Pirna
Merken

Böhmen: Farbenfrohe Kunst, die sogar Präsidenten anzieht

Michaela Valášková ermöglicht in Ústí nad Labem Kunst im öffentlichen Raum. Das interessierte sogar einen bekannten Besucher.

Von Steffen Neumann
 5 Min.
Teilen
Folgen
Michaela Valášková vor einem neuen Wandbild in Ústí nad Labem (Aussig). Es erinnert an Heinz Edelmann, den Art Director des Beatles-Films „Yellow Submarine“.
Michaela Valášková vor einem neuen Wandbild in Ústí nad Labem (Aussig). Es erinnert an Heinz Edelmann, den Art Director des Beatles-Films „Yellow Submarine“. © Steffen Neumann

Fünfzehn Minuten hatte der Bundespräsident Zeit. Zum Ende seines dreitägigen Tschechien-Besuchs marschierte Frank-Walter Steinmeier mit Ehefrau Elke Büdenbender und seiner Entourage in eine dunkle Unterführung am Hauptbahnhof in Ústí nad Labem (Aussig). Ziel war ein riesiges, zwei mal 35 Meter langes Wandgemälde zu beiden Seiten des Durchgangs. Dort erwartete ihn bereits Michaela Valášková, die Initiatorin des Projekts „Unbekannte Helden aus Ústí nad Labem“, mit den beiden Schöpferinnen des Gemäldes, Magdaléna Gurská und Adéla Bierbaumer.

Es erzählt die Geschichte von Ruth Hálová, geborene Adler, die kurz vor dem Zweiten Weltkrieg als eine von 669 jüdischen Kindern durch eine breite Rettungsaktion des deutschstämmigen Briten Nicholas Winton nach Großbritannien gebracht wurde. Später kehrte sie nach Tschechien zurück, heiratete und arbeitete als erfolgreiche Mikrobiologin unter anderem in der Bezirkshygienestation in Ústí.

Art Director der Beatles stammt aus Aussig

„Herr Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender sind angenehme Menschen. Schade, dass wir sie nicht ohne den ganzen Zeitdruck, das offizielle Drumherum und die Journalisten treffen konnten“, bedauert Valášková ein bisschen, fügt aber hinzu: „Auch so war es ein sehr nettes Gespräch. Man hat ihnen nicht angemerkt, dass sie so hochgestellte Menschen sind“, meint die junge Frau, die mit der Präsentation des Wandgemäldes auf einmal ins Rampenlicht gerückt ist.

„Wir wurden angesprochen, weil sich Herr Steinmeier zum Ende seines Besuches in Tschechien die kommende Dauerausstellung über die Deutschen in Böhmen und Mähren im Stadtmuseum ansehen wollte und unser Gemälde passte gut dazu. Außerdem lag es nahe, da der Bundespräsident mit dem Zug reiste“, erklärt Valášková, warum ausgerechnet sie mit dem Bundespräsidenten zusammentraf.

Für das große Wandbild in Erinnerung an die Jüdin Ruth Hálová interessierte sich sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.
Für das große Wandbild in Erinnerung an die Jüdin Ruth Hálová interessierte sich sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. © Deutsche Botschaft Prag

Sowohl die Kunst, als auch die Stadtgestaltung sind ihr Hobby. Beruflich arbeitete sie lange an der Universität. Inzwischen ist sie in den sozialen Bereich gewechselt. „Ich habe nicht die Ahnung von Kunst, kann nur sagen, das gefällt mir und das nicht. Prächtig und farbenfroh sollte es aber sein“, sagt sie. Und das sind die Werke, bei deren Entstehung sie bisher in Ústí geholfen hat, auf jeden Fall.

Nicht nur das Gemälde in der Bahnhofsunterführung, sondern auch jenes über den Illustrator und Grafikdesigner Heinz Edelmann, der in den 1960er-Jahren als Art Director des Beatles-Films „Yellow Submarine“ bekannt wurde, aber ursprünglich aus Aussig stammte. Es deckt eine ganze Wand des Vorbaus eines Studentenwohnheims im Stadtbezirk Klíše (Kleische) ab. Der visuelle Stil, den man von dem berühmten Film kennt, ist auch gut an dem Gemälde zu erkennen. Geschwungene Menschenkörper in breiten Schlaghosen. Oben links darf auch das U-Boot nicht fehlen, allerdings nicht gelb, sondern schwarz.

„Uns geht es in dem Projekt vor allem um eine Belebung des öffentlichen Raums. Es gibt in Ústí viele graue, vernachlässigte Flächen, die wir beseitigen möchten“, erklärt Valášková. In einem ersten Projekt „Kleine Orte in der großen Stadt“ gelang es ihr, schon drei Flächen von Künstlern gestalten zu lassen. In dem Projekt über die unbekannten Helden geht es um mehr. „Wir suchen interessante Geschichten von Menschen, die auf irgendeine Weise Spuren in der Stadt hinterlassen haben“, sagt sie. Schon vor Jahren entstand ein Wandbild, das an die Atomphysikerin Lilli Hornig erinnerte, die ebenfalls aus Ústí stammt.

Museum der Straße

„Diese Geschichten entdeckten Historiker des Stadtmuseums und des Stadtarchivs. Aber ich glaube, dass viele Menschen nie ein Museum betreten. Die möchten wir durch die Straßenkunst ansprechen“, sagt Valášková. Dass es dabei bisher vor allem um deutschstämmige Landsleute geht, hat mit der deutsch geprägten Vergangenheit von Ústí zu tun, die mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach 1945 verschwunden ist, aber trotzdem zur Identität der Stadt gehört. Michaela Valášková sieht das Projekt „Unbekannte Helden“ aber nicht auf Deutsche beschränkt. Und es geht ihr nicht nur um Aufklärung der Vergangenheit. „In dem Projekt, erfolgreiche Menschen von hier zu porträtieren, stecken viele Themen: Die Bedeutung von Bildung, die Förderung von Talenten, die durch nichts zu ersetzende Rolle der Familie und den Frieden, den man nicht hoch genug schätzen kann“, zählt sie auf.

Die bisherigen Reaktionen zeigen, dass ihre Rechnung aufging. „Wir bekommen tatsächlich viel Zustimmung. Die meisten drücken uns aber auch die Daumen, dass die Werke so lange wie möglich nicht beschmiert werden“, sagt sie. Das zeige, dass solche Kunst in der Stadt noch ungewohnt ist. Zugleich wirft es aber auch ein Licht, wie wenig Wertschätzung der öffentliche Raum in Ústí bisher findet. „Ehrlich gesagt, bin ich auch davon ausgegangen, dass die Werke schnell beschmiert werden. Aber bis jetzt ist bis auf eine Ausnahme noch nichts passiert“, freut sich Valášková.

Ein Besuch, der sich auszahltWie es mit der Kunst im öffentlichen Raum weitergeht, kann sie noch nicht sagen. Ein weiteres großes Werk sei erst einmal nicht geplant. „Das kostet ja auch viel Geld. Allein für das Werk in der Unterführung bekamen wir fast 3.000 Euro, was immer noch viel zu wenig war“, sagt sie. Aber das Zusammentreffen mit dem Bundespräsidenten hat sehr geholfen. „Kurz darauf kam eine Fördermittelzusage der Stadt, die vorher abgelehnt wurde“, erzählt die 38-jährige. So kann jetzt noch ein Leporello über die Geschichte von Ruth Hálová für Schulen entstehen. Und das Werk soll durch eine spezielle Beschichtung geschützt werden.