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Viel zu romantische Vorstellungen

Das Landleben ist oft nicht so, wie es sich viele Städter erträumen, sagt Psychologin Majken Bieniok. Ein Interview:

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Großstädter haben oft eher Fantasievorstellungen vom Leben abseits der Metropolen.
Großstädter haben oft eher Fantasievorstellungen vom Leben abseits der Metropolen. © dpa (Symbolfoto)

Frau Bieniok, warum haben Großstädter oft Sehnsucht nach Landidylle?

Weil diese romantische Vorstellung von einem Leben nahe oder in der Natur in unserer Kultur tief verankert ist. Und weil Großstädter auf günstigeren Wohnraum und mehr Platz im Umland hoffen. Leider sparen Familien durch den Umzug nicht automatisch. Infolge einer eher unfreiwilligen Stadtflucht steigen auch an den Rändern der großen Städte die Preise. Zusatzkosten wie für Heizung oder zwei Autos können die Einsparung bei der Miete auffressen.

Die Leute sollen also in der Stadt bleiben?

Zumindest möchte ich dem Landleben ein ebenso romantisiertes Bild des städtischen Lebens entgegenstellen. Städte bilden den nötigen infrastrukturellen Support in Form von Bildung, Gesundheitssystemen, öffentlichen Verkehrsmitteln, einer diversen Stadtnatur, diversen Lebensentwürfen und -stilen, Kultur- und Freizeitangeboten. Das lässt uns gesünder, toleranter, schlauer und im besten Fall auch glücklicher werden. Die Realität ist allerdings für beide Varianten viel komplexer. Es kommt auch auf die individuellen Präferenzen an.

Ist Landleben gesünder für die Psyche?

Einige Zahlen sprechen dafür. Fakt ist: Stadtleben kann stressen, insbesondere dann, wenn man den Eindruck hat, die Geschehnisse, die das eigene Leben dominieren, nicht mitbestimmen zu können. Auch die Enge in Städten, die Fluktuation von Freunden und bekannten Gesichtern in der Nachbarschaft, Lärm, Licht und Umweltverschmutzung sowie fehlende oder negative soziale Interaktion und Unterstützung erzeugen Stress und können krank machen. Fakt ist auch: Obwohl die ländlichen Regionen ausdünnen und das Durchschnittsalter steigt, bleibt das Vertrauen in die Gemeinschaft ausgeprägt. Studien zeigen, dass um die 75 Prozent der Landbewohner keine Angst vor Einsamkeit im Alter haben und auf ihr soziales Netzwerk aus Bekannten, Freunden und der Familie vertrauen. In Städten sagen das zwar weniger, aber immer noch 67 Prozent.

Interview: Martina Hahn