Tschechien: „Wir testen so viel wie noch nie“

Frau Šimůnková, die landesweite Wocheninzidenz in Tschechien sinkt kontinuierlich. Auch im Bezirk Ústí fallen die Infektionszahlen endlich, wenn auch langsam. Im Landkreis Teplice (Teplitz) liegt die 7-Tage-Inzidenz immer noch bei rund 200 auf 100.000 Einwohner. Warum ist das so?
Zunächst muss ich sagen, dass sich die Lage tatsächlich deutlich entspannt hat. Unser Problem war, dass wir besonders stark unter dem Einfluss der britischen Virusvariante standen, die hier praktisch zwischen Weihnachten und Ostern 90 Prozent der Ansteckungen ausmachte. Dazu kommt, dass wir zuletzt Ansteckungen vor allem in Großfamilien feststellten. Das hat bei uns die Ausbreitung noch beschleunigt. Doch auch bei uns fallen die Zahlen seit Wochen. Es dauert nur etwas länger, weil wir von einem höheren Niveau kommen. Aber inzwischen sind die am schwersten betroffenen Gebiete Tschechiens nicht mehr hier, sondern im Osten des Landes.
Es wird oft gesagt, je mehr Tests, umso mehr Fälle. Jetzt, da die Zahlen in Tschechien niedrig sind, heißt es: In Tschechien wird wenig getestet. Ist das so?
Der erste Teil stimmt. Je mehr wir testen, desto mehr Infektionen können wir aufdecken. Das ist gut so, denn vor allem im Herbst blieben viele Infektionen unentdeckt. Deshalb haben wir auch eine viel höhere Dunkelziffer von Menschen, die bereits von Covid geheilt sind. Das ist ja auch einer der Gründe, warum die Zahlen jetzt sinken.
Offiziell sind über 15 Prozent der Bevölkerung von Covid geheilt. Die Dunkelziffer ist aber deutlich höher, weshalb wir von einer höheren Durchseuchung ausgehen können, die das Infektionsgeschehen inzwischen abbremst. Entscheidend ist aber, dass durch die Einschränkung der Mobilität auf die Gemeinden bzw. Kreise im März und April, die Zahl der Kontakte deutlich begrenzt werden konnte. Auch werden konsequenter als zuvor Masken getragen. Ein dritter Grund sind die Impfungen. Inzwischen haben im Bezirk über 18 Prozent die Erstimpfung.
Dass wir aber weniger testen, ist sicher nicht der Grund für den Rückgang. Im Gegenteil, spätestens seit Einführung der Testpflicht in Firmen Anfang März testen wir so viel wie nie zuvor. Das hat den Vorteil, dass die Dunkelziffer fast gleich ist mit den offiziellen Zahlen.
Vor einigen Wochen tauchte im Bezirk Ústí sogar eine brasilianische Mutation auf. Haben Sie inzwischen noch weitere Fälle gefunden?
Nein, und zum Glück zeigte sich, dass diese Variante zwar tatsächlich in Brasilien vorkommt, aber nur sehr selten und vor allem ist sie weniger ansteckend.
Die fehlende Sequenzierung, also die Untersuchung der Viren nach Mutationen, war aber lange Zeit in Tschechien ein Problem.
Das ist richtig. Auch hier rächte sich die Unterfinanzierung nicht nur der Hygieneämter, sondern auch der Labors, die so was machen können. Inzwischen sind die Labors aber besser ausgestattet. Das gilt auch für das Nationale Referenzlabor, das auch unsere Proben im Zusammenhang mit der brasilianischen Mutation untersucht hat.
Wir haben außerdem das Glück, dass ein Teil unserer Proben von der Technischen Universität untersucht wird. Jeweils 30 Proben aus dem Bezirk Ústí und 25 Proben aus dem Bezirk Liberec werden dort nach Varianten untersucht. Das ist eine Initiative, die von Sachsen ausging. Die Landesregierung interessiert sich für die Pandemiesituation bei uns in Nordböhmen. Sachsen hat damit einen guten Überblick und für uns sind es zusätzliche Laborproben, die uns bei der Sequenzierung helfen.
Ist Tschechien also auf einem guten Weg und kann wieder lockern?
Von Lockerung kann keine Rede sein. Die Maßnahmen werden sehr vorsichtig angegangen. Zunächst durften die unteren Grundschulklassen zurück in den Präsenzunterricht, außerdem nur in geteilten Klassen und nur mit Maske im Unterricht. Auch die praktische Berufsausbildung durfte wieder starten und in einigen Bezirken öffneten wieder die Kitas. Bei uns im Bezirk Ústí bleiben sie aber weiter geschlossen. Dafür müsste unsere Wocheninzidenz auf unter 100 Infektionen auf 100.000 Einwohner fallen. In einem nächsten Schritt sollen kleine Geschäfte, Friseure und weitere Dienstleister öffnen. Erst zuletzt sind Restaurants dran.
Ist ihre Arbeit nun weniger stressig?
Wir sind immer noch gut beschäftigt, aber inzwischen haben wir im Bezirk weniger als 300 Infektionen täglich. Das ist eine Zahl, die wir gut beherrschen.
Das Gespräch führte Steffen Neumann.