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Überfahrener Wolf hatte die Räude

Der Anfang Januar auf der A4 überfahrene Wolf war an Räude erkrankt. Die Krankheit ist hochansteckend – auch für Haustiere.

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Wulf Stibenz

Der Anfang Januar auf der A4 überfahrene Wolf war an Räude erkrankt. Das bestätigt Helene Möslinger vom Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz. Milben lösen dabei einen so starken Juckreiz aus, dass sich betroffenen Tiere blutig kratzen. Vor allem in feucht-kalten Wintermonaten können daran befallene Tiere sterben. Weil die Parasiten durch bloßen Körperkontakt übertragen werden, erkranken nicht nur Mitglieder des Wolfsrudels, sondern auch andere Wild- oder Nutztiere in Gattern oder auf Koppeln.

Eine seuchenartige Ausbreitung der Räude ist möglich, das hat es insbesondere beim Hauptüberträger Fuchs immer wieder gegeben. Tierarzt Karl-Heinz Friebe aus Niesky betont allerdings, dass die Gefahr einer Übertragung für den Menschen gering ist, sollte sich etwa ein freilaufender Hund mit Räude bei einem verendeten oder gerissenen Tier im Wald infiziert haben. Der Mensch wäre für Räudemilben dann nur ein Fehlwirt. „Mir ist das während meiner gesamten praktischen Tätigkeit als Tierarzt nicht passiert“, so der Veterinärmediziner. Und befallene Haustiere – vor allem Hunde – seien gut zu behandeln.

Für die Wolfspopulation kann die Erkrankung mit Räude aber durchaus negative Folgen haben. Nachdem 2012 mehrere Räudefälle in Westpolen nachgewiesen worden sind, hat sich insbesondere beim Nochtener Rudel gleich mehrfach die Räude bestätigt. Vor allem Welpen und Jährlinge sind betroffen – und entwickeln sich schlecht. Helene Möslinger vom Kontaktbüro in Rietschen zum aktuellen Räudefall: „Unsicher ist noch, von welchem Rudel das Tier stammte.“ Zurzeit werde der Kadaver untersucht. Der Fundort zwischen Nieder Seifersdorf und Weißenberg spricht aber eher gegen das Nochtener Rudel. Stammt der überfahrene Wolf aber beispielsweise vom Nieskyer Rudel, wäre dort nun auch die Räude nachgewiesen.

Zusammen mit den neun anderen unnatürlichen Todesfällen von Wölfen durch Abschuss (2) oder Straßenverkehr (7) in den vergangenen Monaten, dezimiert sich die Zahl der Wölfe in Sachsen. Markus Bathen vom Nabu-Wolfsbüro in der Lausitz bestätigt, dass die jüngeren Todesfälle auch die Frage nach der Gefährdung des Wolfsbestandes aufwirft. „40 Tiere sind bundesweit nach unserer eigenen Aufstellung seit dem Jahr 2000 im Straßenverkehr getötet worden“, so Bathen. Mit dem Auftauchen der Wölfe in immer mehr Bundesländern sei es aber zunehmend schwierig, eine sichere Katalogisierung der Population in Deutschland zu gewährleisten. „Wir brauchen deshalb ein Kompetenzzentrum Wolf in Deutschland, fordert Markus Bathen. Dort sollten alle Zählungen von Wölfen gesammelt werden – auch die, wo Wölfe unnatürlich gestorben sind.

Die Räudefälle würden bei so einer wissenschaftlich begleiteten Statistik dazuzählen. Allerdings ist die Krankheit aus Sicht von Markus Bathen kein grundsätzliches Problem für die Wölfe. „Der Wolf hat hier keine natürlichen Feinde. Krankheiten regulieren somit auch die genetische Qualität.“ Überleben könnten so die starken und anpassungsfähigen Tiere. Zwar sei die Räude eine unschöne Erkrankung, die insbesondere in den feuchtkalten Wintermonaten ihren Tribut unter betroffenen Wildtieren fordert. Aber auch Krankheiten gehören zu den natürlichen Prozessen und in diesem Fall sind sie Teil der wichtigen Bestandesregulierung des Wolfes. Dagegen sei der Straßenverkehr eine tatsächliche Gefährdung des Wolfsbestandes, weshalb der Nabu auch vom Bund finanzielle Mittel und ein entsprechendes Programm für Querungshilfen (Wildbrücken) über hoch frequentierte Straßen fordert.

Dass die Räude hierzulande kein echtes Problem für Mensch und Tier ist, sieht auch Heinz Baacke, Vizepräsident des Landesjagdverbandes Sachsen so: „Erwachsene Wölfe können die Räude auch ausheilen“, sagt er. Einig sind sich Baacke und Bathen außerdem darin, dass die Räudeerkrankung vorwiegend bei Füchsen auftritt – und auch immer vorhanden ist.

Nur fällt die Erkrankung bei Wölfen eben durch die genaue Untersuchung auf. „Jeder tote Wolf wird ja pathologisch bis aufs Feinste untersucht“, so Heinz Baacke. Bei toten Füchsen oder anderen im Straßenverkehr überfahrenen Wildtieren würde dieser Aufwand nicht betrieben, wodurch solche Krankheiten dann auch im Verborgenen bleiben. Dass es Räude beim Wolf gebe, sei also völlig natürlich. „Und wenn die Wolfswelpen mickrig sind, sterben sie halt“, resümiert Baacke.