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Es wird lange dauern, bis die deutschen Panzer in Kiew ankommen

Deutschland will jetzt doch schwere Waffen an die Ukraine liefern, den Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard. Das aber kann dauern. Sehr lange sogar.

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Deutschland schickt schwere Waffen in die Ukraine: Der Gepard-Panzer soll zur Flugabwehr dienen. Aber bis die Fahrzeuge im Krieg einsatzbereit sind, könnte es Monate dauern.
Deutschland schickt schwere Waffen in die Ukraine: Der Gepard-Panzer soll zur Flugabwehr dienen. Aber bis die Fahrzeuge im Krieg einsatzbereit sind, könnte es Monate dauern. © dpa/Maurizio Gambarini

Von Malte Lehming

Der Bundestag hat mit einem gemeinsamen Antrag der Union und der regierenden Ampel-Parteien für eine Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gestimmt. Mit großer Mehrheit von 586 Stimmen forderten die Abgeordneten die Bundesregierung auf, die "Lieferung benötigter Ausrüstung an die Ukraine fortzusetzen und wo möglich zu beschleunigen und dabei auch die Lieferung auf schwere Waffen und komplexe Systeme etwa im Rahmen des Ringtausches zu erweitern". Die Fähigkeiten Deutschlands zur Bündnisverteidigung dürften dabei nicht gefährdet werden. Mit Nein stimmten 100 Abgeordnete, 7 enthielten sich. Damit wurde gewissermaßen die nächste Zeitenwende markiert.

Positionen seien verändert worden, "die über viele, viele Jahre in Deutschland gegolten haben", sagte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei einer Konferenz von rund 40 Staaten auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Die Ampelkoalition habe entschieden, "dass wir die Ukraine unterstützen werden mit einem Flugabwehr-Panzer, mit Geparden. Das ist genau das, was die Ukraine jetzt braucht, um den Luftraum zu sichern." Was aber jetzt gebraucht wird, dürfte lange auf sich warten lassen.

Mehr als zehn Jahre lang wurde der Gepard nicht gewartet

Der "Flugabwehrkanonenpanzer Gepard" wurde vor zehn Jahren bei der Bundeswehr ausgemustert und lagert seitdem bei dessen Hersteller, dem Konzern Krauss-Maffei Wegmann. In dieser Zeit wurde er nicht gewartet. "Eines von vielen Problemen besteht darin, die Panzer wieder in einen Zustand zu bringen, dass sie wieder funktionieren", sagt Oberst a. D. Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

"Es muss eine Ersatzteilkette aufgebaut und ein Instandsetzungsteam ausgebildet werden", sagt Richter. Außerdem müssten ukrainische Soldaten geschult werden, die Abwehrpanzer zu bedienen. Das dauere mindestens sechs bis acht Wochen. Bis ein Gepard in der Ukraine zum Einsatz kommt, dürften mehrere Monate verstreichen, "wahrscheinlich erst zum Jahresende", sagt Richter. "Für die Abwehr der jetzigen russischen Offensive kommen sie auf jeden Fall zu spät."

Unklar ist, woher die Munition kommt

Zur selben Einschätzung gelangt Gustav Gressel vom "European Council on Foreign Relations". Es brauche Zeit zum Training der Besatzung und dem Aufbau einer Instandsetzungskette. Weil der Gepard unter allen diskutierten Systemen das komplexeste sei, sagt Gressel, werde es "mindestens sechs Monate dauern", bis der auch im Gefecht zu sehen sei, "und dann wäre man wirklich, wirklich schnell". Langfristig habe die Ukraine allerdings durchaus Bedarf an Waffen aus westlicher Produktion.

Unklar war eine Zeitlang, woher die Munition für den Gepard kommt. Ein Großteil werde in der Schweiz produziert und dürfe nicht reexportiert werden, sagt Gressel. Die Bundesregierung versichert indes, dass Munition bereits im "außereuropäischen Ausland" beschafft worden sei. Insbesondere Brasilien, aber auch Südafrika und die Türkei gelten als weitere Produktionsländer.

"Eine leicht durchschaubare Nebelkerze"

Der Gepard wurde entwickelt, um die Soldaten der Bundeswehr im Gefechtsfall vor Kampfhubschraubern und tieffliegenden Flugzeugen zu schützen. Gegnerische Jets, Raketen und Drohnen können mit Hilfe eines Radars geortet und mit zwei 35-Millimeter-Geschützen abgeschossen werden – je Waffe mit etwa 550 Schuss pro Minute.

Etwa 2000 Firmen waren an der Produktion der rund 200.000 Teile beteiligt, aus denen ein Gepard besteht – darunter Krauss Maffei Wegmann, Blohm & Voss, Siemens. Die Komplexität des elektronisch gestützten Flugabwehrsystems schlug sich denn auch im Preis nieder. Im Jahre 1976 kostete ein Leopard 1 A4 rund 1,7 Millionen D-Mark, ein Gepard B2 dagegen 5,4 Millionen D-Mark.

Vor anderthalb Jahren genehmigte die damalige Bundesregierung die Ausfuhr von 15 Gepard-Panzern an Katar, inklusive Munition und Ersatzteilen. Sie sollen offenbar während der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 gegen mögliche terroristische Drohnenangriffe eingesetzt werden.

Henning Otte (CDU), stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, kritisierte die Ankündigung der Regierung, den Gepard nun auch in die Ukraine liefern zu wollen, als leicht durchschaubare "nächste Nebelkerze". Es werde vorgegeben, schwere Waffen zu liefern, aber gleichzeitig sichergestellt, "dass sie nicht rechtzeitig im Einsatz genutzt werden können".