Zittau
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Lebenskünstler aus dem Isergebirge

Autor Jan Šebelka hat sein Buch über den verstorbenen Misthaus-Besitzer Gustav Ginzel auf Deutsch veröffentlicht. Damit soll auch einiges geradegerückt werden.

Von Rolf Hill
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So sieht das Buchcover aus.
So sieht das Buchcover aus. © SZ

Es war ein sonniger Tag im Frühsommer 1996, als mein langjähriger, inzwischen leider verstorbener Freund und Journalistenkollege Luboš Příhoda aus Liberec (Reichenberg) sagte: "Du, wir fahren jetzt nach Klein Iser. Der Gustav Ginzel baut sein abgebranntes Misthaus wieder auf. Mal sehen, wie der Stand ist." Also, los ging´s. Natürlich hatte ich schon mehrfach von diesem "komischen Kauz" gehört, war ihm aber bisher nie persönlich begegnet. Und dann sah ich ihn vor mir – mitten in einer Menge Gerümpel, das ich nicht zuordnen konnte, aber dicht umlagert von mehreren wissbegierigen Personen. 

Während nebenan Bauarbeiter mit neu gezimmerten Balken hantierten und diese exakt einpassten, redete Gustav unentwegt auf seine Gäste ein, zeigte ihnen sein, vom Brand verschont gebliebenes Trockenklo mit der NVA-Truppenschutzmaske an der Tür, die alte Metallbadewanne am Bach und überredete sie zum Kauf eines Gläschens mit Asche von der Brandstätte. Als wir schließlich ins Gespräch kamen und er erfuhr, dass ich noch nie zuvor bei ihm war, schüttelte er den Kopf und sagte erschüttert: "Ihr tut doch geistig verkümmern, wenn Ihr mich nicht besuchen tut!" So also verlief meine erste und einzige Begegnung mit diesem "Sonderling, der die Welt verschönerte".

Die meisten Gäste waren Deutsche

Genau dieses Prädikat "Podivín, který okrášlil svet" wählte der damals 64-jährige Journalist und Schriftsteller Jan Šebelka als Titel für seinen 2016 erstmals in Tschechien erschienenen Band mit Erinnerungen an den schon zu Lebzeiten zur Legende gewordenen Bergsteiger, Weltenbummler und nicht zuletzt Besitzer des berühmten Misthauses Gustav Ginzel. Er habe sich schon Jahre zuvor mit diesem Gedanken getragen, erzählt Šebelka, aber da gab es mehrere Probleme. Das begann mit der Finanzierung eines solchen Projekts, ebenso wichtig war die Auswahl der infrage kommenden Beiträge. Neben seinen Gesprächen mit Familienmitgliedern, Freunden und Weggefährten überhäuften ihn auf seine Bitte hin Besucher des Misthauses – darunter vor allem auch Stammgäste aus der ehemaligen DDR – mit einer wahren Flut von Zuschriften. Das hielt auch nach Erscheinen der ersten Ausgabe weiter an. So kam bereits ein Jahr später die zweite, umfangreichere und auch optisch ansprechendere Auflage mit vielen Farbfotos auf den Markt.

"Natürlich wollte ich das Buch so schnell wie möglich auch den deutschen Besuchern des Misthauses anbieten können", sagt Šebelka. "Aber da fehlten mir leider Erinnerungen, obwohl diese bei Gustav immer in der Mehrzahl waren, bestimmt 90 Prozent." Als das Projekt schließlich spruchreif, brauchte er zuverlässige Partner in jeder Hinsicht. Ein deutscher Verlag fand sich nicht, also waren Eigen-Initiativen gefragt. Das Buch wird nun vom "Haus der deutsch-tschechischen Verständigung" in Jablonec nad Nisou/Rýnovice (Gablonz, OT Reinowitz) herausgegeben. Dessen Partner: Die Sächsische Zeitung. Gefördert haben das Projekt der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds und der Liberecky kraj (Bezirk Reichenberg). In dieser Hinsicht seien die fünf Jahre eine gar nicht so lange Zeit, meint Šebelka.

Sechs Semester studiert

Mit der Herausgabe dieses Buches habe er auch versucht, einiges über Gustav selbst gerade zu rücken, sagt er. Ginzel sei von vielen Menschen nur als verrückter Sonderling oder Geizhals wahrgenommen worden, obwohl dieser sechs Semester an einer Hochschule studiert hatte, ein guter Bergsteiger, Naturfreund, Fotograf, aber vor allem Lebenskünstler war. Das sei ihm selbst auch erst bei der Vorbereitung und Auswahl der Texte so richtig klar geworden. Das sei schließlich auch der Grund dafür, warum das Buch nun nicht nur lauter lustige Geschichten enthält. Trotzdem habe er gewusst, dass der große Lebenskünstler auch ein bisschen Narr war - ein Sonderling, der nach dem Isergebirgs-Lauf von den Teilnehmer weggeworfene Würste sammelte und viele andere wahnsinnige Dinge machte. Wer wäre sonst zum Beispiel auf einem Fahrrad in einen Misthaufen gesprungen?

"Ich ging davon schon aus, dass sich manche Geschichte wiederholen wird“, sagt Šebelka. So war es auch, nur im wesentlich geringeren Umfang als vermutet." Nach langem Überlegen entschied er sich dafür, die einzelnen Erinnerungen so zu belassen, wie Zeitzeugen ihn diese geschildert oder erzählt haben. "Es ist vielleicht eine große Übertreibung, doch ich sagte mir, in der Bibel wird dasselbe Ereignis durch die Evangelisten Markus, Matthäus und Lucas ebenfalls beschrieben - und schon 2.000 Jahre lang stört es niemanden."

Das Buch ist im SZ-Treffpunkt Zittau an der Neustadt 18 und im Buchhandel erhältlich. Weitere Bestellungen nimmt der Mobile Vertrieb Wolfgang Berndt Oderwitz unter [email protected] entgegen.

Zum Buch:

  • Autor: Jan Šebelka und im Impressum genannte Personen
  • Herausgeber: Haus der deutsch-tschechischen Verständigung Jablonec nad Nisou/Rýnovice
  • Übersetzung: Sven Dietrich
  • ISBN: 978-80-270-8032-8
  • Preis: 22 Euro

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