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Tschechische Neonazis vor Gericht

Wegen des Anschlags auf eine Roma-Familie drohtlebenslange Haft.

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Von Hans-Jörg Schmidt, SZ-Korrespondent in Prag

Nur Ivo Müller, einer von vier Angeklagten im Prozess wegen eines Brandanschlags auf eine tschechische Roma-Familie, konnte sich dazu durchringen, bei den Opfern um Vergebung zu bitten. Ein anderer mutmaßlicher Täter fühlte sich selbst als „Opfer einer mittelalterlichen Hexenverbrennung“ und bestritt jede Tötungsabsicht. David Vaculik, mutmaßlicher Initiator des Überfalls, schwieg. Dafür betrat er das Gericht provokativ mit einem Hemd aus der Neonazi-Szene.

Es war der Tag der Angeklagten und ihrer Verteidiger in einem Prozess, wie ihn Tschechien bislang nicht erlebt hat. Es geht um den Brandanschlag auf ein Roma-Haus in Nordmähren im vergangenen Jahr. Eine damals Zweijährige erlitt schwerste Verbrennungen, überlebte wie durch ein Wunder, hat Dutzende Operationen hinter sich und wird bis an ihr Lebensende gezeichnet und traumatisiert sein.

Die vier Jugendlichen aus der rechtsradikalen tschechischen Szene hatten Molotow-Cocktails durch die Fenster des Hauses geworfen. Angeblich wussten sie nicht, dass dort Menschen wohnten.

Es hatte in Tschechien zwar wiederholt solche Anschläge gegeben – auch mit Toten. Doch das Schicksal der Zweijährigen hatte wie nie zuvor die tschechische Öffentlichkeit aufgebracht und die Ermittlungsbehörden unter starken Druck gesetzt. Dem sieht sich auch das Gericht ausgesetzt, von dem viele Tschechen – nicht nur Roma – erwarten, dass es ein Exempel statuiert. Die Beweise sind hieb- und stichfest; und die mutmaßlichen Täter haben die Tat auch gestanden. Die Staatsanwaltschaft beantragte lebenslange Haft. Das Urteil soll am 20. Oktober gefällt werden.