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Übernimmt jetzt Kathrin Oertel?

Mit Lutz Bachmann ist der Pegida Gesicht und Führungsperson verloren gegangen. Hitler-Selfie und Ausländerhetze des 41-Jährigen haben Schaden angerichtet. Wohin geht es mit Pegida nun - und mit wem?

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© dpa

Von Martin Fischer

Dresden. Der Rücktritt Lutz Bachmanns reißt eine tiefe Lücke in die Führungsriege der Pegida. Über ein Selfie mit Hitler-Bärtchen und menschenverachtende Beleidigungen gegen Ausländer ist der Frontmann der Dresdner Demonstrationen gestolpert. Und das jetzt, da die Bewegung an einem Scheideweg steht.

Denn wurde Pegida von vielen Politikern lange als Sammelbecken für latent fremdenfeindliche und sich unverstanden fühlende Ossis abgetan, hat sich das Bild jüngst gewandelt. Berechtigte Sorgen und Ängste sollen nun gehört und aufgenommen werden. Das Zauberwort: Dialog - auch mit der Pegida-Führung.

Es sei eine andere Wahrnehmung im Land spürbar, meint auch Pegida-Sprecherin Kathrin Oertel. „Diesen Prozess wollen wir kontinuierlich vorantreiben“, schreibt sie in der Erklärung, in der sie auch den Rücktritt Bachmanns verkündet. Fraglich ist nur, ob es der Mobilisierung von Pegida nützt, wenn es in der Diskussion weniger um grobe Schwarz-Weiß-Bilder und mehr um Grautöne gehen sollte.

Und überhaupt: Wen meint Oertel mit „wir“? Bachmann wird wohl nicht mehr dabei sein, zumindest nicht offiziell. Im Gegensatz zu ihm und Oertel haben sich die übrigen zehn Mitglieder des Pegida-Vereinsvorstandes bislang im Hintergrund gehalten.

Gleich nach Bekanntwerden seiner kriminellen Vergangenheit - Bachmann ist wegen Einbruchs- und Drogendelikten vorbestraft und hat mehrfach im Gefängnis gesessen - hatte der 41-Jährige schon einmal seinen Rückzug aus der ersten Reihe angekündigt, aber dann nie vollzogen. Ob zum Wohle der Bewegung oder aus Eitelkeit? Die Öffentlichkeit genießt er jedenfalls sichtlich.

Und Fans hat er auch weiterhin. „Ihr werdet ungemütlich für die Politiker, da musste ja was kommen“, kommentiert Rose Marie auf der Facebook-Seite der Pegida den Rücktritt. Ein anderer will Bachmann trotz seiner demaskierenden Facebook-Posts und der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung zum Pegida-Ehrenvorsitzenden machen - „ob seiner Verdienste um die Demokratie“.

Oertel ihrerseits ist spätestens seit ihrem Auftritt letzte Woche bei Günther Jauch auch über Dresden hinaus bekannt. Die 36-Jährige mit ihren langen blonden Haaren und den zu Strichen gezeichneten Augenbrauen hat sich aber bei den Kundgebungen schon in den letzten Monaten zum weiblichen Gesicht der Pegida entwickelt.

Der Dresdner Politik-Professor und Pegida-Kenner Werner J. Patzelt glaubt, dass das bisherige Führungsduo von der rasanten Entwicklung überrascht und überfordert ist. Noch sei unklar, ob die Kompetenz der dreifachen Mutter aus Coswig bei Meißen ausreicht, um professionell Politik zu machen. „Ein halbwegs gelungener Auftritt bei Günther Jauch macht ja noch keine Timoschenko“, gibt er zu bedenken.

Über die Nachfolge an der Spitze der Bewegung sei noch nicht entschieden, sagt Oertel dem Berliner „Tagesspielgel“. Zwar sei es nach dem deutschen Vereinsrecht notwendig, einen Vorsitzenden zu wählen, doch das sei „nur eine Formsache und hat keine Bedeutung“.

Für Oertel, die an diesem Freitag 37 wird, geht es nun darum, die Reihen geschlossen zu halten und ein klares Profil zu zeigen, aus dem deutlich wird, dass die Beteuerungen glaubhaft sind, nicht fremdenfeindlich und rechtsaußen zu sein. Und das gilt auch für die Ableger, die sich in ganz Deutschland gebildet haben, teils mit Verbindungen in die rechte Szene.

Den Führungsanspruch und das Markenrecht hat Oertel für das Dresdner Original bereits angemeldet. Zu Kögida, Bogida und Dügida in Köln, Bonn und Düsseldorf gingen die Sachsen bereits auf Abstand, da hier die rechtsextreme Partei Pro NRW im Hintergrund steht.

Und auch mit der Leipziger Legida liegt Pegida im Clinch. Die Führung des Leipziger Ablegers - den der sächsische Verfassungsschutz unter dem Einfluss von Rechtsextremisten sieht - lehnt es bisher ab, den unverfänglichen Pegida-Forderungskatalog zu übernehmen. „Das kann sich für die einheitliche Wahrnehmung unserer Bewegung als kontraproduktiv erweisen“, warnt Oertel.

Ein einheitliche Bild braucht eine einheitliche Führung, so ist das in der Politik. Sie wolle aber gar keine Politikerin sein, betont Oertel immer wieder, sieht sich selbst als „eine ganz normale Frau aus dem Volk.“ Ob ihr das gelingt, bleibt abzuwarten. (dpa)