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Wenn Tschechien Kaliningrad annektiert

Tschechien verleibt sich Kaliningrad ein - zumindest online. In Russland versteht man den Humor nicht, protestiert und entlarvt sich damit selbst.

Von Hans-Jörg Schmidt
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Královec - zuvor als Kaliningrad oder Königsberg bekannt - hat sogar eine eigene Website.
Královec - zuvor als Kaliningrad oder Königsberg bekannt - hat sogar eine eigene Website. ©  Screenshot: Sächsische.de

Prag. Russlands Annexion von vier ukrainischen Regionen hat nicht nur massive politische Proteste im Westen ausgelöst. Moskau sieht sich seit Tagen auch einer satirischen Online-Attacke aus Tschechien ausgesetzt.

In Russland fiel man auf Fake-Informationen über eine tschechische Einverleibung der russischen Enklave Kaliningrad rein und protestierte ernsthaft dagegen.

In ihrem Drehbuch des Satire-Angriffs unter dem Titel „Make Kaliningrad Czech Again“ (Königsberg muss wieder tschechisch werden) schlugen Internetnutzer vor, das einstige deutsche Königsberg zur tschechischen Provinz zu machen - selbstverständlich erst nach einem Referendum. Dieses ergab, wie gemeldet wurde, erwartungsgemäß eine Zustimmung von „mehr als 100 Prozent“.

Geschichtlicher Hintergrund der Prager „Einverleibungspläne“: Kaliningrad wurde im 13. Jahrhundert von deutschen Rittern zu Ehren des damaligen böhmischen Königs Premysl Otakar Königsberg genannt. Das alt-neue Territorium wird von den tschechischen Witzbolden jetzt entsprechend als Provinz „Královec“ bezeichnet und verfügt natürlich auch schon über eine eigene Internetseite visitkralovec.cz.

Online bewiesen vor allem Nutzer aus Tschechien und Polen großen Einfallsreichtum. Besonders populär ein Foto: Russlands Präsident Wladimir Putin sitzt entspannt am Telefon und erkundigt sich nach der Lage in Kaliningrad. Auf einem darauf folgenden Bild schaut er sehr besorgt drein und fragt: „Was meinen Sie mit ‚Ahoj’?“ Mit „Ahoj“ grüßen sich gewöhnlich die Tschechen.

Von der Sehnsucht der Tschechen zu einem Zugang zum Meer wie in Kaliningrad spricht ein Bild, auf dem ein vermeintlicher Flugzeugträger mit dem Namen „Karel Gott“ seine Basis in dem Ostseehafen verlässt.

Mehrere Internetnutzer schlugen eine U-Bahn-Linie zwischen der zweitgrößten tschechischen Stadt Brünn, der polnischen Hauptstadt Warschau und Kaliningrad vor. Für Tschechen unvermeidlich auch die Idee einer Bier-Pipeline mit der Bezeichnung „Beer Stream 1“, über die Kaliningrad künftig von Prag aus mit bestem tschechischen Gerstensaft versorgt werden soll.

In Russland tat man sich schwer mit dem tschechischen Humor, verstand ihn teilweise überhaupt nicht. Die Internetseite EurAsia Daily nahm die angeblichen Gebietsansprüche ernst und nannte sie „revanchistisch“. Andere russische online-Portale wie PolitExpert zitierten den Militäranalysten Michail Timoschenko, wonach Russland Kaliningrad nicht hergeben werde. Tschechien und Polen sollten nicht auf eine Teilung des Gebietes hoffen.

Womit die Satire ihren Zweck erfüllte, wie das Prager Landesecho schrieb. „Sie schaffte es nicht nur, russisch-imperiale Argumentationsmuster ins Lächerliche zu ziehen. Am Ende bezeichneten sogar russische Medien diese als revanchistisch und entblößten damit unfreiwillig die eigenen absurden Großmachts-Fantasien.“

Am kommenden Montag sind die Tschechen aufgerufen, vor der russischen Botschaft in Prag zusammenzukommen, um die „Annexion“ Kaliningrads durch Tschechien zu begrüßen.