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Tierisch bunte Neustadt-Party

Trotz Regen feiern die Menschen drei Tage lang in der Neustadt. Den neuesten farbigen Trend setzen dabei die Kleinsten.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Kleppisch

Die Ameisen sind los. Sie krabbeln die Fassade an der Louisenstraße hoch. Das Haus ist besetzt. Gleiches Schicksal gilt für das Gebäude an der Ecke zur Martin-Luther-Straße. Auch hier regieren die Tiere. Eine Schlange windet sich die Hauswand hinunter, vom dritten zum ersten Stock. Gefährlich rot leuchten ihre Augen in die Nacht hinein. Unter ihrem Maul lauert ein Krokodil. Über ihr auf dem Balkon tobt ein Affe, wedelt eine Banane in der Luft, winkt den Menschen auf der Straße zu.

Trend-Kopfschmuck: Der Einjährige Erik hat von Papa Martin Kaufmann neongrüne Ohrenschützer bekommen.
Trend-Kopfschmuck: Der Einjährige Erik hat von Papa Martin Kaufmann neongrüne Ohrenschützer bekommen. © Sven Ellger
Samba durch die Nacht: An der Sebnitzer Straße feierten die Menschen zu lateinamerikanischen Rhythmen.
Samba durch die Nacht: An der Sebnitzer Straße feierten die Menschen zu lateinamerikanischen Rhythmen. © Ronald Bonß
Ameisen aus Pappmaschee zierten zur BRN die Neustadt. Nicht die einzige tierische Dekoration auf dem Fest.
Ameisen aus Pappmaschee zierten zur BRN die Neustadt. Nicht die einzige tierische Dekoration auf dem Fest. © Sven Ellger
Ungewöhnliches Outfit: Überall auf den Straßen tanzten bunt verkleidete Menschen.
Ungewöhnliches Outfit: Überall auf den Straßen tanzten bunt verkleidete Menschen. © Sven Ellger
Geld Dank Körpereinsatz: Barmann Smalle tritt in die Pedale, damit der Mixer sich dreht.
Geld Dank Körpereinsatz: Barmann Smalle tritt in die Pedale, damit der Mixer sich dreht. © Sven Ellger

Bunte Republik Neustadt - FREITAG

Willkommen im Dschungel: Am Freitag startete die Bunte Republik Neustadt in Dresden. Tausende feiern noch bis zum Sonntag das äußerst beliebte Stadtteilfest.  Quasi paradiesische Zustände herrschen an diesem Haus an der Ecke Louisenstraße/Martin-Luther-Straße.
Willkommen im Dschungel: Am Freitag startete die Bunte Republik Neustadt in Dresden. Tausende feiern noch bis zum Sonntag das äußerst beliebte Stadtteilfest. Quasi paradiesische Zustände herrschen an diesem Haus an der Ecke Louisenstraße/Martin-Luther-Straße.
Auf der Talstraße war am Freitag noch viel Platz zum Malen.
Auf der Talstraße war am Freitag noch viel Platz zum Malen.
Hier wird es am Samstag viele schöne Kinderüberraschungen zum Spielen geben.
Hier wird es am Samstag viele schöne Kinderüberraschungen zum Spielen geben.
BRN-Girlande auf dem Martin-Luther-Platz.
BRN-Girlande auf dem Martin-Luther-Platz.
Livemusik auf der Kamenzer Straße.
Livemusik auf der Kamenzer Straße.
Die Zuschauer lauschen andächtig.
Die Zuschauer lauschen andächtig.
Auch der Nachwuchs lauscht -natürlich lärmgedämpft - den vielen Konzerten - wie hier am Laika auf der Kamenzer Straße.
Auch der Nachwuchs lauscht -natürlich lärmgedämpft - den vielen Konzerten - wie hier am Laika auf der Kamenzer Straße.
Der Luftballon-Mann ist auch wieder am Start - die Kinder freuts.
Der Luftballon-Mann ist auch wieder am Start - die Kinder freuts.
Das verflixte Wackelrad ist auch wieder dabei.
Das verflixte Wackelrad ist auch wieder dabei.
Dieser Wagemutige scheint die Mechanik durchschaut zu haben.
Dieser Wagemutige scheint die Mechanik durchschaut zu haben.
Strohlager im Lustgarten zwischen Böhmischer und Bautzner Straße.
Strohlager im Lustgarten zwischen Böhmischer und Bautzner Straße.
Wasserspiele auf der Martin-Luther-Straße.
Wasserspiele auf der Martin-Luther-Straße.

Bunte Republik Neustadt - SAMSTAG

Bunte Republik Neustadt - SONNTAG

Die lassen sich von dem Getier nicht stören. Die Neustadt feiert. 100.000 Gäste kamen zum Stadtteilfest Bunte Republik Neustadt. Weniger als im vergangenen Jahr. „Vielleicht lag es am Regen oder auch an der WM“, sagt Magnus Hecht von der Schwafelrunde. Die Gruppe von Aktiven aus der Neustadt organisiert die BRN. Genaue Zahlen zu den Besuchern haben sie nicht. Zufrieden sind sie trotzdem. „Es war schön, es war entspannt, viele haben selbstlos mitgemacht“, sagt Ulla Wacker vom Stadtteilhaus in der Neustadt.

Auch die Polizei zieht eine positive Bilanz. Ausschreitungen wie vor Jahren gehören nicht mehr zur BRN. Einzelne Rangeleien und 50 Anzeigen wegen Sachbeschädigung oder Körperverletzung stehen in der Bilanz. 88 Partygäste mussten medizinisch versorgt werden, vor allem wegen zu viel Alkohol. Bis zu 500 Polizisten waren täglich im Einsatz und kontrollierten vor allem die Eingänge zum Stadtteil. Zum Beispiel, dass die Gäste keine Glasflaschen mit auf die BRN nehmen. „Wir sind zufrieden“, sagt Thomas Wurche aus dem Polizeirevier Nord. Friedlich wurde gefeiert, ausgelassen, entspannt und knallig-bunt

Den neuesten farbigen Trend setzen die Kinder – mit neonfarbenen Ohrenschützern. Überall sind die im Stadtteil zu sehen, in Rosa, Gelb, Blau und Grün. Auch der einjährige Erik trägt sie. „Sonst wäre es viel zu laut“, sagt Papa Martin Kaufmann. Die knallgrünen Schützer sind fast so groß wie Eriks Kopf. Den stört das nicht. Gelassen guckt er von seinem gemütlichen Sitz auf Papas Bauch auf das Treiben .

Auch Smalle beobachtet die Menschen. Der 29-Jährige steht mit seinem Fahrrad an der Ecke zur Talstraße. Er ist einer von 335 Händlern, die sich für die BRN bei der Stadt angemeldet haben. Das sind 60 mehr als im vergangenen Jahr. Smalle hat 50 Euro für seinen Stand bezahlt. Der besteht aus einem aufgebockten Fahrrad mit einem Eiscrasher auf dem Gepäckträger. Angetrieben wird der über die Pedale mit vollem Körpereinsatz.

Regen vertreibt das Partyvolk

Mit seiner Konstruktion Marke Eigenbau mixt Smalle aus gefrosteten Beeren, Saft und Minze einen Smoothie. Das zweite Mal versucht er, bei der BRN damit Geld zu verdienen. „Vor zwei Jahren hatte ich den Prototyp im Einsatz. Der war nach einer halben Stunde kaputt“, sagt er. In diesem Jahr hält der Crasher. Trotzdem hat der Barmann wenig zu tun. Es regnet. Nicht nur einmal stört der Regen an diesem Wochenende das Fest. Immer wieder schützen Händler ihre Waren unter Planen und flüchten Besucher in Hauseingänge. „Hoffentlich hört es bald auf“, sagt Smalle. Noch hat er zu wenig verkauft. „Der Sonntag muss richtig krachen“, sagt er.

Smalle ist einer von wenigen, die auf der BRN ganz individuell Geschäfte machen. Abgesehen von den Flohmarktständen überall in den Straßen gibt es sonst weniger Selbstgemachtes als in den Vorjahren zu kaufen. Kinder mit Bauchläden, Kuchen- und Waffelstände, selbstgebraute Limonade sind rar. „Es kann sein, dass bei steigender Anzahl der Händler weniger Anwohner individuelle Dinge anbieten“, sagt Magnus Hecht. Um wieder mehr Kultur auf die BRN zu bringen, gab es in diesem Jahr erstmals das Begrüßungsgeld. 40 mal 100 Euro standen dafür zur Verfügung. 35 Projekte wurden realisiert, zum Beispiel ein Foto-Kunst-Kasten. „Das hat der BRN mehr Kultur gebracht“, sagt Ulla Wacker. Auch das erstmals gedruckte Programmheft hat sich bewährt und soll eine Neuauflage erleben.

Zufrieden sind die Organisatoren auch mit der Zusammenarbeit zur Stadt. Schnell waren die Straßen am frühen Sonnabend und Sonntagmorgen wieder sauber. In einem Fall zu schnell. Auf der Talstraße wurden versehentlich Betten, Sessel, Teppiche, Möbel, Technik und Dekoration von der Müllpresse abgeholt. „Die Anwohner sind in Schlafanzügen auf die Straße gerannt, um etwas zu retten“, sagt Ulla Wacker. Denn das Inventar für das Fest unter freiem Himmel war nicht für den Müll gedacht.

Spaß gemischt mit Wehmut

Erst am Sonntagabend endet das Fest. In der Louisenstraße und an der Ecke zur Görlitzer Straße wird es noch einmal eng, aber auch in den Seitenstraßen.Vor der Zille hallt Helene Fischers Song „Atemlos“ aus den Boxen. Die Masse grölt mit. Der Schlager ist auf der BRN angekommen. Im Lustgarten an der Bautzener Straße läuft dagegen Rockmusik. Mirko Sennewald steht mit Augenringen und Dreitagebart auf dem Platz. Der 40-Jährige hat keine Zeit zum Feiern. Er organisiert das bunte Treiben hinter dem Rewe-Supermarkt. Am Sonnabend hat er bis 3.30 Uhr früh gearbeitet. Dann bis 17 Uhr geschlafen. Nun muss er sich wieder um das Festgelände kümmern. 30 Bands spielen. Mirko Sennewald zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. „Klar ist das hier unheimlich viel Stress“, sagt er. „Aber es macht Spaß.“ Der ist gemischt mit Wehmut. Zum letzten Mal gibt es den Lustgarten an der Stelle. Ob es im nächsten Jahr zur 26. Auflage der BRN einen neuen Standort gibt, ist noch offen.

Erst einmal heißt es Abschied nehmen. Zu später Stunde schläft der Affe. Der Balkon mit der Schlange bleibt dunkel. Unten wird weitergefeiert. Bis zur nächsten tierischen BRN.