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Kampf gegen Inflation: Das macht Tschechien anders als Deutschland

Auch in Tschechien machen die steigenden Energiepreise vielen Bürgern Probleme. Die Regierung in Prag hat finanzielle Hilfen angekündigt - doch Experten sprechen von einem "Tropfen auf den heißen Stein".

Von Hans-Jörg Schmidt
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Wer in einer Einraumwohnung in Prag lebt und durchschnittlich viel Miete bezahlt, geht nach jetzigen Berechnungen beim Wohngeld leer aus.
Wer in einer Einraumwohnung in Prag lebt und durchschnittlich viel Miete bezahlt, geht nach jetzigen Berechnungen beim Wohngeld leer aus. ©  Symbolbild/pexels.com

Prag. Noch ahnen die meisten Tschechen nur, was da auf sie zukommen wird. Genauere Zahlen kennen sie nicht. Und noch werden sie von der Regierung beruhigt. Wenn Strom, Gas und Fernwärme teurer werden, stehe der Staat ihnen bei. Doch das, was dazu bisher bekannt ist, wird nach Einschätzung von Experten nicht annähernd reichen, um die großen Belastungen aufzufangen.

Die Regeln in Tschechien besagen, dass ein Haushalt Anspruch auf Unterstützung hat, wenn er mehr als 30 Prozent (35 Prozent in Prag) seines Einkommens für das Wohnen - inklusive Nebenkosten für Energie - aufwendet. Das hat in den zurückliegenden Tagen auch Ministerpräsident Petr Fiala mehrfach bekräftigt.

Was er nicht sagte: für die Hilfen, die der Staat an die zahlt, die mehr als die erwähnten 30 beziehungsweise 35 Prozent ihres Einkommens aufwenden müssen, gibt es Obergrenzen. Die richten sich unter anderem nach der Anzahl der Mitglieder eines Haushalts. Die Obergrenzen sollen verhindern, dass sich Menschen eine zu große und damit zu teure Wohnung nehmen, obwohl sie wissen, dass sie die Kosten dafür nur mit staatlicher Hilfe bezahlen können.

Kein Wohngeld bei Durchschnittspreisen

Doch in der Realität sieht das mit Wohngeld schon bei Einraumwohnungen anders aus. Für die bekommt man derzeit keinerlei Hilfe, wenn sie zum Durchschnittspreis vermietet werden, selbst wenn der die Hälfte oder mehr des Einkommens der Menschen ausmacht, die darin wohnen.

Die Standard-Miete plus Nebenkosten für solche etwa 35 Quadratmeter kleinen Wohnungen liegt in Prag bei mehr als 15.000 Kronen (600 Euro) pro Monat. Die Norm, also die Obergrenze für staatliches Wohngeld, endet aber schon bei 10.100 Kronen (etwa 400 Euro). Wohnungen, die teurer sind, werden nicht bezuschusst. Das soll sich ändern. Arbeits- und Sozialminister Marian Jurečka hat angekündigt, dass er daran arbeitet, die Normen zu erhöhen, damit mehr Menschen Wohngeld bekommen können.

Wohngeld sollen die Tschechen künftig beantragen können, wenn die geplanten Sondermaßnahmen zur Abfederung der drohenden massiven Preissteigerungen für Energie nicht ausreichen. Denn die sind das eigentliche Problem, das auf die Leute zukommt.

Über eine Million tschechischer Haushalte heizt mit Gas. Die Regierung geht in ihren Berechnungen für staatliche Hilfen davon aus, dass diese Haushalte ab diesem Winter monatlich 10.000 Kronen (400 Euro) für Gas und weitere 1.665 Kronen (67 Euro) für Strom zahlen müssen. Der große Haken an der Sache: Die Berechnung fußt auf den Preisen von diesem Juni, als die Preise für Strom und Gas an der Börse im Vergleich zu den letzten Tagen etwa halbiert waren. Und die Preise dort steigen immer weiter.

Hilfen nach dem Gießkannenprinzip

Die Regierung setzt dem einen Sparpreistarif entgegen. Der Begriff ist etwas verwirrend. Im Kern handelt es sich um direkte Hilfe des Staates an die Haushalte, um deren Gesamtkosten zu erleichtern. Die durchschnittliche Höhe dieser Energiebeihilfe beträgt pro Haushalt rund 15.000 Kronen (600 Euro), wovon die Haushalte in diesem Jahr rund 4.000 Kronen (160 Euro) erhalten werden.

Das Geld geht nach dem Gießkannenprinzip an alle Haushalte, muss auch nicht speziell beantragt werden, sondern muss von den Energielieferanten auf den Abschlagsrechnungen transparent als Abzug von den Gesamtkosten ausgewiesen werden.

Und der Sparpreistarif ist nicht die einzige Hilfe. Schon jetzt haben alle Haushalte pro Kind 5.000 Kronen (200 Euro) überwiesen bekommen, deren jährliche Einkünfte unter der Grenze von 1 Millionen Kronen (40.000 Euro) lagen. Zudem werden alle Haushalte ab Oktober von der Zuzahlung für die Erzeugung von erneuerbaren Energien befreit.

Kritiker sprechen von einem Tropfen auf den heißen Stein

Kritiker sprechen ungeachtet der Milliarden Ausgaben von einem Tropfen auf den heißen Stein. Die Regierung verteidigt sich dagegen. „Tschechien steht mit diesen Maßnahmen im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt an vierter Stelle in der EU, was die Massivität der Unterstützung angeht“, sagt Premier Peter Fiala.

Die Kritik entzündet sich vor allem am Gießkannenprinzip der Hilfsmaßnahmen. Der Ökonom der Sparkasse Česká spořitelna, Michal Skořepa, sagt, der Gesamtbetrag, den die ‚Regierung veranschlagt hat, würde ausreichen, um einen Großteil der höheren Energiekosten für mehrere Hunderttausend der ärmsten Haushalte zu kompensieren. „Aber da die Summe auf alle Haushalte verteilt wird, wird der Effekt bei den Ärmsten unnötig schwach und in den restlichen Haushalten völlig unbedeutend sein.“

Es müsse andererseits aber auch klar sein, dass der Staat nicht Hunderte Milliarden von Kronen zurücklegen könne, um den Energieschock für alle Haushalte auszugleichen. Dies übersteige die finanziellen Möglichkeiten der Regierung bei weitem.

„Trotz staatlicher Hilfen“, so der Ökonom, „werden die meisten Haushalte mit den hohen Energiekosten überwiegend alleine fertig werden müssen. Sie müssen ihren Lebensstil ändern und ihr Budget drastisch an die neuen Gegebenheiten anpassen.“