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"Unterwerfung ist kein Frieden": Streit in UN-Sicherheitsrat um Ukraine-Krieg

China fordert Gesprächen "ohne Vorbedingungen" - was weder Russen noch Ukrainer wollen. Im UN-Sicherheitsrat zeigt sich, wie weit Frieden entfernt ist. Außenministerin Baerbock wird deutlich.

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Bei der Sondersitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) am Jahrestag des Beginns des russischen Überfalls auf die Ukraine wird deutlich, wie weit weg eine Friedenslösung ist.
Bei der Sondersitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (UN) am Jahrestag des Beginns des russischen Überfalls auf die Ukraine wird deutlich, wie weit weg eine Friedenslösung ist. © Bernd von Jutrczenka/dpa (Symbolbild)

New York. In einer von Attacken geprägten Debatte hat Außenministerin Annalena Baerbock im UN-Sicherheitsrat dazu aufgerufen, sich Russlands Präsident Wladimir Putin entgegenzustellen. "Dieser Krieg ist nicht der Krieg des russischen Volkes. Dieser Krieg ist Putins Krieg", sagte die Grünen-Politikerin am Freitag in einer Sondersitzung in New York zum ersten Jahrestag des russischen Einmarschs in die Ukraine. "Der russische Präsident riskiert die Zukunft seines eigenen Landes." Ein gerechter Frieden sei auch im Interesse der Menschen in Russland.

Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja warf den westlichen Ukraine-Unterstützern - auch Deutschland - vor, Russland zerstören zu wollen. Das Wort "Frieden" werde unaufrichtig verwendet, sagte Moskaus Vertreter bei den Vereinten Nationen: "Gemeint ist eine Kapitulation Russlands, die Russland im Idealfall eine strategische Niederlage zufügt, gefolgt von der Auflösung des Landes und der Neuordnung der Gebiete."

Mit Blick auf Russland sagte Baerbock weiter: "Ich mache mir keine Illusionen: Wir werden den russischen Vertreter heute nicht überzeugen." Nebensja höre noch nicht einmal zu - der russische Diplomat war bei ihrer Rede nicht im Saal. Chinas Vertreter Dai Bing forderte Gespräche zwischen Moskau und Kiew "ohne Vorbedingungen". Russland und China sitzen als Ständige Mitglieder im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen, ebenso wie die USA, Frankreich und Großbritannien. Deutschland hat dort derzeit keinen Sitz.

Das hochrangig besetzte Treffen zum Jahrestag des Kriegsbeginns wurde mehrfach von diplomatischen Winkelzügen aufgehalten. Zu Beginn versuchte Nebensja zu verhindern, dass der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba vor den Mitgliedern des Sicherheitsrats sprechen darf, kam damit aber nicht durch. Als Kuleba am Ende seiner Rede ein Schweigeminute für die Opfer des Krieges initiierte, ergriff Nebensja das Wort und forderte, dass die Schweigeminute den Opfern auf allen Seiten seit 2014 gelten solle.

In seiner Rede gab Kuleba sich siegessicher: "Putin wird viel früher verlieren, als er denkt". Er forderte erneut die Einrichtung eines Sondertribunals mit besonderer Zuständigkeit für das Verbrechen eines Angriffskrieges und erwähnte dabei das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal nach dem Zweiten Weltkrieg als Vorbild.

Kuleba hob erneut hervor, dass Tausende Kinder nach Russland verschleppt worden seien. "Wahrscheinlich der größte Fall von staatlich geförderter Entführung von Kindern in der Geschichte unserer modernen Welt." Russland weist die Vorwürfe zurück.

Wohl in Anspielung auf ein neues Positionspapier Chinas warnte US-Außenminister Antony Blinken vor einem "vorübergehenden oder bedingungslosen" Waffenstillstand. "Russland wird jede Kampfpause nutzen, um die Kontrolle über das illegal eroberte Gebiet zu festigen und seine Streitkräfte für weitere Angriffe aufzustocken." Die Mitglieder des Sicherheitsrats sollten sich daher nicht von Forderungen nach einem Waffenstillstand täuschen lassen.

China hatte zuvor zu einem Waffenstillstand im Krieg gegen die Ukraine aufgerufen. Zudem wird in dem Dokument eine baldige Wiederaufnahme von Verhandlungen gefordert. Baerbock betonte am Ende ihrer Rede: "Was wir tun können, ist, für eine Welt einzutreten, in der Frieden Frieden bedeutet." Man dürfe nicht "ignorieren, wer der Angreifer und wer das Opfer ist", so Baerbock. "Denn Unterwerfung ist kein Frieden." (dpa)

Inhalt des von China veröffentlichten Positionspapiers

  • Waffenstillstand: "Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und letztendlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen", heißt es.
  • Zurückhaltung: "Alle Parteien müssen rational bleiben, Zurückhaltung üben und vermeiden, die Flammen anzufachen, und verhindern, dass sich die Krise weiter verschlechtert oder sogar außer Kontrolle gerät." Mit dieser Argumentation wendet sich China gemeinhin immer gegen Waffenlieferungen des Westens an die Ukraine.
  • Unantastbarkeit: Zu Beginn des Papiers fordert China, dass die Grundsätze der Vereinten Nationen streng beachtet werden müssten. "Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder muss wirksam aufrechterhalten werden." Dass sich Russland dafür zurückziehen müsste oder was mit russischen besetzten Gebieten geschehen soll, wurde nicht thematisiert.
  • Sicherheit: Das Dokument bekräftigt, dass die "legitimen Sicherheitsinteressen aller Länder ernst genommen" werden müssten. Dahinter sehen Diplomaten einen Hinweis auf Russlands Argumentation, sich gegen die USA und die Nato verteidigen zu müssen. Die "Mentalität des Kalten Krieges" müsse beendet werden, argumentiert China ähnlich weiter. Die Sicherheit eines Landes solle nicht auf Kosten anderer gehen. "Block-Konfrontation" müsse vermieden werden - ein Vorwurf, den China meist gegen die USA erhebt. Ohne die Nato zu nennen, argumentiert das Papier, die Sicherheit einer Region solle nicht durch die Stärkung oder Ausweitung militärischer Blöcke erreicht werden.
  • Atomgefahr: "Atomwaffen dürfen nicht eingesetzt werden, und Atomkriege dürfen nicht ausgefochten werden." Auch die Drohung mit dem Einsatz nuklearer Waffen sei abzulehnen - eine Formulierung, die sich indirekt gegen Moskau richten könnte.
  • Sanktionen: Entschieden fordert China ein Ende der Sanktionen gegen Russland, "die nur neue Probleme schaffen". "China lehnt einseitige Sanktionen ab, die nicht vom UN-Sicherheitsrat autorisiert sind." In dem höchsten UN-Gremium sitzen Russland und China als Vetomächte, sie können also jedwede Sanktionen verhindern.