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Unternehmer will einen Künstler-Berg

In Lötzschen könnten Werkstätten für feinsten Sand entstehen – Stadtarchitektur wird neu gedacht.

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© Kristin Richter

Von Birgit Ulbricht

Thiendorf. Dieser Mann kommt vom Sand nicht weg. Michael Fleischer ist 70 Jahre und hätte endlich Zeit für neue Hobbys. Seinen Betrieb, die Steine und Erden Lagerstättenwirtschaft GmbH, hat er geordnet an seine Kinder übergeben. Jetzt könnte etwas Neues her. Aber nein, es muss wieder Sand sein.

Diesmal Kunst mit Sand, dem feinsten Sand, den es weit und breit gibt. Für den Unternehmer bleibt er der Werkstoff seines Lebens. Nur will er diesmal zeigen, was man sonst noch alles damit machen kann.

Bilder aus Beton zum Beispiel, Fassaden oder Stadtmöbel, die nicht die kleinste Blase werfen, nicht bröckeln und sich zu jeder gewünschten geometrischen Form weiterverarbeiten oder bemalen lassen. Am liebsten wäre Michael Fleischer, er könnte den aufgeschütteten Berg der Stein und Erden Lagerstättenwirtschaft in Lötzschen in einen Künstler-Berg verwandelt.

In den Containern der auslaufenden Betriebsstätte könnten Werkstätten und Verkaufsräume entstehen. Der im Dorf scherzhaft „Mount Lötzschen“ genannte 70 Meter hohe Berg soll Künstlerkolonie werden – direkt an der Autobahn Dresden-Berlin.

Am liebsten wäre es dem Unternehmer, Studenten der Akademie der bildenden Künste würden sich für den noch seltenen, weil bisher eher spröden Werkstoff Beton interessieren. Was da möglich ist, zeigt jetzt in ersten Ansätzen ein Projekt mit der Oberschule in Schönfeld. Einige Schüler waren kürzlich bei Michael Fleischer im Ponickauer Kieswerk und haben sich einen schönen Findling ausgesucht. Der wird mit einem Relief aus besagtem Fließbeton versehen – als Motiv hat Fleischer Taube und Herz ausgewählt, die Symbole für Frieden und Liebe. Das teuerste an dem Vorhaben ist nicht der Beton, sondern die Form aus gefrästem Holz, die für den Betonguss angefertigt werden muss.

Kontakte zur Kunstakademie

Michael Fleischer wäre natürlich nicht jahrzehntelang Unternehmer, wenn er mit diesem Schulprojekt nicht auch einen Hintergedanken verfolgen würde. „Da können die Schüler selbst ausrechnen, wie viel Sand, Zement und Wasser wir für eine Zehnliter-Rezeptur benötigen“, sagt er. Und die Schüler würden schnell merken, dass Kunst nur mit Geld zu bezahlen ist, das vorher jemand verdient hat. Das Relief soll im Ganztagsangebot entstehen. Die Arbeit unterstützen Steinbildhauermeister Witschel aus Großenhain, die Johne KG aus Schwepnitz, die den Betonguss anfertigt, und natürlich der Bauhof der Gemeinde, der den Findling von Ponickau nach Schönfeld bringt. Man darf auf das Ergebnis gespannt sein, denn das Findlingsrelief soll einmal vor der Schule stehen.

Dass überhaupt Bilder aus Beton entstehen können, ist dem Sand-Mann Michael Fleischer zu verdanken. Er hat diesen besonderen Feinsand entwickelt. Er enthält nahezu keine quellfähigen Tonminerale, die Wasser anziehen und dafür sorgen, dass Beton durchs Frieren und Auftauen reißt. Der Sand enthält deutlich über 90 Prozent Quarz und bleibt unter 63 Mikrometer Feinkörnung. Üblich sind über 100 Mikrometer. Damit fließt der Sand bei der Betonverarbeitung förmlich in jede Ritze und wird anschließend „hart wie Beton“.

Weil er so feinen Sand hat wie kein anderer in der Region, hat er Betonhersteller überzeugt, mit seinem ungewöhnlichen Feinsand Beton zu produzieren. Man merkt es schon beim Anfassen. Zur Kugel geformt, bleibt der Ponickauer Sand als Kugel in der Hand liegen. Kein Rieseln. „Wenn Sie den jetzt an die Wand werfen“, lacht Michael Fleischer, „bleibt der Sand kleben.“

Weil beim Verarbeiten auch sehr wenig Wasser gebraucht wird, erreichen die Fertigteilwerke unwahrscheinliche Beton-Güten, „mit Oberflächen, so glatt wie ein Kinderpopo“, so Fleischer schmunzelnd. Als das bei einer Probeherstellung super klappte und der Unternehmer danach noch mit einem popoglatten Terrassenboden nachlegte, war er im Geschäft. Jetzt will er auch Stadtarchitekten überzeugen, dass er nicht nur den feinsten Sand von allen hat, sondern vielleicht sogar einen neuen Werkstoff. Irgendwo zwischen Kunststoff und Stahl sollen seine Eigenschaften angesiedelt sein. Denn sein patentierter „Perposil“ – was aus dem Lateinischen so viel heißt wie „Feinheit durch Silizium“ – soll Betonbauern neue Horizonte eröffnen. Und natürlich auch Künstlern.