Einkaufstourismus in Sachsen boomt wegen Rekord-Inflation

Šárka aus Jablonec (Gablonz) besorgt in Zittau, Dresden oder Pirna Lebensmittel, Drogerieartikel, Bekleidung für sich und ihre Familie. "Bei uns kaufe ich gar nichts ein", sagt sie, der neben dem Preis auch die Qualität wichtig ist. "Ich nutze auch die Dienstleistung der Deutschen Post, die bei uns auch immer teurer wird", berichtet die Unternehmerin. Genau wie viele andere Tschechen genießt sie die Vorteile des Dreiländerecks. Das heißt: Auf der Rücktour tankt Šárka noch in Polen und kauft ihr Gemüse. Erst dann lohnt sich die Fahrt für sie so richtig.
An vielen Märkten in Grenznähe, so zum Beispiel auch am Kaufland in Ebersbach oder bei Aldi in Neugersdorf ist das Phänomen zu beobachten: Zahlreiche Autos mit tschechischen Kennzeichen sieht man auf dem Kundenparkplatz. Lohnt sich angesichts der gestiegenen Preise denn für die tschechischen Nachbarn überhaupt noch der Einkauf in Deutschland? Offenbar schon.
Der Grund für den Einkaufstourismus: Die Verbraucherpreise in Tschechien sind im Juni um 17,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr nach oben geklettert. Die Inflationsrate bleibt damit die höchste seit Dezember 1993, wie das Tschechische Statistische Amt (ČSÚ) informiert. Die Teuerungsrate erreicht damit einen Rekordstand und ist doppelt so hoch wie im Euro-Raum. In Deutschland liegt sie unter acht Prozent. Die Preise stiegen in Tschechien also viel schneller als im Nachbarland.
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Die Lebensmittelpreise erhöhten sich im Juni um 19,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Gestiegen sind aber auch die Wohnkosten, vor allem wegen der Energie. Die Preise für Erdgas liegen um mehr als 50 Prozent, feste Brennstoffe und Strom um etwa 33 Prozent, und Wärme sowie Warmwasser um 18,1 Prozent über denen von vor einem Jahr. Die Autofahrer zahlen zudem 47,5 Prozent mehr für Kraftstoff.
Wer tschechische Dienstleistungen in Anspruch nimmt wie Friseure oder Nagelstudios, muss 13,9 Prozent mehr zahlen. In den Gaststätten und Cafés kosten Getränke oder Gerichte fast ein Viertel mehr als im Vorjahr. Einen Preisvorteil gibt's in Tschechien nur noch bei Zigaretten.
Mehl verteuerte sich in Tschechien im Vergleich zu 2021 um fast 70 Prozent, haltbare teilentrahmte Milch um 31,3 Prozent und Zucker um 25,5 Prozent. Aktuell liegt der Durchschnittspreis pro Kilo Weizenbrot bei 2,46 Euro, ein Kilo Butter verteuerte sich auf 9,22 Euro. Relativ hoch ist in Tschechien mit 15 Prozent auch die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, bei Alkohol sogar 21 Prozent. In Polen liegt diese bei fünf, in Deutschland bei sieben Prozent. Günstig macht die Einkäufe auch der aktuelle Wechselkurs zum Euro, der bei 24,60 Kronen liegt.
Jarka aus der Isergebirgsstadt Desná (Dessendorf) ist Stammkundin in der Zittauer Apotheke auf dem Markplatz. Die Rentnerin schätzt, dass dort tschechisches Personal arbeitet. "Günstiger und besser ist auch die Nahrung für Katzen, unsere wollen schon gar nichts anderes mehr fressen“, sagt sie. "Butter gibt's bei uns umgerechnet nicht unter 2,40 Euro, im Kaufland hinter der Grenze konnte ich sie für 1,99 bekommen und Schokolade kostet in Deutschland nur die Hälfte." Jarka verbindet ihren Einkauf am liebsten mit einer Fahrradtour.
Lucie und Filip aus Liberec (Reichenberg) kommen zweimal im Monat zum Shoppen über die Grenze. Früher haben sie die günstigsten Produkte gekauft. Seitdem beide ein Kind haben, sucht das Paar nach der besten Qualität aus. "Da ist der Unterschied zu heimischen Preisen noch deutlicher." In ihrem Einkaufswagen landen Fleisch, Kaffee, Tee, Müsli, Drogeriewaren, Milchprodukte, Wein und Süßwaren. Obendrauf: Zwei Basilikumsträucher. "Gläser mit Babynahrung kosten hier nur die Hälfte", sagt Lucie und nimmt sie palettenweise mit. Die junge Familie schätzt auch die große Auswahl in Deutschland. Ihr liebster Einkaufsmarkt ist Rewe in Zittau. "Gut, dass wir so nah an der Grenze wohnen."
Wer diesen Vorteil nicht hat, für den bietet sich eine andere Lösung. Sie können unter www.nemeckyeshop.cz oder www.nakupsivnemecku.eu deutsche Produkte online bestellen. "Wir fahren zweimal in der Woche nach Deutschland und besorgen alles und schicken die Waren weiter an die Kunden", sagt Betreiberin Petra Keihlová.
Einige Preis-Beispiele
Deutschland in Euro / Tschechien in Kronen (Euro)
- Milch 1,5 % Fett 1 l: 0,89 / 24,50 (0,99)
- Wein Doppio passo: 5 / 219 (8,89)
- Butter 250 g: 2,19 / 59 (2,39)
- Mehrkornbrot 750g: 0,99 / 28 (1,14)
- Spaghetti 500 g: 0,89 / 36 (1,46)
- Schweineschnitzel 1 kg: 5,49 / 174 (7,06)
- Bertolli Olivenöl 750 ml: 5,79 / 227,90 (9,25)
- Hipp 190 g: 1,35 / 49 (1,99)
- Baby Vita: 0,85 / 38 (1,54)
- Old Spice 50 ml: 1,99 / 69 (2,80)
- Shetlan Weichspüller 950 ml: 1,25 / 43 (1,75)
- Bio Naturjoghurt 1 kg: 1,69 / 69 (2,80)
- Paprika rot 1 kg: 2,58 / 79 (3,21)
- Bananen 1 kg: 1,19 / 29 (1,18)
- Kartoffeln 1 kg: 1,59 / 25 (1,01)
- Cherry Tomaten 250 g: 0,99 / 29 (1,18)