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Umsatzflaute am Wiener Platz

Die Händler am Hauptbahnhof kämpfen mit dem schlechten Image und den Einkaufszentren am Stadtrand.

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© René Meinig

Von Nora Domschke

In den vergangenen Jahren galt der Wiener Platz als Dresdens Schmuddelkind. Drogendealer, eine riesige Baugrube – der zentrale Platz vor dem Hauptbahnhof war kein Ort, an dem sich Besucher gern aufhielten. Mit dem schlechten Image kämpfen bis heute auch die Händler. Besonders deutlich wird das im Kugelhaus am Südende der Prager Straße. Bislang war es durch die als Wiener Loch bekannte Baugrube vom Rest der belebten und beliebten Geschäftsstraße abgeschnitten. Immer wieder eröffneten Läden, die sich nicht lange hielten. Heute ist das Wiener Loch bebaut – dennoch stehen große Flächen im Erdgeschoss und im ersten Stock leer. Auch das Geschäft in der Tiefgarage unterhalb des Wiener Platzes ist derzeit nicht vermietet.

An dieser Situation hat auch die Eröffnung des Einkaufsbahnhofs nichts geändert. Seit Mitte 2014 gibt es im Hauptbahnhof auf einer Fläche von 13 000 Quadratmetern mehr als 40 neue Läden. Sie ziehen nicht nur Bahnreisende, sondern auch Dresdner und Touristen an. Die Mieter der rund 260 neuen Wohnungen im Prager Carrée beleben den Wiener Platz zusätzlich. Wirkt sich das aber auf den Umsatz der dortigen Läden aus? Kaum ein Geschäftsinhaber will sich dazu äußern. Einer, der es tut, ist Jörg Pietsch. Seit 2006 betreibt er die Jack-Wolfskin-Filiale in der Prager Spitze, verkauft dort Outdoorkleidung und Ausrüstung. Trotz neuer Läden und der Belebung des Gebietes kämpft er am Wiener Platz mit sinkenden Umsätzen.

2011 eröffnete er ein zweites Geschäft in der Altmarktgalerie. Deshalb kann der 49-Jährige beide Handelsstandorte gut miteinander vergleichen. Weil er dokumentiert, wie viele Kunden in seine Läden kommen, weiß er: Am Wiener Platz werden es stetig weniger. Und damit auch die Einnahmen. Derzeit beschäftigt der Dresdner insgesamt 18 Mitarbeiter in beiden Filialen. In der Altmarktgalerie laufen die zwar Geschäfte besser, sagt Pietsch. „Weniger Kunden dürfen es aber nicht werden“, so sein Fazit. Der Geschäftsmann hat sich viele Gedanken darüber gemacht, warum der Handel am Wiener Platz nicht so gut läuft. Ja, es gibt durchaus Probleme mit Kriminalität, vor allem im vergangenen Jahr, sagt er. Rund drei Prozent seines Bestandes sei 2015 Langfingern zum Opfer gefallen. „Ein junges deutsches Mädchen hat mehrmals gestohlen“, erinnert sich Pietsch. Nicht nur bei ihm, auch im Supermarkt gegenüber.

In diesem Jahr gebe es weniger Diebstähle und auch die Drogendealer waren einige Wochen verschwunden, als es Anfang des Jahres mehrere Polizeirazzien gab. Nun sind sie wieder da. Die jungen Ausländer seien nicht aggressiv, „und verschwinden vor dem Schaufenster, wenn ich sie anspreche“, berichtet Pietsch. Allerdings würden sie immer mehr Alkohol trinken. Die sinkende Nachfrage liege aber nicht nur am Image des Wiener Platzes. Pietsch bemerkt seit einigen Monaten, dass generell weniger Menschen in der Dresdner Innenstadt unterwegs sind. Das sei besonders an den Sonnabenden spürbar. „2010 hatte ich an so einem Tag doppelt so viele Kunden, die etwas gekauft haben.“ Ihm fällt auf, dass vor allem die Besucher aus dem Dresdner Umland wegbleiben. Seine These: Viele fahren in die großen Einkaufszentren am Stadtrand. Zum Beispiel in den Elbepark. Der Standort in Kaditz wurde 2010 umgebaut und auch erweitert. Aus der offenen Ladenstraße wurde ein geschlossenes Einkaufszentrum mit 180 Geschäften auf 83 000 Quadratmetern Fläche. Kurz nach der Wiedereröffnung stellte sich heraus, dass die Verkaufsfläche deutlich größer ist als die Stadt genehmigt hatte. Es geht um mehr als 6 000 Quadratmeter, die nun wieder zurückgebaut werden sollen. Das werde gemäß der Vereinbarung auch schrittweise umgesetzt, teilt Stadtsprecherin Diana Petters auf SZ-Nachfrage mit.

Dennoch räumt sie ein, dass Einkaufszentren wie der Elbepark oder der Nickerner Kaufpark mit der Innenstadt um Kunden konkurrieren. Aufgrund der günstigen Lage am Stadtrand und kostenlosen Parkplätzen sei davon auszugehen, dass Bewohner des Umlandes diese Einkaufszentren bevorzugen. Der Stadt lägen aber keine Informationen vor, dass die Zahl der Besucher dort signifikant zulasten der Innenstadt zugenommen hätte. Jörg Pietsch weiß indes, dass ihm jene Kundschaft aus dem Umland – etwa aus Bautzen, Freiberg oder sogar Görlitz – heute fehlt.