Dippoldiswalde
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Eine Zeitschrift für das Erzgebirge mit Tradition

Einige Enthusiasten führen in Litvínov die Erzgebirgs-Zeitung fort. Seit vier Jahren gibt es sie auch auf Deutsch.

Von Steffen Neumann
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Einen ganzen Stapel historischer Erzgebirgs-Zeitungen fand Vojtech Šafránek im Turm der Elisabethkirche von Teplice-Šanov (Teplitz-Schönau). Er hilft als Redakteur mit, die Tradition fortzusetzen.
Einen ganzen Stapel historischer Erzgebirgs-Zeitungen fand Vojtech Šafránek im Turm der Elisabethkirche von Teplice-Šanov (Teplitz-Schönau). Er hilft als Redakteur mit, die Tradition fortzusetzen. © Steffen Neumann

Mancher macht Neujahr einen Spaziergang. Nicht so Vojtěch Šafránek. Der Abiturschüler am Gymnasium Teplice (Teplitz) hatte für diesen Tag ein volles Programm vorgesehen. „Mit einem Freund haben wir einen Ausflug mit der Erzgebirgsbahn nach Moldava (Moldau) gemacht“, erzählt er. Das war aber noch nicht alles.

Am Ende des Tages nach Teplice zurückgekehrt, machten sie noch einen Abstecher in die ziegelrote Elisabethkirche im Kurviertel Šanov (Schönau) – und einen unerwarteten Fund. „Ich wollte eigentlich nur schauen, wo das Wasser herkam, das sich da über die Wendeltreppe zum Kirchturm ergoss“, sagt der groß gewachsene junge Mann. Dazu muss man erstens wissen, dass Šafránek seit vier Jahren so etwas wie der Kirchendiener von Sankt Elisabeth ist, wohl der jüngste ganz Tschechiens, wie er anmerkt. Und zweitens hat die Kirche schon seit Langem mit eindringendem Regenwasser zu kämpfen. Das Wasser findet dann oft unerklärliche Wege, wie bei der Turmtreppe.

Auf der Suche nach der undichten Stelle erklomm er den Glockenturm und stieg von dort über eine Leiter in ein Zwischengeschoss ab, wohin sich sonst nie jemand verirrt. Zwischen allerlei Dreck, Brettern und Müll erfasst der Lichtschein der Taschenlampe einen Zipfel Zeitung. „Wie ich mir das näher ansehe, erkenne ich ein historisches Exemplar der Erzgebirgs-Zeitung. Und wie ich weiter wühle und Bretter beiseiteschiebe, ziehe ich noch immer mehr Zeitungen hervor.“ Am Ende hält Šafránek überrascht einen ganzen Stapel alter Ausgaben aus den Jahren 1896 bis 1936 in den Händen. Eine glückliche Fügung, denn der Schüler weiß nicht nur, dass es früher einmal eine Erzgebirgs-Zeitung gab.

Er ist seit zwei Jahren auch stolzes Mitglied der wiederbelebten neuen Erzgebirgs-Zeitung, die seit 2015 in einer Auflage von mehreren Tausend Stück erscheint. Seit 2018 gibt es sie dank Heinz Lohse vom Heimatgeschichtsverein Rechenberg-Bienenmühle auch auf Deutsch. Folgerichtig wanderten die historischen Ausgaben direkt in die Redaktion der neuzeitlichen „Erzgebirgs-Zeitung“ im Waldstein-Schloss in Litvínov (Oberleutensdorf). „Die meiste Zeit hatte die Redaktion ihren Sitz in Teplice“, weiß Petr Fišer, der wie Šafránek zum Redaktionsrat gehört. Das ist so etwas wie der innere Zirkel der Redaktion. Einen Chefredakteur gibt es, anders als früher, nicht, aber Petr Fišer ist von Beginn an dabei und hält die Fäden zusammen.

1943 war erst mal Schluss

„Die historische Erzgebirgs-Zeitung erschien von 1880 bis 1943 und war das Presseorgan der Tourismusvereine des böhmischen Teils des Erzgebirges und des Böhmischen Mittelgebirges“, sagt Fišer. Nach und nach gründeten sich Erzgebirgsvereine, für deren Mitglieder die Erzgebirgs-Zeitung zur Vereinszeitschrift wurde. Zu ihren Chefredakteuren gehörte unter anderem auch der Heimatforscher Josef Brechensbauer, der zu den Begründern des beliebten Kammwegs von Asch ins Riesengebirge zählt. Brechensbauer brachte die Zeitung durch die schweren Zeiten des Ersten Weltkriegs.

Doch noch einen Weltkrieg überlebte sie nicht. 1943 war Schluss. Durch die Vertreibung der Deutschen nach dem Krieg fehlte die nötige Kontinuität, um den Faden wieder aufzunehmen. Umso größer das Wunder, dass es heute wieder eine Erzgebirgs-Zeitung gibt. Sie erscheint zwar nur ein- bis maximal zweimal im Jahr. Aber dafür auf gutem Papier, mit hochwertigen Fotos und, wie in der letzten Ausgabe von 2021, mit immerhin 60 Seiten.

Ein- bis zweimal im Jahr erscheint die neue Erzgebirgs-Zeitung – und das auf Tschechisch und Deutsch.
Ein- bis zweimal im Jahr erscheint die neue Erzgebirgs-Zeitung – und das auf Tschechisch und Deutsch. © Steffen Neumann

„Für uns ist die Kontinuität wichtig, dass wir uns auf die Tradition der Erzgebirgszeitung berufen können“, sagt Petr Fišer. Kontinuität und Tradition sind in Nordböhmen Fremdworte. Die Geschichte beginnt für die meisten hier erst mit dem Jahr 1945, als sich nach den vertriebenen Deutschen vor allem Neusiedler aus dem tschechischen Kernland, aber auch Roma aus der Slowakei, Exiltschechen aus dem ukrainischen Wolhynien ansiedelten. Ein paar wenige Zehntausend Deutsche durften bzw. mussten bleiben.

Ab den 1960er-Jahren dann der nächste Bruch, als eine Vielzahl an Dörfern bis hin zu ganzen Städten den Braunkohletagebauen weichen mussten. Andere versanken in den Fluten neu errichteter Stauseen. Fragt man Fišer nach den Inhalten der Zeitung, die heute eher eine Zeitschrift ist, nennt er ähnliche Stichworte, die bereits die historische Erzgebirgs-Zeitung leiteten: die Förderung von Volkskunde, Heimatforschung, Wanderpflege und Fremdenverkehr. Entsprechend kreisen die Themen um Zeugen des Bergbaus im UNESCO-Weltkulturerbe Montanregion Erzgebirge, die Rekultivierung der Braunkohlelandschaft, um alte Straßenbahnen in Most (Brüx), Flora und Fauna, viel Geschichte und immer wieder die Eisenbahn, von der es trotz Tagebauen immer noch einige schöne Strecken gibt.

„Es hat keinen Sinn, darüber zu klagen, was war, sondern wichtiger ist, zu zeigen, was noch zu erhalten ist“, sagt Petr Fišer. Und davon gibt es noch sehr viel. Er selbst engagiert sich seit Jahren für die Verbindung der Bahnstrecke zwischen dem sächsischen Holzhau und dem tschechischen Moldava und setzt sich für die Rettung der Bahnhöfe an der Strecke ein.

Vom Schüler bis zur Seniorin

Ähnlich ist das mit den anderen Redaktionsmitgliedern, die sich mal privat, mal dienstlich für die Geschichte ihrer geschundenen Heimat engagieren, wie Vojtěch Šafránek, der sich nicht nur für den Erhalt der Elisabethkirche engagiert. Schon seit Jahren ist er der Administrator der tschechischen Wikipedia-Webseite. Und seit Kurzem ist er auch Mitglied des neu gegründeten Teplický spolek (Teplitzer Verein).

Šafránek ist das jüngste Mitglied der Redaktion und damit gut achtzig Jahre jünger als das älteste: Hana Truncová, geborene John, eine Böhmendeutsche, die noch Schülerin des letzten Chefredakteurs der Erzgebirgs-Zeitung, Gustav Müller, war. „Sie ist unser Kontinuum und letzte Instanz, wenn wir etwas nicht genau wissen“, schwärmt Fišer. Er wünscht sich, dass die Erzgebirgs-Zeitung in zehn Jahren über die durchgehende Bahnverbindung Most – Freiberg berichten kann. „Und ich wünsche mir, dass es genug Leute gibt, die mal unser Werk fortsetzen, vor allem das Verbinden der Generationen wie der Menschen beiderseits der Grenze“, sagt Fišer.

Mehr Informationen zur Zeitung gibt's im Internet.