Update Politik
Merken

Olaf Scholz: "Es darf keinen Atomkrieg geben"

Bundeskanzler Scholz warnt, dass die Nato nicht zur Kriegspartei werden darf. Das betrifft auch deutsche Waffenlieferungen. Er bekommt Rückendeckung von Macron.

 3 Min.
Teilen
Folgen
Bundeskanzler Olaf Scholz will im Russland-Ukraine nicht auf Umfragewerte schielen.
Bundeskanzler Olaf Scholz will im Russland-Ukraine nicht auf Umfragewerte schielen. © dpa

Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz hat es als oberste Priorität seiner Ukraine-Politik bezeichnet, ein Übergreifen des Krieges auf die Nato zu vermeiden. "Es darf keinen Atomkrieg geben", sagte er in einem am Freitag veröffentlichten Interview des "Spiegel". "Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt."

Scholz erinnerte in diesem Zusammenhang an sein Nein zu einer Flugverbotszone über der Ukraine, die nur durchzusetzen gewesen wäre, wenn man auch zum Abschuss russischer Flugzeuge bereit gewesen wäre. Damit wäre die Nato zur Kriegspartei geworden, sagte der Kanzler. "Ich habe sehr früh gesagt, dass wir alles tun müssen, um eine direkte militärische Konfrontation zwischen der Nato und einer hochgerüsteten Supermacht wie Russland, einer Nuklearmacht, zu vermeiden."

Westliche Waffen für die Ukraine?

Auch mit Blick auf die Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine wird derzeit darüber diskutiert, ob Nato-Länder deswegen von Russland als Kriegspartei wahrgenommen werden könnten. Scholz sagte dazu, es stehe in keinem Lehrbuch, ab wann man als Kriegspartei wahrgenommen werde. "Das Buch wird täglich neu geschrieben, manche Lektionen liegen noch vor uns. Umso wichtiger ist es, dass wir jeden unserer Schritte genau überlegen und eng miteinander abstimmen", sagte Scholz. "Eine Eskalation in Richtung Nato zu vermeiden, hat für mich höchste Priorität. Deshalb schiele ich nicht auf Umfragewerte oder lasse mich von schrillen Rufen irritieren." Die Konsequenzen eines Fehlers wären dramatisch.

Mit der deutschen Industrie sei eine Liste von militärischer Ausrüstung erstellt worden, die rasch lieferbar sei. Sie sei mit dem ukrainischen Verteidigungsministerium besprochen. "Wie bisher also Verteidigungswaffen und Mörser für Artilleriegefechte." Truppentransporter und Artillerie seien schnell einsetzbar, sagte Scholz- Kurzfristig seien Waffen aus ehemaligen sowjetischen Beständen am sinnvollsten, mit denen die Ukrainer gut vertraut seien. Mittelfristig werde Deutschland der Ukraine dabei helfen, ihre Verteidigungsfähigkeit auszubauen, "auch mit westlichen Waffen".

Die Frage, ob er den Eindruck habe, dass Putin Atomwaffen einsetzen könnte, beantwortete Scholz nicht. Er verwies aber darauf, dass Russland wegen der Sanktionen und einer Kette militärischer Niederlagen in der Ukraine in dramatischen Schwierigkeiten stecke. "Putin steht gewaltig unter Druck", sagte er.

Scholz bekommt Rückendeckung von Macron

Nachdem der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die deutsche Strategie bei den Waffenlieferungen am Donnerstag mit deutlichen Worten kritisiert hatte, bekam Scholz am Freitag Rückhalt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron. "Wir haben die gleiche Strategie wie Kanzler Scholz: Wir helfen den Ukrainern auf maximale Weise. Aber sind sorgsam darauf bedacht, niemals Kriegspartei zu werden", sagte Macron den Zeitungen der Funke Mediengruppe, der französischen Zeitung "Ouest-France" und dem italienischen Blatt "Corriere della Sera".

Auch Macron warnte vor einem Atomkrieg. Anders als Scholz kündigte er aber nach langer Geheimhaltung der französischen Waffenlieferungen die Bereitstellung von schweren Artilleriegeschützen (Kaliber 155 Millimeter) an. Die Niederlande bestätigten, dass sie Panzerhaubitzen 2000 liefern. Über dieses moderne Geschütz, das bis zu 40 Kilometer weit schießen kann, verfügt auch die Bundeswehr in 120-facher Ausführung. Die niederländischen Streitkräfte haben dagegen nur 54 Haubitzen.

Die Bundeswehr soll nur noch einige leichte Waffen liefern. Scholz nannte Panzerabwehrwaffen, Panzerrichtminen und Artilleriemunition.

Aus der Ukraine kam erneut scharfe Kritik an den Staaten, die keine schweren Waffen bereitstellen. Außenminister Dmytro Kuleba sprach von "Heuchelei". "In manchen Fällen sehen wir, dass Länder etwas tun können, es aber unterlassen, weil sie keine schlechten Beziehungen zu Russland haben wollen", sagte Kuleba im rumänischen Bukarest, ohne konkrete Länder zu nennen. Die Ukraine hatte Deutschland aber in der Vergangenheit schon häufig zu große Nähe zu Russland vorgeworfen.

Scholz räumt Versäumnisse ein

Im Interview verteidigte Scholz auch die Russlandpolitik der SPD. "Die Sozialdemokratische Partei ist eine fest in das transatlantische Bündnis und den Westen eingebundene Partei, die die Vorwürfe, die da erhoben werden, nicht akzeptieren muss." Der SPD wird vorgeworfen, in den letzten Jahrzehnten zu sehr auf Annäherung zu Russland gesetzt und dabei Risiken außer acht gelassen zu haben.

"Seit Adenauers Zeiten gibt es diese verfälschenden und verleumderischen Darstellungen der Europa- und Russlandpolitik der SPD, das ärgert mich", sagte Scholz.

Er räumte aber ein, dass Deutschland sich in eine zu starke Abhängigkeit von russischem Gas begeben habe. Außerdem räumte er ein, dass man auf die Vereinnahmung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 härter hätte reagieren müssen. "Wir hätten mit einem Teil der Sanktionen, die wir jetzt verhängt haben, bereits auf die Annexion der Krim antworten sollen. Das hätte gewirkt." (dpa)