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Deutschland will Panzer an die Ukraine liefern

Kanzler Scholz sagt nach einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden Marder-Panzer und ein Raketenabwehrsystem zu. Ukraines Präsident Selenskyj meldet sich am Abend.

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Deutschland liefert nun doch Marder-Panzer direkt an die Ukraine.
Deutschland liefert nun doch Marder-Panzer direkt an die Ukraine. © dpa

Nach monatelangem Zögern liefern Deutschland und die USA der Ukraine nun erstmals Schützenpanzer für den Kampf gegen die russischen Angreifer. Die Bundesregierung stellt der Ukraine zudem ein Patriot-Flugabwehrsystem zur Verfügung. Das vereinbarten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Präsident Joe Biden am Donnerstag in einem Telefonat, wie es anschließend in einer gemeinsamen Erklärung hieß.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte Scholz für die angekündigte Lieferung des Flugabwehrsystems. "Zusammen mit dem früher gelieferten Iris-T-System und den Gepard-Flugabwehrpanzern leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag dazu, dass alle russischen Raketen abgefangen werden!", schrieb Selenskyj am Donnerstagabend auf Twitter. Zu den ebenfalls von der Bundesregierung zugesagten Schützenpanzern vom Typ Marder äußerte sich der ukrainische Staatschef zunächst nicht.

Deutschland will den ukrainischen Streitkräften Dutzende Exemplare des Schützenpanzers Marder liefern, der vor mehr als 50 Jahren für die Bundeswehr entwickelt wurde. Die USA schicken Panzer vom Typ Bradley. Es handelt sich um die ersten Schützenpanzer westlicher Bauart, die die Ukraine erhält. Bisher wurden von osteuropäischen Staaten nur sowjetische Modelle in das Kriegsgebiet geliefert. Allerdings erhielt die Ukraine Flugabwehr-, Transport- oder Bergepanzer westlicher Hersteller.

Scholz und Biden bekräftigten in dem Telefonat "ihre unverbrüchliche Solidarität mit der Ukraine und der ukrainischen Bevölkerung im Angesicht der entfesselten Aggression der Russischen Föderation". Sie würdigten auch die militärische Unterstützung durch andere Verbündete.

Macron leitet offenbar Umdenken ein

Die Ukraine hatte die westlichen Alliierten und insbesondere Deutschland monatelang um Kampf- und Schützenpanzer gebeten. Scholz hatte immer wieder betont, dass Deutschland in dieser Frage nicht im Alleingang handeln werde und darauf verwiesen, dass bisher kein anderes Nato-Land solche Panzer in die Ukraine geschickt habe.

Der Kurswechsel deutete sich bereits am Mittwoch an, als der französische Präsident Emmanuel Macron dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schwer bewaffnete Spähpanzer zusagte. Gleichzeitig stellte Biden die Schützenpanzer in Aussicht.

Rheinmetall hat noch 60 Marder übrig

Nach Angaben aus Regierungskreisen sollen "mehrere Dutzend" Marder in die Ukraine geliefert werden. Bereits im Sommer hatte das Düsseldorfer Rüstungsunternehmen Rheinmetall 100 der Schützenpanzer für die Ukraine angeboten. Inzwischen sind davon 40 für Griechenland bestimmt, das dafür Schützenpanzer sowjetischer Bauart in die Ukraine liefert. Weitere 60 Marder könnten also an die Ukraine abgegeben werden. Die Arbeiten zur Instandsetzung und Überholung der Waffensysteme laufen seit einigen Monaten und sind teils auch schon abgeschlossen.

Die Amerikaner gelten als wichtigster Verbündeter im Abwehrkampf der Ukraine gegen die russische Invasion. Seit dem Beginn von Bidens Amtszeit im Januar 2021 stellten die Vereinigten Staaten Militärhilfe für die Ukraine in Höhe von knapp 22 Milliarden US-Dollar bereit.
Die Amerikaner haben Kiew dabei bereits verschiedene schwere Waffensysteme zur Verfügung gestellt oder zugesagt, darunter die Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars, die den russischen Streitkräften mitunter schwere Verluste zufügen.

Deutschland zieht bei Patriots nach

Beim Besuch von Selenskyj kurz vor Weihnachten in Washington hatte Biden Kiew dann auch die Lieferung eines Flugabwehrsystems vom Typ Patriot zugesichert. Auch das bedeutete bereits eine neue Qualität der Rüstungshilfe für die Ukraine. Deutschland zieht nun nach. Zunächst hatte es aus der Bundesregierung geheißen, die Bundeswehr könne nach einer Zusage an Polen keine Patriots mehr entbehren. Auch hier gibt es also ein Umdenken.

Insgesamt hat Deutschland der Ukraine seit Kriegsbeginn am 24. Februar Waffen und militärische Ausrüstung im Wert von 2,25 Milliarden Euro geliefert, darunter Panzerhaubitzen (schwere Artilleriegeschütze), Flugabwehrpanzer Gepard und das Flugabwehrsystem Iris-T, das eine ganze Großstadt schützen kann.

Erleichterung bei den Koalitionspartnern

Die Koalitionspartner FDP und Grüne hatten Scholz lange Zeit zur Lieferung von Kampf- und Schützenpanzern gedrängt. Nach der Entscheidung für die Marder-Lieferung herrschte dort zunächst einmal Erleichterung.

"Wir haben seit Kriegsbeginn unsere Unterstützung im Zusammenspiel mit unseren Partnern immer stärker ausgeweitet. Es ist folgerichtig, dass wir auch diesen Schritt gehen", erklärte Vizekanzler Robert Habeck von den Grünen. "Die Ukraine hat das Recht, sich selbst gegen den russischen Angriff zu verteidigen, und wir haben die Pflicht, ihr dabei zu helfen."

Strack-Zimmermann fordert nun auch Leopard 2

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann forderte allerdings auf Twitter noch mehr Unterstützung für die Ukraine. "Wir werden die unschuldigen Menschen nicht im Stich lassen. Und wir sind weiter gefordert."

Das meint auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Sie begrüßte zwar, dass "speziell das Kanzleramt" endlich den Weg für die Lieferung der Marder frei gemacht habe. "Es kommt sehr spät, aber nicht zu spät. Unser Einsatz hat gewirkt", schrieb sie auf Twitter, stellte aber gleich die nächste Forderung. "Wir lassen nicht locker. Nach dem Marder kommt der Leopard." Die Ukraine fordert seit Monaten auch die Lieferung der schweren deutschen Kampfpanzer vom Typ Leopard 2.