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Mord, Folter, Entführung

Im Osten der Ukraine wächst die Gewalt. UN und OSZE machen dafür vor allem Gegner der Regierung verantwortlich. Russland reagiert empört.

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© dpa

Kiew/Moskau. Die Lage der Menschenrechte in der Ukraine hat sich nach Erkenntnissen der Vereinten Nationen alarmierend verschlechtert. Das gilt besonders für den Osten des Landes, wo sich prorussische Kräfte weiter Gefechte mit Regierungstruppen liefern. Vor allem gut organisierte und schwer bewaffnete Regierungsgegner seien in Gewaltexzesse wie Morde, Folter, Entführungen und Misshandlungen verwickelt, erklärte UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay am Freitag. Zuvor hatte schon die OSZE schwere Menschenrechtsverstöße beklagt und dafür überwiegend Regierungsgegner verantwortlich gemacht.

Russland wies die Vorwürfe scharf zurück und warf den UN Parteilichkeit vor. „Das Papier hat wenig mit der wirklichen Lage der Dinge auf dem Gebiet der Menschenrechte in der Ukraine gemeinsam“, erklärte das Außenministerium in Moskau. Der Bericht rechtfertige einseitig die Position der „Kiewer Junta“ - gemeint ist die prowestliche Regierung; die prorussischen Kräfte in der Ostukraine dagegen würden verteufelt. Damit werde das UN-Neutralitätsprinzip verletzt.

Versäumnisse ukrainischer Behörden

Allerdings listet das Papier auch Versäumnisse ukrainischer Behörden auf und fordert die Regierung in Kiew zur Einhaltung internationaler Standards auf. Nach Erkenntnissen von UN und OSZE werden nicht nur Anhänger der Demokratiebewegung, sondern auch Journalisten bevorzugt Opfer der Übergriffe von Regierungsgegnern. Dutzende seien bedroht und zeitweise entführt oder festgehalten worden, heißt es in dem in Kiew vorgestellten UN-Bericht.

Besorgt zeigte sich die Expertenkommission zudem wegen der Lage der Krimtataren auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim, die im März von Russland annektiert wurde. Die Minderheit beklagt Repressionen der neuen Machthaber. Die Krimtataren, die an diesen Sonntag an den 70. Jahrestag der Deportation durch Sowjetdiktator Josef Stalin erinnern wollen, sehen sich zunehmend Druck von Behörden ausgesetzt. Nach dem international nicht anerkannten Anschluss an Russland hätten bisher mehr als 7.200 Menschen die Halbinsel verlassen - vor allem Krimtataren, heißt es in dem Bericht.

In Kiew beriet Übergangsregierungschef Arseni Jazenjuk am Freitag mit dem deutschen Diplomaten Wolfgang Ischinger über die Lage. Beide hätten sich dafür ausgesprochen, dass ein neuer Runder Tisch zur Verständigung an diesem Wochenende stattfinden solle, hieß es. Die Gespräche sollen im Osten des Landes fortgesetzt werden. Der frühere Präsident Leonid Krawtschuk kündigte an, man wolle in Donezk oder Charkow zusammenkommen. Am Mittwoch war ein erstes Treffen ergebnislos vertagt worden. Die Separatisten waren nicht eingeladen.

„Anti-Terror-Operation“ in der „Schlussphase“

Im Osten des Landes lieferten sich Regierungskräfte und Separatisten neue Gefechte. Bei Kramatorsk hätten die Sicherheitskräfte mehrere Kämpfer gefangen genommen, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die „Anti-Terror-Operation“ befinde sich in der „Schlussphase“. Ein Berater des Ministeriums bestätigte, dass die Armee auch Soldaten mit Irak-Erfahrung einsetze.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen unterstrich bei einem Besuch in Rumänien die Entschlossenheit des Militärbündnisses: Die Nato sei bereit, „jedes Stück ihres Territoriums zu verteidigen“, sagte er in einem Fernsehinterview. (dpa)