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Uhrmacher halten die Zeit an

Rolf-Alexander und Ivo Scholze haben Bautzens Rathausuhren auf Winterzeit umgestellt – mit einem einfachen Trick.

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© Carmen Schumann

Von Carmen Schumann

Bautzen. Den Weg kennen Rolf-Alexander und Ivo Scholze beinahe schon im Schlaf. Unzählige Male sind die beiden Uhrmachermeister schon auf Bautzens Rathausturm geklettert. Denn die Turmuhren werden seit Jahrzehnten von der Bautzener Uhrmacher-Dynastie Scholze gehegt und gepflegt. Sowohl Rolf-Alexander als auch sein Neffe Ivo denken gerne daran zurück, wie sie einst Altmeister Rainer Scholze schon als Kinder zur Hand gehen durften. Rolf-Alexander Scholze erinnert sich, dass sein Vater sogar noch kurz vor seinem Tod den für ihn immer beschwerlicher werdenden Weg auf sich nahm. Seine Liebe zum Beruf habe einfach auf seine Nachkommen abgefärbt, darin sind sich Onkel und Neffe einig. Der 36-jährige Ivo Scholze kann sich einfach keinen besseren Beruf vorstellen.

Am Wochenende hatte er nun wieder eine besondere Aufgabe zu erledigen: Die beiden Rathausturm-Uhren mussten auf Winterzeit umgestellt werden. Dazu betritt der Uhrmacher das Rathaus von der Rückseite aus. Dabei vermeidet er es, Licht im Treppenhaus anzumachen – damit Passanten nicht denken, Einbrecher seien am Werk. Die Laternen vom Fleischmarkt spenden genügend Licht.

Im Allerheilgsten

Erst auf dem Dachboden des Rathauses angekommen, knipst der Uhrmacher das Licht an. Nun muss er noch eine Pforte durchqueren, bei der es nicht ohne Bücken geht. Dann noch eine knarrende Holztür aufgeschlossen – und Ivo Scholze befindet sich im Allerheiligsten des Rathauses: In einem Kämmerchen steht es, das Uhrwerk, welches beide Rathausuhren antreibt. Direkt hinter dem grasgrün angestrichenen Uhrwerk befindet sich hinter dem Mauerwerk die rechteckige Uhr mit den goldenen Zeigern, ein paar Meter weiter oben die einfache runde Uhr. Die obere Uhr ist durch ein Gestänge und Zahnräder mit dem Uhrwerk verbunden. Gleichmütig tickt es vor sich hin.

Doch nun muss Ivo Scholze in das Getriebe eingreifen. Der Trick ist denkbar einfach: Er bringt einfach das Pendel zum Stillstand. Beherzt greift er an die sogenannte Pendel-Linse und hält sie fest. Schon steht das Räderwerk. Nun hat der Uhrmachermeister zwei Möglichkeiten: Entweder er hält sich eine Stunde auf dem Turm auf und setzt dann das Pendel wieder in Bewegung. Oder er steigt vom Turm herab und in einer Stunde wieder hinauf, um das Pendel wieder anzustupsen. Theoretisch gebe es auch die Möglichkeit, die Uhr um elf Stunden vorzustellen, aber dies sei eine viel zu große Belastung für das mechanische Uhrwerk. Deshalb verzichten Scholzes auf diese Variante der Zeitumstellung. Am Sonntagmorgen heißt es dann, noch einmal auf den Rathausturm zu steigen. Denn die Uhr zieht sich jeden Tag um 7 und 19 Uhr automatisch auf. Durch das Anhalten des Pendels kommt die Mechanik aber durcheinander. Deshalb muss der Uhrmachermeister die an rund 15 Meter langen Ketten hängenden Gewichte des Stundenschlagwerkes mithilfe einer Kurbel wieder auf gleiche Höhe bringen. Außerdem muss er auf dem sogenannten Minutenrad nachsehen, ob die Zeiger der Uhr korrekt stehen.

Kräftiges Uhrwerk

Bei Sturm, wie es an diesem Wochenende der Fall war, können sich die über zwei Meter großen Zeiger der rechteckigen Uhr durchaus schon mal verschieben. Doch dank des kräftigen Uhrwerkes sind die Zeiger auch diesmal nicht aus dem Takt geraten, stellt Rolf-Alexander Scholze, der am Sonntagmorgen den Turmdienst versieht, zufrieden fest. Das Uhrwerk stammt aus der „Thurmuhrenfabrik Bernhard Zachariä“ aus Leipzig. Das ist die älteste heute noch bestehende Firma dieser Art in Deutschland.

2014 haben Rainer, Rolf-Alexander und Ivo Scholze das Uhrwerk noch gemeinsam generalüberholt, indem sie es auseinander- und wieder zusammenbauten. Eines der wenigen noch vorhandenen mechanischen Turm-Uhrwerke Deutschlands zu betreuen, macht für sie den einzigartigen Reiz aus, sagen die beiden Uhrmachermeister. „So eine Uhr ist ganz was Tolles“, meint Ivo Scholze. Deshalb sei es für ihn und seinen Onkel Ehrensache, die Betreuung ehrenamtlich zu übernehmen.