Prag geht auf Sudetendeutsche zu

Prag. Vor zehn Jahren gewann Miloš Zeman in Tschechien noch die Präsidentenwahl, indem er hysterisch die nach dem Krieg aus der Tschechoslowakei kollektiv zwangsausgesiedelten Sudetendeutschen als akute Gefahr für sein Land bezeichnete.
Zemans Nachfolger, Petr Pavel, nutzte vor ein paar Tagen seinen Besuch in Selb aus Anlass der bayerisch-tschechischen Freundschaftswochen, um das Wirken der Sudetendeutschen für die gedeihliche Nachbarschaft zu würdigen. „Ich begrüße den Wandel in der Sudetendeutschen Landsmannschaft und möchte mich bei (dem langjährigen Sprecher der Landsmannschaft) Bernd Posselt bedanken. Ich schätze das wirklich hoch“.
Für viele Sudetendeutsche wie Tschechen war das ein völlig unerwarteter Paukenschlag. Dass das Thema jedoch schon längst nicht mehr so heiß gegessen wie gekocht wird, zeigte sich an den tschechischen Reaktionen auf den Pavel-Besuch. Dort wurde sehr viel mehr darüber gestritten, ob es anging, dass der Präsident mit dem Motorrad nach Bayern gekommen war.
Zu den wenigen, die sich über Pavels würdigende Worte an die Adresse der Sudetendeutschen ereiferten, gehörte Ex-Präsident Václav Klaus: „Ich bin absolut schockiert, wenn Herr Präsident jetzt sagt, dass er froh ist, Herrn Posselt getroffen zu haben, und dass er ihm für seine große Rolle bei der Verbesserung der tschechisch-deutschen Beziehungen gedankt hat.
Ich weiß nicht, ob ich träume oder wach bin.“ Klaus hatte schon als Premier in den 1990er Jahren vor einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Tschechen und Deutschen gewarnt, weil er einen zu großen Einfluss der Vertriebenen fürchtete.
Tschechiens Regierung schickt erstmal offiziellen Vertreter
Das diesjährige Pfingsttreffen steht auch deshalb unter einem anderen Stern, weil die Prager Regierung erstmals ein Mitglied als offiziellen Vertreter nach Regensburg entsendet. Bildungsminister Mikuláš Bek hat sich schon früher als Senator aus Brünn lange mit dem Thema Versöhnung befasst.
Dies alles kommt einer verspäteten Reaktion Tschechiens auf einen revolutionären Wandel in den Grundsätzen der Landsmannschaft gleich. 2015 hatte die Bundesversammlung der Sudetendeutschen die „Wiedergewinnung der Heimat“ sowie eine „Restitution oder gleichwertige Entschädigung“ für die kollektive Enteignung der Volksgruppe nach dem Zweiten Weltkrieg als Ziele aus ihrer Satzung gestrichen.
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Das war maßgeblich auf Bernd Posselt zurückzuführen gewesen und nicht unumstritten. Es gab nicht wenige Vertriebene, die sich in ihrem Widerspruch dagegen dadurch bestätigt sahen, dass dieser grundsätzliche Wandel in Prag mehr oder weniger ignoriert wurde.
Der frühere Außenminister Karel Schwarzenberg blieb seinerzeit eine Ausnahme. Er zeigte sich vom Beschluss der Sudetendeutschen beeindruckt: „Es ist furchtbar schwer, über Jahrzehnte geltende Grundsätze aufzugeben.“ Und er empfahl den Tschechen, „ihrerseits Zeichen zu setzen“. Jetzt gibt es solche Zeichen.