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Scholz reist heute für Treffen mit Fiala nach Prag

Bundeskanzler Scholz reist am Montag erstmals nach Prag. Beim Thema Ukraine sind seine Gastgeber in Tschechien noch einen Tick emotionaler als die Deutschen.

Von Hans-Jörg Schmidt
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Petr Fiala und Olaf Scholz werden am Montag in Prag über Energiesicherheit für Deutschland und Tschechien sowie Militärhilfe für die Ukraine sprechen.
Petr Fiala und Olaf Scholz werden am Montag in Prag über Energiesicherheit für Deutschland und Tschechien sowie Militärhilfe für die Ukraine sprechen. © dpa/SZ/Archiv

In diesen Augusttagen erinnern sich die Tschechen einmal mehr an das Jahr 1968, als der Versuch ihrer damaligen politischen Führung einer „demokratischen Reform des Kommunismus“ unter den Panzerketten der Sowjetunion und anderer Warschauer Pakt-Staaten zermalmt wurde. Es gab in diesem Jahr keine Gedenkrede, bei der nicht ein Vergleich zu Putins aktuellem Krieg in der Ukraine gezogen wurde.

Es ist die damalige Erfahrung der Tschechen mit den Russen, aus der sich ihre große Solidarität mit den Ukrainern erklärt. „Die Ukrainer führen jetzt den militärischen Kampf, den wir damals nicht gewagt haben“, sagen die Leute, die 1968 erlebt haben und für die dieses Ereignis bis heute ein Trauma ist.

Auch die große Aufnahmebereitschaft der Tschechen gegenüber ukrainischen Kriegsflüchtlingen hat ihre Ursache in 1968. Zwischenzeitlich beherbergte unser Nachbarland mehr als 400.000 Flüchtlinge. Würde man diese Zahl auf die Einwohnerschaft Deutschlands umrechnen, dann sprächen wir von mehr als 3,5 Millionen.

Tschechien sucht Waffen, Deutschland Energiequellen

Tschechiens Botschafter in Berlin, Tomáš Kafka, sagte dieser Tage: „Wir Tschechen haben am Anfang gesagt: wir tun jetzt alles für die Ukraine, egal was es kostet.“ Die Deutschen seien nicht so emotional, sondern rationaler an die Sache rangegangen. Den sei vor allem bewusst geworden, dass sie womöglich schon bald riesige Probleme bei der Energieversorgung bekommen würden.

„Während wir nach Waffen suchten, suchten die Deutschen nach Energiequellen.“ Kafka wollte das nicht als Vorwurf verstanden wissen. Letztlich, das weiß er, ist Tschechien noch viel stärker auf russisches Gas angewiesen. Die Abhängigkeit betrug zu Beginn des Krieges 100 Prozent.

Zwar hat sich Prag mittlerweile niederländischer Hilfe bei der Anlandung und Lieferung von Flüssiggas versichert. Besonders wichtig könnte aber noch eine Vereinbarung mit Deutschland werden, die gegenseitige Unterstützung bei Gaslieferungen im Notfall vorsieht. Eine Vereinbarung, die die Deutschen bislang nur mit zwei Nachbarländern geschlossen haben. Das Thema Energiesicherheit wird eines der Themen sein, die Bundeskanzler Olaf Scholz bei seinem Besuch am Montag auch mit seinem tschechischen Gastgeber Petr Fiala erneut besprechen wird.

Gerade befindet sich der Kanzler auf dem Weg in die tschechische Hauptstadt. Dort herrscht nach einer Diskussion über ungleiche Regeln für Politiker und Bürger wieder Maskenpflicht.

Das zweite Thema von Scholz und Fiala ist das der Militärhilfe für die Ukraine. Tschechien schickte schon vor dem Krieg Waffen nach Kiew. Als Putin seinen Krieg dann begann, folgte sofort auch schweres Gerät, Panzer und Raketen, alles was man auftreiben konnte.

Prag ist erfreut über ein Mehr an deutscher Empathie

Jetzt gehen auch hier Deutsche und Tschechen gemeinsam vor. Das Stichwort lautet Ringtausch. Bereits im Mai hatte die Bundesregierung den Tschechen die Lieferung von 15 Panzern des Typs Leopard 2 A4 (14 Kampfpanzer und ein Bergepanzer) zugesagt. Tschechien wird auf diese Weise in die Lage versetzt, eigene Kampfpanzer an die Ukraine abzugeben, mit denen die dortige Armee vertraut ist. Die Verhandlungen darüber stehen nach Presseberichten kurz vor dem Abschluss.

Anders als tschechische Kommentatoren hat sich die Prager Regierung nie kritisch zur Langatmigkeit deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine geäußert. Im Gegenteil: Als Premierminister Fiala seinen Antrittsbesuch bei Scholz in Berlin machte, zeigte er großes Verständnis für den schwierigen Paradigmenwechsel an der Spree.

Er sei nicht nach Berlin gereist, um Vorwürfe zu machen, sagte Fiala damals. „Ich verstehe, dass es schwierig ist, die eigene Russlandpolitik in nur wenigen Wochen vom Kopf auf die Füße zu stellen. Viele Jahre lang hat Deutschland immer versucht, mit Putin Deals zu machen und alle unsere Warnungen überhört. Deshalb bin ich umso froher, dass jetzt auch Deutschland versteht: es ist notwendig, sich gegen die russische Politik der Aggression zu stellen: mit europäischer Einigkeit und Klarheit und Härte.“

Mit anderen Worten, Deutschland zeigt aus Prager Sicht mittlerweile auch deutlich mehr Empathie gegenüber Kiew. Das dürfte das Treffen beider Regierungschefs sehr erleichtern.