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Wahlen in den USA: Alle wichtigen Fakten

Wer wird der nächste US-Präsident? Der Kandidat mit den meisten Stimmen könnte trotzdem verlieren - und das Warten auf das Ergebnis eine Hängepartie werden.

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Wer wird US-Präsident? Bei der Wahl am 3. November 2020 treten der aktuelle Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden (rechts) gegeneinander an.
Wer wird US-Präsident? Bei der Wahl am 3. November 2020 treten der aktuelle Präsident Donald Trump und sein Herausforderer Joe Biden (rechts) gegeneinander an. © Evan Vucci/Patrick Semansky/AP/dpa

Von Jürgen Bätz

Washington. Millionen Amerikaner werden am 3. November entscheiden, wer als mächtigster Politiker der westlichen Welt ins Weiße Haus einzieht. Präsident Donald Trump (74) bewirbt sich um eine zweite Amtszeit, sein Herausforderer ist der ehemalige Vizepräsident Joe Biden (77). Der Republikaner Trump will weiter mit Vizepräsident Mike Pence (61) regieren, der Demokrat Biden im Falle eines Wahlsiegs mit Senatorin Kamala Harris (56). Sie wäre die erste Frau und erste Schwarze im Amt des Vizepräsidenten. Abgestimmt wird zudem über die Abgeordneten des Repräsentantenhauses und rund ein Drittel der Sitze des Senats. Hier die wichtigsten Informationen im Überblick.

Wie funktioniert das Wahlsystem?

Die US-Wähler können nur indirekt darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird. Ihre Stimme entscheidet über die Zusammensetzung des Wahlkollegiums ("Electoral College"), das dann den Präsidenten wählt. In 48 der 50 Bundesstaaten funktioniert das so: Der Kandidat, der sich eine Mehrheit sichern kann, bekommt alle Stimmen zugesprochen.

Ein Beispiel: Falls Trump Florida mit 50,1 Prozent der Stimmen gewinnen sollte, bekäme er die Stimmen aller 29 Wahlleute des Bundesstaats, Biden ginge komplett leer aus. Amerikaner sprechendaher vom Prinzip "winner takes all" (alles für den Gewinner). Einzig in den beiden kleinen Bundesstaaten Nebraska und Maine werden die
Stimmen der Wahlleute annähernd proportional vergeben.

Was hat es mit den Wahlleuten auf sich?

Die Anzahl der Wahlleute eines Bundesstaats entspricht der von dort entsandten Zahl der US-Senatoren und Kongressabgeordneten und richtet sich damit in etwa nach der Einwohnerzahl. Die Wahlleute stimmen 41 Tage nach der Präsidentenwahl ab, dieses Jahr am 14. Dezember. Sie richten sich dabei nach dem Ergebnis in ihrem Bundesstaat - in vielen Staaten würde den Wahlmännern und Wahlfrauen sonst eine Strafe drohen. Um Präsident zu werden, muss ein Kandidat mindestens die Stimmen von 270 Wahlleuten gewinnen. Das offizielle Ergebnis wird dann erst am 6. Januar im Kongress bekanntgegeben.

Wegen des indirekten Wahlsystems ist es möglich, dass ein Kandidat die meisten Direktstimmen bekommt, die Wahl aber trotzdem verliert. Das war zum Beispiel 2016 der Fall. Damals stimmten mehr Amerikaner für Hillary Clinton, Donald Trump konnte sich aber durch die von ihm gewonnenen Bundesstaaten die Mehrheit der Wahlleute sichern.

Hillary Clinton ist bei den vergangenen US-Wahlen als Herausforderin gegen Trump angetreten.
Hillary Clinton ist bei den vergangenen US-Wahlen als Herausforderin gegen Trump angetreten. © Christoph Soeder/dpa

Wieso wird an einem Dienstag gewählt?

Seit 1845 ist der Wahltag gesetzlich als der Dienstag nach dem ersten Montag im November festgelegt. Der Wahltag ist ein normaler Arbeitstag. Dass er auf einen Dienstag im November fällt, hat historische Gründe. Im 19. Jahrhundert lebten die meisten Amerikaner noch von der Landwirtschaft. Im Frühjahr und Sommer waren viele Bauern damit beschäftigt, ihre Felder zu bestellen. Im November hingegen war die Erntezeit in den meisten Gebieten vorüber, das Klima dennoch mild genug, um mit Pferdegespann oder zu Fuß Reisen zum nächstgelegenen Wahllokal anzutreten. Der Sonntag kam weder für die Anreise noch für die Wahl in Frage, denn da ging man in die Kirche.

Wann wird abgestimmt?

Die USA erstrecken sich über mehrere Zeitzonen. Die ersten Wahllokale im nordöstlichen Bundesstaat Vermont öffnen ab 5.00 Uhr (11.00 Uhr MEZ). Ab 6.00 Uhr folgen viele Staaten an der Ostküste, danach das Zentrum des Landes. Im Westküstenstaat Kalifornien öffnen die Wahllokale um 7.00 Uhr (16.00 Uhr MEZ).

Hawaii und Alaska sind die Schlusslichter in der langen Reihe der Staaten. Die Inselbewohner können ihre Stimme bis 6.00 Uhr MEZ am Mittwochmorgen abgeben. Auch in weiten Teilen Alaskas sind die Wahllokale bis 6.00 Uhr MEZ geöffnet, auf den Aleuten noch eine Stunde länger, bis 7.00 Uhr MEZ. Mit Schließung der Wahllokale im nördlichsten Bundesstaat ist die US-Wahl beendet.

Briefwähler konnten schon Wochen vor der Wahl abstimmen. Zudem bieten die meisten Bundesstaaten vorab bereits die Möglichkeit einer Abstimmung in Wahllokalen an. 2016 waren auf diesen beiden Wegen rund 40 Prozent der Stimmen schon vor dem Wahltag abgegeben worden. Dieses Jahr scheinen es noch mehr zu werden: Eine Woche vor der Wahl hatten Forschern zufolge bereits rund 60 Millionen Amerikaner abgestimmt.

USA, Clearwater: Menschen warten in einer Schlange, um ihre Stimme für die US-Präsidentenwahl abzugeben. Vor den Wahllokalen bilden sich häufig lange Schlangen.
USA, Clearwater: Menschen warten in einer Schlange, um ihre Stimme für die US-Präsidentenwahl abzugeben. Vor den Wahllokalen bilden sich häufig lange Schlangen. © Tampa Bay Times/AP

Wer darf wählen?

Wahlberechtigt ist zunächst jeder der rund 330 Millionen US-Bürger, der mindestens 18 Jahre alt ist. Ausgeschlossen sind Bewohner von US-Außengebieten wie Puerto Rico. In den meisten Bundesstaaten dürfen zudem Häftlinge und Menschen, die wegen einer schweren Straftat verurteilt wurden, nicht wählen. Einer Bürgerrechtsgruppe zufolge betrifft das rund 5,2 Millionen Menschen. Alle anderen müssen sich vor der Abstimmung beim zuständigen Wahlamt registrieren lassen.

Wieso ist die Wahlbeteiligung eher gering?

Bei der Präsidentenwahl 2016 stimmten der Wahlkommission (FEC) zufolge rund 137 Millionen Amerikaner ab. Gemessen an der Bevölkerung im wahlfähigen Alter entsprach das einer Wahlbeteiligung von knapp 56 Prozent. In diesem Jahr ist die Wahlbeteiligung wegen der Pandemie schwer einzuschätzen. Für die traditionell eher geringe Wahlbeteiligung in den USA werden hohe Registrierungshürden in vielen Bundesstaaten verantwortlich gemacht, aber auch die Frustration von Wählern. Ein weiterer Grund: In einigen Bundesstaaten wie etwa Kalifornien gewinnt traditionell immer dieselbe Partei.

Auf welche Bundesstaaten kommt es besonders an?

Florida gilt als der Jackpot: Mit 29 Wahlleuten ist es einer der wichtigsten umkämpften Staaten. Dahinter folgen die traditionellen "Battleground States" oder "Swing States", also jene Bundesstaaten, die mal für einen Republikaner und mal für einen Demokraten stimmen. Dazu gehören Pennsylvania (20 Stimmen) und Ohio (18), genauso wie Michigan, Wisconsin und Minnesota (zusammen 36 Stimmen). Aktuelle Umfragen deuten auch in Georgia (16), North Carolina (15) und Arizona (11) auf ein offenes Rennen hin. Ein wahres Erdbeben wäre es, falls es Biden gelingen würde, Texas zu gewinnen. Der große Staat mit 36 Stimmen geht seit Jahrzehnten an die Republikaner - manche Umfragen räumen ihm dort aber zumindest geringe Chancen ein.

Viele andere Staaten sind kaum umkämpft. Für die Demokraten etwa sind die Staaten an der Westküste und jene im Nordosten eine sichere Bank. Die Republikaner schneiden dafür in der Regel im Zentrum des Landes, im Mittleren Westen und im Süden besonders gut ab.

Wieso ist die Präsidentenwahl so wichtig?

Der Machtfülle des US-Präsidenten kann wohl kein Amt in der westlichen Welt das Wasser reichen. Der Präsident ist Staats- und Regierungschef sowie Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Er hat in der Außenpolitik weitestgehend freie Hand. Auch in vielen anderen Politikbereichen - von Militäreinsätzen bis hin zur Verhängung von Strafzöllen und der Regulierung von Einwanderung und Umweltschutz - kann der Präsident sehr viel entscheiden. Zudem kann er über Verfügungen, sogenannte "executive orders", zumindest zeitweise auch in Politikbereiche eingreifen, die sonst der gesetzgeberischen Funktion des Parlaments vorbehalten sind. Für Maßnahmen, die Geld kosten oder Gesetze verändern sollen, braucht er aber den Kongress.

Wann ist mit dem Wahlergebnis zu rechnen?

Bei den vergangenen Präsidentenwahlen stand der Sieger meist noch in der Wahlnacht fest. Experten gehen aber davon aus, dass in diesem Jahr wegen der Pandemie wesentlich mehr Menschen per Briefwahl abstimmen werden. Daher könnte sich die Auszählung der Stimmen deutlich verzögern - um einige Tage oder sogar noch länger.

Das US-Wahlrecht wird vor allem von den Bundesstaaten bestimmt. Mancherorts dürfen sogar noch am Wahltag abgesendete Stimmzettel gezählt werden, zudem ist die Auszählung von Briefwahlstimmen komplexer, etwa wegen eines nötigen Abgleichs der Unterschriften der Wähler. Wenige Tausend Stimmen könnten über den Wahlausgang in einem Staat entscheiden. Die Verantwortlichen in mehreren Bundesstaaten, darunter die Swing States Pennsylvania, Michigan und Wisconsin, haben gewarnt, die Auszählung könnte bis Freitag 6. November dauern.

Zudem wollen Umfragen zufolge mehr Demokraten als Republikaner die Briefwahl nutzen. Daher könnten die ersten Auszählungsergebnisse aus den Wahllokalen mancherorts Trump in Führung sehen, die Auszählung der Briefwahlunterlagen letztlich aber Biden zum Sieg verhelfen. In einzelnen Bundesstaaten könnte es zudem auch Klagen und Forderungen nach einer Neuauszählung geben. Im Jahr 2000 etwa stand das Ergebnis im Bundesstaat Florida, das letztlich auch über die Präsidentenwahl entschied, erst gut einen Monat nach der Wahl fest. Der Rechtsstreit ging bis vor das Oberste Gericht in Washington.

Wer gibt die Wahlergebnisse bekannt?

Es gibt in den USA keine Wahlbehörde, die zeitnah die Ergebnisse fürs ganze Land bekanntgeben würde. Resultate werden nach und nach vor Ort - also in Wahllokalen, Bezirken und Bundesstaaten - bekanntgegeben. Eine wichtige Rolle kommt daher großen US-Medien zu, die örtliche Ergebnisse zusammentragen und diese teils mit anderen Daten kombinieren, um zu prognostizieren, wer eine Wahl gewonnen hat. Als sehr verlässlich gelten die von der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) ermittelten Ergebnisse.