Meißner Landrat: "Unsere Hilfe für die Ukraine darf nicht verpuffen"

Herr Hänsel, Sie haben zur Lage in der Ukraine mit Ihrem polnischen Amtskollegen in Ostrzeszów etwa 600 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, gesprochen? Was sagt er?
Meine polnischen Kollegen sind ja noch viel näher dran. Sie wirken sehr angefasst, es geht ihnen nahe. Wir haben ihnen unsere Hilfe angeboten. In Ostrzeszów arbeiten viele Ukrainer, sie haben ganz enge Beziehungen zueinander. Die Hilfe dort zu koordinieren, ist nicht einfach.
Wie hilft der Landkreis Meißen der Ukraine?
Wir werden uns mit allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern am Mittwoch in einer Videokonferenz abstimmen. Dabei schauen wir zunächst nach Möglichkeiten der Unterbringung, auch in Hotels, sowie nach den sicherlich notwendigen Plätzen in Kitas oder Schulen. Die Finanzierung wird über den Freistaat geregelt.
Auf jeden Fall werden wir mit den Elblandkliniken auch medizinische Unterstützung leisten, Versorgungsgüter in die Ukraine liefern oder sogar Patienten aufnehmen. Die Federführung bei der Hilfskoordination wird die Erste Beigeordnete Janet Putz übernehmen. Am Donnerstag werden wir auch im Kreistag darüber sprechen, vielleicht eine Spendenaktion mit der Sparkasse Meißen zu starten.
Können wir an den Elblandkliniken auch Verwundete aufnehmen?
Prinzipiell können wir das. Aber wir sind hier nicht spezialisiert auf die Behandlung von Schussverletzungen.

Die EU rechnet mit bis zu sieben Millionen Flüchtlingen, das sind sicher Tausende für den Landkreis Meißen. Wie organisieren Sie die Unterbringung?
Noch haben wir keine offiziellen Flüchtlinge hier. Aber sie werden kommen. Die Organisation der Unterbringung steht für uns ganz oben auf der Agenda. Es gibt einen Verteilmechanismus auf Bundes-, Freistaats- und Landkreis-Ebene. Noch sind 240 Plätze von insgesamt 1.800 frei.
Viele Unterkünfte sind in keinem guten Zustand, so wie die Heimschule in Moritzburg. Können Sie das so schnell ändern?
So schnell nicht. Aber wir werden es tun, da ja die finanziellen Mittel sicher zur Verfügung gestellt werden. Natürlich müssen wir für die Unterbringung von Familien, vor allem von Frauen und Kindern, andere Maßstäbe anlegen als bei jungen Männern, die nach 2015 zu uns kamen.
Flüchtlinge aus der Ukraine zählen nicht als Asylbewerber, sie sollen bis zu drei Jahre temporären Schutz in der EU erhalten. Sie dürfen auch arbeiten. Haben wir genug Jobs?
Wir können davon ausgehen, dass die Flüchtlinge - zumindest teilweise - gut ausgebildet sind und unseren Arbeitsmarkt, der ja von einem Fachkräftemangel geprägt ist, sogar bereichern können. Dabei sollten wir beachten, dass die Flüchtlinge sicher eine Weile bei uns bleiben.
Sie werden einen Aufenthaltsstatus für drei Jahre erhalten. Im Moment kommen vor allem Frauen und Kinder, aber in Zukunft werden es vielleicht auch Männer sein. Vielleicht auch ehemalige Soldaten. Es wird wieder auf eine gute Integration und Sprachschulung ankommen.
Überrascht Sie diese enorm große Hilfsbereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen?
Ja, diese große Welle der Hilfsbereitschaft macht mich sehr froh.
Was kann der Einzelne tun, wenn er der Ukraine helfen möchte?
Jeder kann einfach selbst etwas tun, sich aber auch melden, denn wir müssen die vielen Hilfsangebote bündeln und zentral steuern, damit die Hilfe nicht verpufft. Natürlich werden wir auch die Transportwege überprüfen. Denn es macht ja keinen Sinn, wenn unsere Hilfe vielleicht abgefangen wird.
Haben Sie vielleicht auch Kontakt mit der russischen Community im Landkreis? Wie verhält sie sich?
Direkten Kontakt habe ich nicht. Wir haben ja eine russische Community im Landkreis. Wie zu hören war, sind auch sie überrascht vom Vorgehen Putins.
Wie wird der Konflikt enden?
Ich bin bestürzt über diesen Krieg in Europa, habe große Befürchtungen und auch Angst. Die letzte Woche habe ich immer gehofft, dass es nicht zu einem Krieg kommt, aber es ist trotzdem passiert. Ähnlich war es, als Putin die Krim überfallen hat. Auch das konnte ich mir nicht vorstellen.
Ich möchte mir nicht ausmalen, was alles noch passieren kann. Wir können in den Krieg nicht aktiv eingreifen, weil das die Lage weiter verschlimmern würde. Aber es macht mich froh, dass so viele Menschen und die ganze Welt der Ukraine helfen möchten.
Das Gespräch führte Ulf Mallek.