Merken

Tschüss dann!

Alleswisserin, Chronistin der Stadtentwicklung und warmherzige Journalistin: Bettina Klemm hat Dresden geprägt. Jetzt beginnt eine neue Etappe.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Claudia Schade

Es gibt ein geflügeltes Wort in der Dresdner Lokalredaktion: „Frag Bettina!“ Das fällt immer dann, wenn jemand nicht weiter weiß. Wie fing der ganze Ärger mit der Hafencity an? Wo liegt genau Quartier V/II auf dem Neumarkt? Oder muss es VI/I heißen? Welcher Stadtrat hat die meisten Parteiwechsel hinter sich? Wie war das noch mal mit der Messe auf dem Straßburger Platz? Auf alles weiß Bettina Klemm eine Antwort. Meist noch gespickt mit umfangreichem Hintergrundwissen und möglichen Ansprechpartnern für die Recherche inklusive Telefonnummern.

Von wann genau dieses Foto stammt, ließ sich nicht mehr recherchieren. Aber gut frisiert war Bettina Klemm immer, wie auch die übrigen Bilder beweisen.
Von wann genau dieses Foto stammt, ließ sich nicht mehr recherchieren. Aber gut frisiert war Bettina Klemm immer, wie auch die übrigen Bilder beweisen. © privat
Lady Di hätte auch nicht professioneller in die Kamera lächeln können. In den Zeiten vor dem Internet telefonierten Journalisten noch mehr als heute.
Lady Di hätte auch nicht professioneller in die Kamera lächeln können. In den Zeiten vor dem Internet telefonierten Journalisten noch mehr als heute. © privat
Wer erkennt ihn? Der jugendliche Frank Richter bekommt 1995 den Erich Kästner-Preis überreicht. Heute leitet er die Landeszentrale für politische Bildung.
Wer erkennt ihn? Der jugendliche Frank Richter bekommt 1995 den Erich Kästner-Preis überreicht. Heute leitet er die Landeszentrale für politische Bildung. © Roland Fröhlich
Die Grande Dame des Presseclubs flankiert 2004 Kästner-Preisträger Hans-Dietrich Genscher (M.), daneben der damalige Ministerpräsident Georg Milbradt.
Die Grande Dame des Presseclubs flankiert 2004 Kästner-Preisträger Hans-Dietrich Genscher (M.), daneben der damalige Ministerpräsident Georg Milbradt. © S. Unger
Bettina Klemm ruft zum Abschied, und die Prominenz kommt: Am Donnerstag stößt sie auf der Dachterrasse mit den Altoberbürgermeistern Herbert Wagner und Helma Orosz (beide CDU) an.
Bettina Klemm ruft zum Abschied, und die Prominenz kommt: Am Donnerstag stößt sie auf der Dachterrasse mit den Altoberbürgermeistern Herbert Wagner und Helma Orosz (beide CDU) an. © Ronald Bonß

Bettina Klemm ist eine Alleswisserin über Dresden. Seit 1993 berichtet sie für die Sächsische Zeitung über die Geschehnisse in der Stadt. Als Journalistin hat sie wie kaum ein anderer Dresdner die Stadtentwicklung begleitet. Und ihre Leser daran teilhaben lassen. Alle großen Bauprojekte hat sie vorgestellt und dabei gezeigt, wo es hakt. Das Politiker-Kauderwelsch aus dem Stadtrat und die Verwaltungssprache des Rathauses übersetzt sie so, dass es verständlich wird. Wer wichtig ist in Dresden, steht in ihrem Telefonbuch. Und das ist keine Floskel. Sie hat Handynummern von Menschen, die nicht mal ihre dienstliche Durchwahl herausgeben wollen. Wer jemals politisch gewirkt hat in Dresden, und sei es Jahre her, ist für sie telefonisch erreichbar. Das heißt aber auch: Wer nicht drinsteht, ist auch nicht wichtig. Oder in einem eher unwahrscheinlichen Fall: Bettina noch nicht über den Weg gelaufen.

Ihr aber ist es egal, ob jemand wichtig ist oder nicht. Sie interessiert sich für die Menschen und ihre Geschichten. Einmal schimpfte ein Obdachloser in Bettinas Nähe, er würde keine Wohnung bekommen. Beherzt nahm sie sich der Sache an, organisierte für den Mann einen Termin beim Amt, begleitete ihn sogar dorthin. Schließlich hätte er eine Wohnung bekommen. Doch offensichtlich wollte er nicht. Die nötige Unterschrift ließ er unerledigt. Enttäuschend nach so viel Aufwand. Doch auch das steckte Bettina mit einem Achselzucken weg: „So sind sie halt, die Menschen.“

Sie ist diejenige, in deren Briefkasten geheime Unterlagen landen, die auf Missstände hinweisen. Zu ihr haben die Informanten Vertrauen. Anfang der 90er-Jahre hat sie aufgedeckt, dass kommunale Wohnungen unter der Hand verhökert wurden. Ihr ist es zu verdanken, dass die Dresdner von Mauscheleien bei der Vergabe von Marktständen auf dem Altmarkt erfuhren. Und sie hat 2008 ans Tageslicht gebracht, dass das Technische Rathaus so mit Altlasten verseucht war, dass übermäßig viele Mitarbeiter dort an Krebs erkrankten. Das sind nur einige der unzähligen Skandale, die sie öffentlich gemacht hat. Dabei hat sie immer aus dem Wunsch heraus gehandelt, das Beste für Dresden und seine Bürger zu erreichen. Für neue Ideen lässt sie sich begeistern, macht ihren Lesern aber auch deutlich, wenn hinter den Luftschlössern nur das Profitstreben eines Einzelnen steht. Bettina Klemm hat als Chronistin und kritische Begleiterin die Entwicklung Dresdens in den letzten Jahrzehnten mitgeprägt. Jetzt geht sie in den Ruhestand. Zur Ruhe kommen will sie nicht. Sie engagiert sich im Presseclub, wird moderieren und manchem Projekt bei der Öffentlichkeitsarbeit helfen. Und sie bleibt der SZ und ihren Lesern treu: als freie Autorin.