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Der tschechische Ägypter kehrt zurück

Josef Zoser hat als Bürgermeister von Jiřetín pod Jedlovou schon viel erreicht. Seine Mission sieht er aber noch nicht beendet. Nach sieben Jahren Pause stellte er sich noch mal zur Wahl.

Von Steffen Neumann
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Josef Zoser und die Brücke am Schöberpass. 16 Jahre musste er um sie kämpfen. Nun trägt sie sogar seinen Namen, aber tschechisch geschrieben: Cozrovka heißt so viel wie Zoser-Brücke.
Josef Zoser und die Brücke am Schöberpass. 16 Jahre musste er um sie kämpfen. Nun trägt sie sogar seinen Namen, aber tschechisch geschrieben: Cozrovka heißt so viel wie Zoser-Brücke. © privat

Josef Zoser kommt über den zentralen Platz von Jiřetín pod Jedlovou. Passanten grüßen ihn, ein Autofahrer winkt. Zoser ist in der Gemeinde in der böhmischen Lausitz eine Institution. 25 Jahre war er Bürgermeister. Dann zog er sich mit 66 Jahren mitten in der auf vier Jahre angelegten Amtszeit zurück. Das war 2015. Doch ab dieser Woche heißt der Bürgermeister von Jiřetín wieder Josef Zoser. Und das ist nicht sein gleichnamiger Sohn, sondern er selbst, inzwischen 73 Jahre und damit der älteste Bürgermeister Nordböhmens.

„Ich wollte es noch einmal wissen“, sagt er, dessen Haare inzwischen etwas weißer sind als noch vor sieben Jahren. Nach seinem Rückzug hatte er sich nie zur Ruhe gesetzt, engagierte sich ehrenamtlich. Er richtete ein historisches Umgebindehaus her und machte es zur Galerie, wo regelmäßig Kulturveranstaltungen stattfinden. Trotzdem hatte er keine Minute daran gedacht, noch einmal ins Rathaus zurückzukehren.

Name einer Pyramide

Doch er kann nicht loslassen. „Die Entwicklung der Gemeinde ist zum Stillstand gekommen. Das konnte ich nicht mit ansehen“, begründet er seinen Entschluss, noch einmal anzutreten. Wie sich bei den Kommunalwahlen Ende September zeigte, war die Entscheidung richtig.

Seine Liste holte mit Abstand die meisten Stimmen und besetzt im Gemeinderat vier der sieben Plätze. Die Wahl des Bürgermeisters war also nur noch reine Formsache.

Josef Zosers Popularität reicht weit über die kleine Gemeinde am Fuße des Jedlová (Tannenberg) hinaus. Ein echter Patriot, geboren und aufgewachsen am Hauptplatz von Jiřetín. Seine Familie gehört zu den wenigen, die schon vor 1945 hier lebten, als die deutsche Bevölkerung noch nicht vertrieben war und der Ort Sankt Georgenthal hieß. „Mein Großvater kam 1926 aus der Nähe von Pardubice auf der Suche nach Arbeit“, erzählt Zoser. Der Name lässt deutsche Vorfahren vermuten, tschechisch klingt er jedenfalls nicht. Doch Zoser überrascht mit seiner eigenen Theorie. „Der Name kommt aus Ägypten“, hat er herausgefunden. So heißt nämlich eine Pyramide. Und entsprechend gibt es Reiseveranstalter, Hotels und weitere Firmen, die sich so nennen.

Wie der Name aber aus Ägypten nach Tschechien gekommen sein soll, kann er nicht sagen. Josef Zoser hat zumindest dafür gesorgt, dass er vielen ein Begriff ist.Früher spielte er Fußball für Varnsdorf (Warnsdorf), in der besten Zeit sogar dritte Liga. Das Hobby begleitete ihn ein Leben lang. Als er zwischen 2002 und 2008 Senator für den Wahlkreis Děčín (Tetschen) war, spielte er in der Senatoren-Fußballauswahl. Bis heute begleitet er die Bürgermeisterauswahl. Aber kicken kann er schon eine Weile nicht mehr – die Knie.


Als es Zoser 2002 in den Senat schaffte, war das eine kleine Sensation. Denn er gehört keiner der großen Parteien an, sondern nur dem kleinen Zweckbündnis Bewegung Unabhängiger für eine harmonische Entwicklung der Gemeinden und Städte. Das beschreibt seine politische Einstellung wiederum sehr gut. Denn er sieht sich als unabhängiger und leidenschaftlicher Kommunalpolitiker, der sich nicht scheut, sich an anderen ein Beispiel zu nehmen. „Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen. Überall, wo ich bin, schaue ich, wie das die anderen machen“, sagt er.

Der Kreuzweg in Jiretín pod Jedlovou gehört zu den schönsten in Tschechien.
Der Kreuzweg in Jiretín pod Jedlovou gehört zu den schönsten in Tschechien. © Steffen Neumann

So kam ihm auch die Idee zu dem Bauwerk, das ihn vollends bekannt machte: die Fußgängerbrücke am Schöberpass (Šébr), die Wanderer, Radfahrer und Skifahrer seit letztem Jahr davor bewahrt, die stark befahrene Nationalstraße 9 queren zu müssen. Zum Gemeindegebiet von Jiřetín gehört nicht nur einer der beeindruckendsten Kreuzwege, sondern auch die Burgruine Tolštejn und der Berg Jedlová mit seinem Aussichtsturm. Deshalb ist Zoser sehr am Tourismus gelegen.16 Jahre hatte er um die Brücke gekämpft. Die Einweihung erlebte er, als er längst kein Bürgermeister mehr war. Ihm zu Ehren nennen sie alle nur „Cozrovka“, was so viel wie Zoser-Brücke heißt.

Für mehr Zusammenhalt

Auf den Tourismus möchte Zoser auch in den kommenden vier Jahren setzen. Die kleine Gemeinde hat viel zu bieten. Neben dem Kreuzweg gehört auch ein Schaubergwerk dazu. Es gibt auch ein kleines Bergbaumuseum, das zurzeit geschlossen ist und er wiedereröffnen möchte. Das Gleiche plant er mit dem Freibad, obwohl das angesichts der Energiepreise nicht einfach wird. Überhaupt hat sich Zoser nicht den besten Zeitpunkt für eine Rückkehr ins Amt ausgesucht. Seine Frau ist deshalb nicht begeistert. „Inflation und Krieg sind keine guten Voraussetzungen. Und für die Familie wird er auch nicht mehr so viel Zeit haben“, befürchtet sie.

  • Auch in den größeren Städten stehen die neuen Bürgermeister fest. In Decín kann Oberbürgermeister Jirí Andel (Partei ANO) weiterregieren. Allerdings fand er in der rechtspopulistischen Partei SPD einen neuen Partner. Stellvertreter von Andel wird der frühere Sozialdemokrat Jaroslav Foldyna.
  • Auch in Ústí nad Labem ist so ein Bündnis möglich. Der alte OB Petr Nedvedický bleibt mit großer Wahrscheinlichkeit auch der neue. Die Partnersuche ist noch nicht beendet.
  • Dagegen steht der neue Bürgermeister in Dubí fest. Nach 16 Jahren Petr Pípal kam es zu einem Wechsel. Das Zepter übernimmt nun der 28-jährige Jirí Kašpar.p In Varnsdorf und Rumburk wurden die neuen Bürgermeister erst nach Redaktionsschluss gewählt. (stn)

Zoser ist sich bewusst, dass er womöglich mit weniger Geld auskommen muss. Aber das spornt ihn eher an. Denn für sein wichtigstes Ziel braucht er nicht zuerst Geld: „Ich möchte den Zusammenhalt im Dorf stärken, dass sich wieder mehr Menschen einbringen“, und einen persönlichen Wunsch hat er auch: „Ich möchte, dass etwas von mir bleibt.“ Das ist eine Motivation, die noch für mindestens vier Jahre reicht.