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Wie Putin seinen Ukraine-Krieg verteidigt

Fernab der russischen Hauptstadt im Osten des Landes antwortet der Kremlchef auf Fragen zu seiner "Militäroperation" in der Ukraine.

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Wladimir Putin während seines Besuchs im  Kosmodrom Wostotschny im Osten Russlands.
Wladimir Putin während seines Besuchs im Kosmodrom Wostotschny im Osten Russlands. © E. Biyatov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Wostotschny. Von einer "Tragödie" in der Ukraine spricht der russische Präsident Wladimir Putin mit eisiger Miene auf dem neuen Weltraumbahnhof Wostotschny. Fast sieben Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich der Kremlchef bei dem Besuch im Fernen Osten am Dienstag den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zur Seite geholt, um einmal mehr öffentlich das Blutvergießen im Nachbarland zu rechtfertigen. Putin hat seit dem Start der Invasion stets darauf geachtet, dass es nicht so aussieht, als wäre er allein für den Krieg verantwortlich.

Der als "letzter Diktator Europas" kritisierte Lukaschenko ist Putin seit langem gewogen. Diesmal will der von Moskau wirtschaftlich abhängige Gast aus Minsk dem Kremlchef Dokumente mitgebracht haben, die beweisen sollen, dass nicht russische Soldaten Kriegsverbrechen in dem Kiewer Vorort Butscha verübt haben.

"Wir haben heute die psychologische Spezialoperation in Butscha erörtert, die die Engländer durchgezogen haben", sagt Lukaschenko. "Wenn sie die Adressen wollen, die Erkennungsworte, die Treffpunkte, wie sie gereist sind, dann kann ihnen der FSB der Russischen Föderation diese Informationen bereitstellen", behauptet Lukaschenko.

Tatsächlich beantwortet der einst von Putin geführte Inlandsgeheimdienst FSB, dem auch schwere Verbrechen angelastet werden, solche Anfragen nie. Aber für das Publikum des russischen Staatsfernsehens klingt es, als sei der Westen an allem Schuld. Putin bezeichnet dann auch die ukrainischen Vorwürfe zu russischen Kriegsverbrechen in Butscha als "Provokation" und "Fake". Die USA hätten in der Vergangenheit mutmaßliche Chemiewaffen im Irak als Vorwand genutzt für einen Einmarsch in das Land. "Genauso einen Fake gibt es in Butscha", sagt er. Beweise liefert er nicht.

Putin und Lukaschenko bei ihrer Ankunft mit dem Hubschrauber auf dem Östlichen Weltraumbahnhof Kosmodrom Wostotschny.
Putin und Lukaschenko bei ihrer Ankunft mit dem Hubschrauber auf dem Östlichen Weltraumbahnhof Kosmodrom Wostotschny. © M. Klimentyev/Russian President Press Office/TASS/dpa

Die Ukraine hingegen sieht es als erwiesen an, dass russische Truppen in Butscha ein Massaker unter Zivilisten angerichtet und Hunderte Menschen - teils gefesselt - erschossen zu haben. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und andere westliche Politiker sowie zahlreiche Experten und Journalisten haben Butscha besucht und dort selbst die Leichen gesehen. Russland spricht dennoch weiter von einer Inszenierung.

Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer hatte nach einem Besuch in Butscha und nach einem Treffen mit Putin am Montag in Moskau eine internationale Untersuchung des Kriegsverbrechens gefordert. Putin aber habe deutlich gemacht, einer solchen Untersuchung nicht zu trauen. Und auch auf Nehammers Äußerung, der russische Präsident folge nur noch einer "Kriegslogik", geht Putin ein.

Russland verfolge Ziele in der Ukraine und werde seine "militärische Spezialoperation" durchziehen, bis diese erreicht seien, betont Putin. Alles laufe nach Plan. Als er gefragt wird, ob die Operation nicht schneller abgeschlossen werden könne, meint er, dass dies zwar möglich sei, aber zulasten der Menschen in der Ukraine gehe. Die russische Armee gehe deshalb schrittweise vor. Und er versucht wieder, das auch von vielen Russen verurteilte Blutvergießen zu rechtfertigen. "Wir hatten keine andere Wahl", sagt Putin. Der Konflikt mit den "antirussischen Kräften in der Ukraine" sei nur eine Frage der Zeit gewesen.

Putin benutzt den Auftritt, um einmal mehr dem Westen die Verantwortung zu geben für den Krieg in der Ukraine. "Viele sagen, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, gegen Russland bis zum letzten Ukrainer zu kämpfen. Und so ist es auch", sagte Putin. Er wirft den USA seit langem vor, die Ukraine und die immer neuen Sanktionen als Druckmittel gegen Russland zu benutzen.

Auch der vermeintliche westliche "Wirtschaftskrieg" gegen die Rohstoffmacht sei gescheitert. "Dieser Blitzkrieg, auf den unsere Missgönner gesetzt haben, ist natürlich fehlgeschlagen, das ist offensichtlich", sagt er. Russlands Wirtschaft und Finanzsystem stünden "fest auf beiden Beinen". Dass Putin angesichts der Sanktionen und der Tausenden Toten und der massiven Zerstörung in der Ukraine einlenkt, ist nach seinen Äußerungen nicht in Sicht. Er zeichnet vielmehr ein düsteres Bild.

Die Ukraine sei inzwischen von früheren Vereinbarungen mit Russland im Zuge der Verhandlungen in der Türkei für ein Ende des Krieges wieder abgerückt. Nötig seien aber für alle Beteiligten annehmbare Vereinbarungen. "Und so lange das nicht so ist, wird die militärische Operation bis zu ihrem vollen Ende fortgesetzt", betont Putin. Dabei versichert er seinem Gast Lukaschenko, dass auch Belarus weiterhin Ort für die Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland sein könne. (dpa)