Wie Ukrainer den Wilden Westen in Rietschen erleben

Oksana Ruditsch hat eine neue Aufgabe für sich gefunden. Die studierte Juristin aus Kiew kocht mit anderen Freiwilligen für 450 Menschen auf der Forest Village Ranch in Daubitz-Walddorf. Eine Aufgabe, die ihr Spaß macht. Zudem lebte sie als Kind mit ihrer Familie in den 1980er Jahren in der DDR und kann sich deutsch verständigen. Das hilft ihr und ihren Landsleuten ungemein.
Denn sie alle sind Bestandteil des Camps der freien evangelischen Josua-Gemeinde Bautzen, das in diesem Jahr für eine Woche in der Westernstadt veranstaltet wird und am Freitag endet. Clemens Mudrich ist einer der Organisatoren dieses Camps. Das Gemeindemitglied sagt, dass dieses Sommercamp jedes Jahr an einem anderen Ort durchgeführt wird. Dieses Mal ist der Daubitzer Karnevalsverein der Gastgeber, der die Ranch betreibt. Für die Daubitzer ist es das erste Mal, dass sie ihre gesamte Westernstadt vermieten.

50 Kinder aus der Ukraine
Neu für die Josua-Gemeinde ist, dass sie zum ersten Mal ukrainische Menschen mit dabei haben. 50 Kinder und Jugendliche und acht Frauen zur Betreuung. Oksana Ruditsch ist eine von ihnen. Sie und die anderen Ukrainer sind der Gemeinde sehr dankbar, dass sie von ihr so herzlich aufgenommen wurden. Die Leute ihnen so viel Gutes getan haben.
Oksana Ruditsch hat inzwischen in Görlitz eine kleine Wohnung, in der sie mit ihren drei Chihuahua-Hunden lebt. Ihr Mann ist bei den Eltern in Kiew geblieben, deren Haus ebenso zerstört wurde wie viele andere in der Hauptstadt. Ihre Tochter hat ihr Sprachen-Studium in Polen beendet und hilft dort ukrainischen Kriegsflüchtlingen. Eigentlich wollte die 27-Jährige zurück in ihre Heimat. "Ich habe ihr abgeraten und gesagt, in Polen kannst du genauso gut helfen, wie zu Hause", sagt die Mutter.
Vier Monate auf Deutschkurs gewartet
Die Kiewerin möchte so gern wieder arbeiten. Mit ihren 367 Euro, die sie jetzt vom deutschen Staat bekommt, ist kein langes auskommen. "Nächste Woche beginnt endlich mein Deutschkurs, vier Monate habe ich darauf warten müssen. Aber ohne Deutsch zu können, kann ich nicht studieren", erzählt die 49-Jährige. Sie möchte in Deutschland bleiben und als Juristin arbeiten. "Hier dauert alles so lange, bis eine Entscheidung fällt", kritisiert sie die deutsche Bürokratie.
Diese Woche hat die Kiewerin mit den blonden, kurzen Haaren in der Küche zu tun. Dort geht es sehr international zu. Der Chefkoch kommt aus Brasilien. Deutsche, ukrainische Frauen und eine US-Amerikanerin teilen sich in die Küchenarbeit. Mary Brooks ist mit ihrer Tochter Piper aus Bentonville im Bundesstaat Arkansas angereist. Während Piper die Kinder im Camp betreut, steht Mary, von Beruf Ingenieurin, an den Kochtöpfen. Dass beide in Daubitz sind, geht auf die Verbindung zur Josua-Gemeinde zurück.

Mit zwölf Kindern begonnen
Ein Beispiel dafür, wie vernetzt die Gemeinde ist. "Hätten wir die vielen Helfer, Unterstützer und Sponsoren nicht, könnten wir so ein Camp nicht durchführen. Denn der Beitrag der Teilnehmer reicht bei weitem nicht aus", sagt Clemens Mudrich. Zudem sind die ukrainischen Gäste ohne eigenen finanziellen Beitrag eingeladen. Seit acht Jahren gibt es dieses Sommercamp. "Angefangen haben wir mit zwölf Teilnehmern, jetzt sind es 280. Dazu kommen 160 Personen als Betreuer, Helfer und weiteres Personal", zählt Clemens Mudrich auf. Inzwischen sind die einst als Kinder mitgereisten Teenager selbst Betreuer. "Wer einmal dabei ist, den lässt so ein Camp nicht wieder los", freut sich der Bautzener über das bleibende Interesse vieler.
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Die Josua-Gemeinde engagiert sich sehr in der Ukraine-Hilfe. Sie ist mit eine der ersten in Sachsen gewesen, die im März Reisebusse an die polnisch-ukrainische Grenze schickten, um Flüchtlinge nach Bautzen zu holen. Auch Teich-Touristik aus Steinölsa war in deren Auftrag mit Bussen in Richtung Ukraine unterwegs. Bisher wurden über 1.500 Flüchtlinge in Sicherheit gebracht. Rund 120 leben jetzt noch in der Gemeinde - und zwar in deren drei Zentren. Eines ist neben Bautzen die Neue Schule in Buchholz (Vierkirchen), ein anderes das Pfarrhaus in See (Niesky).
