken, sind nicht oder unzureichend geimpft. Entlang der Autobahn A17 entdeckt die Bundespolizei besonders viele Schmuggel-Welpen. Nie war der Hunde-Hype so groß wie zu Corona-Zeiten. Ein lukratives Geschäft, das für die Hunde häufig tödlich endet.
Die Geschwister der italienischen Rasse Cane Corso kamen am 29. März ins Tierheim. Die Bundespolizei hatte sie am frühen Nachmittag bei einer Kontrolle auf der A17 in Richtung Dresden gefunden. Ein Fahrer aus Bosnien hatte vier Hunde dabei. Zwei erwachsene Hunde, eine Bulldogge und einen Rottweiler, außerdem die zwei Welpen. Alle vier Hunde sollen apathisch und verängstigt gewirkt haben.

Fachfremde könnten die Welpen für Boxermischlinge halten. Kenner sehen: Biggi ist die Besondere der beiden. Im Gegensatz zum Gros ihrer Rasse trägt sie kein einfarbiges Fell mit weißem Fleck, sondern ein gestromertes Muster, schwarz mit sandfarbenen Streifen. Die Schmuggler wollten mit ihr vermutlich viel Geld machen. Etwa 2.000 Euro ist die Hundedame nach Polizeiangaben wert. Einige Anbieter auf Onlineplattformen verlangen für Hunde der Rasse sogar noch mehr.
Biggi und James erfüllen außerdem eine spezielle optische Vorstellung für Rasseliebhaber, die Qualen akzeptieren. Ohren und Schwänze der Hunde sind beschnitten, bei Ankunft im Tierheim waren die Wunden noch verkrustet. Unter Durchfall, Würmern und einer bakteriellen Erkrankung leiden sie bis heute.

Als die Mitarbeiterin am Sonntag das Zuhause der Geschwister geschrubbt und desinfiziert hat, öffnet sie den Durchgang zum Innenbereich. Nur James sitzt noch vor ihr. Biggi ist verschwunden. Eine Viertelstunde ist es her, dass die Mitarbeiterin die Hunde rausgelassen hat. "Sie war völlig fertig, die haben ihr den Hund unterm Arsch weggezogen", sagt Barthel-Marr.
Das Schloss des Zwingers ist geborsten, es wurde mit einem Bolzenschneider zerschnitten. "Wir müssen ausspioniert worden sein, ohne es zu bemerken", sagt Barthel-Marr. "Wie sonst sollen die gewusst haben, dass die Hunde in genau dem Moment 15 Minuten unbeobachtet sind und das so schnell geschafft haben? Das ist ganz schön gruselig." Ob Biggi jetzt wieder bei dem Menschen ist, der sie in krankem Zustand nach Deutschland brachte, ist unklar. "Aber eine Spontan-Entdeckung kann es nicht gewesen sein. Niemand hat spontan, während eines Spaziergangs durch den Wald, einen Bolzenschneider bei sich."
Barhel-Marr geht davon aus, dass es mindestens zwei Täter waren, immerhin wiegt Biggi neun Kilogramm. "So einen Hund nimmst du nicht einfach unter den Arm und kletterst über den Zaun." Barthel-Marr verständigt die Polizei, Tierschutzvereine, Fressnapf, die Tierarztkammer. Von den Gassigängern in der Umgebung des Tierheims hat niemand etwas mitbekommen.
James ist wohl da geblieben, weil die Täter nur einen Hund mitnehmen konnten und Biggi die Besondere der beiden ist, mehr Geld bringt. James sei verstört, seit seine Schwester verschwunden ist. "Der kommt nicht mehr klar. Er war eigentlich der Mutigere von beiden. Jetzt hat er seine Schwester verloren. Er freut sich nicht mehr, starrt nur noch in die Gegend, seine Körperhaltung wirkt ängstlich. Man weiß ja auch nicht, was mit ihm passiert ist."
Die Polizeidirektion Dresden trifft gegen 18.30 Uhr ein, ermittelt nun wegen Diebstahls. "Wichtig wären Hinweise aus der Bevölkerung, das würde sehr helfen", heißt es von Sprecher Rocco Reichel.
Dem Tierheim genügen polizeiliche Ermittlungen nicht. Die finanzielle Lage von Tierheimen ist zu Corona-Zeiten, die massenweise Schmuggelwelpen nach Deutschland schwemmen, zwar noch prekärer als ohnehin schon. Dennoch verspricht das Freitaler Tierheim 3.000 Euro für den Finder oder die Finderin von Biggi. "Sie ist krank. Wir wollen sie unbedingt zurück", sagt Barthel-Marr. Auf Facebook garantiert das Tierheim den Entführern: "Wir schwören - wir werden Euch finden."
Hinweise nimmt Tierschutzvereinschefin Regina Barthel-Marr unter 0152/5384 8689 entgegen. Die zuständige Dresdner Polizeidirektion nimmt Hinweise unter 0351/483 2233 entgegen.