Von Sven Görner
Moritzburg. Das alte Gebäude mit den großen Fenstern und dem vielen Grün am Ziegelmauerwerk erinnert an ein Märchenschloss. Und dann noch die Adresse – Am Eiswurmlager. Hinter der sanierten Fassade ist dennoch keine Prinzessin zu finden. Das kleine Mädchen mit den langen blonden Haaren, das die Besucher neugierig mustert, ist Jannika, die jüngste Tochter von Tischlermeister Till Eppler.


Der große hohe Raum, in dem es intensiv nach den überall stehenden und liegenden Brettern und Balken duftet, ist die Werkstatt des Meisters. In diesem Reich werden aus Kundenwünschen normalerweise maßgefertigte Massivholzmöbel.
Doch das Gebilde, das sich in der Ecke gleich neben dem Eingang in Richtung Decke streckt, sieht weder wie ein Möbelstück fürs heimische Wohnzimmer noch wie eine Ladeneinrichtung aus. Der 44-Jährige arbeitet derzeit an einem ganz anderen Traum. Er baut für die neue Winterausstellung zum tschechisch-deutschen Kultfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ an seiner Variante der kleinen Hütte, auf deren Dachboden in dem Märchenstreifen die Eule Rosalie über Aschenbrödels Schmuckschatulle und über die drei geheimnisvollen Haselnüsse wacht.
Besonderer Fußboden, Fototapeten und Bäume
Noch braucht es reichlich Fantasie, um sich vorzustellen, wie die fertige Konstruktion aussehen wird. Doch ab Anfang November wird Till Epplers Arbeit auf Schloss Moritzburg zu sehen sein. Dann beginnt dort die neue Aschenbrödel-Schau, die in den nächsten Jahren dauerhaft im Winter zu sehen sein soll. Die Moritzburger Ausstellungen rund um den Kultfilm sind inzwischen fast schon so beliebt und erfolgreich wie der Film selbst. Immerhin lockten die bisherigen vier Schauen rund 600 000 Besucher an. Ein Rekordergebnis.
Das Konzept der Ausstellungsmacher sieht vor, dass sich der Raum mit Rosalies Hütte deutlich von den anderen Ausstellungsräumen unterscheiden soll. Ein besonderer Fußbodenbelag, Fototapeten und Bäume, die ebenfalls getischlert werden, sollen ein realitätsnahes Erleben ermöglichen.
Als der Tischlermeister vor ein paar Wochen gefragt wurde, ob er die Rosalie-Hütte bauen könnte, sei er sofort Feuer und Flamme gewesen. „Mir gefällt der Film sehr. Und natürlich auch meinen drei Töchtern“, sagt Till Eppler. Also setzte er sich noch am selben Tag hin und begann erste Entwürfe zu zeichnen. „Es gab nur grobe Vorstellungen zur Gestaltung. Eine Kopie der Hütte aus dem Film sollte es nicht werden. Sondern etwas Einzigartiges.“ Fest vorgegeben war der Grundriss. Denn die neue Rosalie-Hütte muss nicht nur in den Ausstellungsraum passen, sondern auch einen historischen Kachelofen verdecken.
Was beim Blick auf die colorierte Zeichnung des Meisters auffällt: Das Gebäude hat weder Fenster noch Tür. „Die Rosalie-Hütte“, so verrät Till Eppler, „ist eine Kinderstation.“ Was auf der Zeichnung wie ein Strohhaufen aussieht, wird im Original eine Schräge sein, auf der die Kinder unter die Dielenbretter des Dachbodens gelangen. Durch dort ausgesägte Löcher können sie schließlich ihre Köpfe in die kleine Kammer stecken. Was genau sie alles zu sehen bekommen, wird jetzt noch nicht verraten. Nur so viel: Die den Fans in den bisherigen Ausstellungen ans Herz gewachsene originalgetreue Eule Rosalie ist auch diesmal wieder mit dabei. Und natürlich können auch die erwachsenen Fans durch die Lücken zwischen den Brettern in den Dachboden lunschen.
Sattel ist nicht nur Dekoration
Wie viel Arbeit in der neuen Hütte steckt, werden aber vermutlich nur die Fachleute erkennen. Weil es zu aufwendig gewesen wäre, auf die Suche nach schönen alten Eichenholzbalken mit den passenden Maßen zu gehen, hat Till Eppler neue Eichenholzbretter aus dem Erzgebirge verleimt. Damit die so entstandenen Balken am Ende aber markant wie die bereits verbauten aussehen, sind weitere Arbeitsgänge nötig. Mit Zieheisen, Stahlbürste und Bandsäge arbeitet der Meister Kerben ein und bringt Astlöcher und die Holzmaserung zur Geltung.
„Vieles entsteht noch beim Bauen“, sagt Till Eppler. „Wenn ich ein schönes Brett finde, schaue ich, wo ich es noch einarbeiten kann.“ Nicht umsonst hat er sein Tischleratelier „Sinnesmagnet“ genannt.
Zur Hütte wird auch ein kleines Nebengelass gehören. Dort soll der Sattel von Aschenbrödels Schimmel Nikolaus hängen. Aber nicht nur zur Dekoration, sondern auch zum Draufsetzen. Offenbar eine simple wie tolle Idee der Ausstellungsmacher. Denn für Till Epplers Tochter Jannika ist der Sattel in der Märchenschloss-Werkstatt ihres Papas inzwischen ein Lieblingsplatz geworden.