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Trinken für Dresden

Alexander Weiß und Andre Weigold sind Bier-Liebhaber. Das kommt auch der Stadt zugute.

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© Sven Ellger

Von Sarah Grundmann

Alles fing mit einer Flasche Bier an. Als Alexander Weiß durch einen Getränkemarkt schlenderte, fiel ihm eine besondere Sorte auf – das Quartiermeister. Not-for-profit, sozial, unabhängig, regional, transparent und partizipativ stand auf dem Etikett. Das alles soll ein Bier können? Zu Hause wurde prompt gegoogelt.

Sozial: Mit dem Hopfen Gutes tun

Ein Berliner Verein steckte hinter dem Gebräu, einen Ableger gab es in Leipzig. Von jedem verkauften Bier wird ein Viertel des Gewinns in ein soziales Projekt in der jeweiligen Stadt gesteckt – 10 Cent pro Liter. Was kann ich mit meinem Dresdner Bier Gutes tun?, fragte der 27-Jährige sich. Zumindest nichts hier. Denn bis dato gab es in der Landeshauptstadt noch niemanden, der sich um die Koordination gekümmert hat – bis Weiß auf das außergewöhnliche Bier stieß. Er schrieb eine E-Mail an die Berliner und bot an, sich in Dresden um die Auswahl der Projekte zu kümmern. Dabei blieb er nicht lange allein.

Sein Kompagnon Andre Weigold ist aber nicht durch einen Schluck kühles Pils zu dem Projekt gekommen. Stattdessen war es die Hochschule, die ihn zum Quartiermeister machte. Der 28-Jährige studiert Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Dresden. „Bei einer Marketingvorlesung wurde unter anderem das Projekt Quartiermeister vorgestellt“, erinnert sich Weigold. Bei dem Wort „Bier“ wurde der passionierte Hopfen-Genießer schnell aufmerksam, befragte ebenfalls umgehend das Internet und kontaktierte den Neustädter Quartiermeister. „Ein schöner Nebeneffekt: Alex und ich sind mit der Zeit wirklich gute Freunde geworden“, sagt der Wahl-Neustädter und schmunzelt.

Transparent: Zahlen sind öffentlich

Doch das ist nicht der einzige Effekt, den die beiden mit ihrer Arbeit erzielt haben. In einem Jahr konnten sie bereits 2 500 Euro in sieben soziale Projekte in der Stadt stecken, im zweiten Halbjahr 2016 kommen wohl noch einmal etwa 1 600 dazu. Die Spenden gingen unter anderem an den Verein Elixir, der ein interkulturelles Wohnprojekt für Flüchtlinge, Migranten und Dresdner auf die Beine stellen will, an Seitentriebe, die sich für nachhaltiges Gärtnern in Dresden einsetzen, und an die Initiative Ich verschenke meinen Schlafsack an Obdachlose. Gewinne, Löhne und Spenden werden online veröffentlicht.

Partizipativ: Demokratie pur

Die Auswahl der Projekte überlassen die Neustädter nicht dem Zufall. Bei regelmäßigen Treffen des Quartiermeister-Förderbeirats stellen sich die Projekte vor, die sich beworben haben. Der Beirat entscheidet dann, welche davon auf der Online-Abstimmliste landen. Dort kann jeder Dresdner sein Votum abgeben. Nur wer genug Stimmen bekommt, wird auch gefördert.

Regional: Alles kommt aus Sachsen

Mittlerweile hat sich das Getränk in Dresden durchgesetzt. „Angefangen haben wir mit fünf, sechs Locations in der Neustadt, die Quartiermeister verkauft haben“, sagt Weigold. „Damals haben wir uns noch jedes Mal gefreut, wenn wir auf der Straße jemanden getroffen haben, der unser Bier in der Hand hatte.“ Inzwischen sind es um die 90 Restaurants, Supermärkte und Spätshops in der gesamten Stadt. „Wir haben da scheinbar eine Nische gefunden, die gut funktioniert“, sagt Weiß. „Denn immer mehr Leute legen Wert auf bewusste Ernährung – auch bei den Getränken.“ Deswegen haben die beiden mit dem Bio-Pils den Nerv der Zeit getroffen. Daneben gibt es aber auch ein Standard-Bier. Eines haben beide Sorten gemeinsam: Sie werden in einer sächsischen Brauerei in Wittichenau gebraut – nach dem Rezept der Quartiermeister. Die Zutaten kommen aus einem Umkreis von maximal 250 Kilometern.

Not-for-profit: Von Städtern für Städter

„Wir wirtschaften nicht, um uns, sondern um unsere Nachbarschaft zu bereichern“, heißt es in den Leitlinien der Quartiermeister. Weiß arbeitet ehrenamtlich. Weigold hat mit einem Praktikum begonnen und jobbt mittlerweile auf 450-Euro-Basis. „Diejenigen, die am Bier beteiligt sind, werden alle fair bezahlt: vom Brauer bis zum Lieferanten“, sagt Weigold. Der Rest wandert in Projekte in der Nachbarschaft.

Unabhängig: Geldgeber gibt es nicht

„Das Tolle an dem Projekt ist, dass wir unsere eigenen Ideen entwickeln können“, sagt Weigold. „Wir sind nicht abhängig von der Zustimmung anderer oder von einem Geldgeber. Wir erwirtschaften alles selber.“ So verkaufen die Neustädter ihr Bier auch auf Veranstaltungen und finden dort neue Ideen, wie sie das Quartiermeister bewerben können. Im Wintersemester wird es an der HTW sogar ein Modul zur Marketing-Strategie des Bier-Vereins geben. Und alles fing mit einer Flasche Bier an.

Mehr unter www.quartiermeister.org