Türmer ist diesmal Bodenpersonal
Zum Spectaculum herrscht auf dem Johannisturm eigentlich Hochkonjunktur. Viele Besucher nutzen die Möglichkeit, aus 60 Metern Höhe über das mittelalterliche Treiben zu blicken. Dieses Jahr wird es aber ruhig bleiben auf der Aussichtsplattform. "Der Turm ist entgegen der Ankündigung geschlossen", erklärt Türmer Felix Weickelt. Die Erneuerung des Daches, das durch den Sturm Eberhard Ende März stark beschädigt wurde, ist umfangreicher als gedacht. Und gefährlich. Deshalb ist derzeit auch der halbe Vorplatz vor der Johanniskirche abgesperrt. "Sicherheit geht vor", sagt Weickelt. Er bedaure es sehr, denn der Johannisturm liegt mitten im Festgebiet.
Zumindest in die Kirche können die Besucher. Hier erleben sie auch den Türmer in Aktion. Felix Weickelt dirigiert das kurze Konzert des Collegium musicum. Er wird sozusagen zum "Bodenpersonal". Für den 29-Jährigen nicht der erste Auftritt am Mittwochabend. Eine Stunde zuvor steht er mit den Zittauer Stadtpfeifern - seinen Trompetenschülern aus der Musikschule - auf dem Rathausbalkon und wird die offizielle Eröffnung des 21. Spectaculums musikalisch begleiten. Eine halbe Stunde ist dafür eingeplant. Dann muss Weickelt vom Rathaus zur Johanniskirche sprinten, sich umziehen und den Taktstock beim Streichorchester schwingen. Diese Aufgabe obliegt eigentlich dem Kantor der evangelischen Kirchgemeinde, doch der fällt seit Längerem krankheitsbedingt aus. Und so ist der junge Türmer vertretungsweise nun auch Kantor - als wenn er nicht schon genug zu tun hätte.
Für den Auftritt des Collegium musicum beim Spectaculum hat sich Felix Weickelt ein paar Überraschungen einfallen lassen. So wird ein Laute-Spieler dabei sein. Und das Streichorchester spielt die Nachtwächter-Serenade des böhmisch-österreichischen Komponisten Heinrich Ignaz Biber. Der Zittauer Türmer erwartet dazu einen passenden Gast. Aber alles verraten will er vorab noch nicht.
Wirklich entspannen kann Felix Weickelt danach nicht. In Vertretung der Stadtchor-Leiterin wird er im Klosterhof noch den historischen Gesang des Jugendchors Citavia leiten. Der ist aus dem ehemaligen schulübergreifenden Schülerchor entstanden, den Weickelt 2014 aus der Taufe hob. Ende 2017 hatte er die Leitung des Chores abgegeben. Nun ist er auf Wunsch der Schüler eingesprungen. Die Vorbereitungen auf das Spectaculum laufen natürlich schon viel länger und bedeuteten harte Arbeit.
Viel bekommt Felix Weickelt vom Spectaculum nicht mit. Vom Klosterhof sprintet er dann in die Klosterkirche, wo bereits die Zittauer Stadtpfeifer auf ihren zweiten Auftritt warten. Der 29-Jährige ist froh, dass dieses Jahr sowohl die Klosterkirche wie auch der Klosterhof als Spielort genutzt werden können. In den vergangenen Jahren habe es immer Einschränkungen gegeben - mal wurde die Klosterkirche saniert, dann der Klosterhof erneuert.
Dass die vier Termine dicht aufeinander folgen, macht Felix Weickelt nichts aus. Die Musiker und Sänger seien eh fit und er fühle sich wohl in der dienenden Rolle. Deshalb hat er auch die Aufgabe des Kantors übernommen, als dafür ein zeitweiser Ersatz gebraucht wurde. Später möchte er mal als richtiger Kantor tätig sein. Nicht nur als Vertretung. Die Pläne, Theologie zu studieren, hat er inzwischen aber verworfen. Er möchte lieber in Zittau bleiben und hier etwas bewegen. Dass er was bewegt, dafür ist das diesjährige Spectaculum das beste Beispiel. Gleich danach geht es für den 29-Jährigen übrigens nach Prichsenstadt in Franken zum europäischen Nachtwächter- und Türmertreffen. Hier muss er zum Glück mal nichts organisieren, sondern ist nur einfacher Teilnehmer. Das kann man sich bei Felix Weickelt kaum vorstellen.
Der Johannisturm wird, so hofft der Zittauer Türmer, ab Ende Juni wieder für Besucher geöffnet sein.
Hier finden Sie das komplette Programm zum 21. Spectaculum Citaviae.
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