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Entschleunigung statt Entertainment

Droht wegen Corona und den damit verbundenen Veranstaltungsabsagen eine kulturelle Tristesse in den Urlaubsorten an Nord- und Ostsee?

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Die überwiegende Zahl der Urlauber hat Verständnis für die Absagen - und genießt das Strandleben, wie hier auf Spiekeroog.
Die überwiegende Zahl der Urlauber hat Verständnis für die Absagen - und genießt das Strandleben, wie hier auf Spiekeroog. © dpa/Sina Schuldt

Von Birgitta von Gyldenfeldt und Linda Vogt

Norderney/Binz/Wyk.  Normalerweise müssen sich Urlauber an Nord- und Ostsee keine Gedanken über Langeweile machen. Irgendwo finden in den Sommermonaten immer große Hafenfeste, Open-Air-Konzerte oder Strandpartys statt. Einige buchen sogar eigens ihren Urlaub, um ein besonderes Event auf keinen Fall zu verpassen. "

In der Regel locken Großveranstaltungen pro Jahr Millionen Gäste an, die extra hierfür nach Schleswig-Holstein reisen", sagt die Geschäftsführerin der Tourismus-Agentur Schleswig-Holstein (TA.SH), Bettina Bunge. Doch in diesem Sommer fallen Großveranstaltungen aufgrund der wegen der Corona-Pandemie geltenden Einschränkungen auch in den Urlaubsdestinationen aus.

Doch die überwiegende Zahl der Urlauber hat Verständnis für die Absagen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur bei Tourismusorganisationen in Mecklenburg-Vorpommern, an der niedersächsischen Nordseeküste und in Schleswig-Holstein ergab. "Es überwiegt ganz klar die Freude, wieder Urlaub machen zu können", sagt die Präsidentin des Landestourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommerns, Birgit Hesse. "Allerdings gibt es auch Urlauber, für die die jeweilige Veranstaltung ein Hauptreisegrund war und die deshalb nicht anreisen."

Und nun? Was tun, wenn einem der Sinn nicht nach Strand steht oder die Kinder nach Abwechslung schreien? Eine Entertainment-Tristesse sei nicht in Sicht, sagen die Touristiker übereinstimmend. Die verschiedenen Destinationen böten weiterhin Veranstaltungen an, die sowohl den Bedürfnissen der Gäste als auch den Richtlinien wie Abstandsregeln gerecht würden.

Der Trend gehe vor allem zum Besuch von Open-Air-Veranstaltungen, beobachtet etwa TA.SH-Chefin Bunge. "Von Autokinos am Strand über Streetfood-Festivals bis hin zu Open-Air-Konzerten können Gäste den verschiedensten Aktivitäten nachgehen." Geführte (Watt-)Wanderungen, kleinere Märkte, Wassersportkurse und auch Kinderprogramme wie Bernsteinschleifen oder andere Kreativkurse sind in fast allen Urlaubsorten möglich. Langweilig werden müsse niemandem, findet Bunge.

Spaziergänger laufen auf die Insel Neuwerk zu.
Spaziergänger laufen auf die Insel Neuwerk zu. © dpa

"Glücklicherweise werden jetzt die vielen kleineren Alternativ-Angebote gut angenommen und als Bereicherung des ersehnten Urlaubsaufenthalts empfunden", sagt Bunge. Den Gästen sei bewusst, dass sich diese Urlaubssaison von bisherigen unterscheide. "Viele geben die Rückmeldung, dass sie froh sind, überhaupt Urlaub machen zu können." Auch eine Sprecherin der Kurverwaltung von Binz auf Rügen sagte: "Die Menschen freuen sich in erster Linie über die Möglichkeit, wieder Urlaub an der Ostsee machen zu können."

"Uns ist nicht bekannt, dass unsere Gäste aufgrund der Veranstaltungs-Absagen enttäuscht sind", sagt eine Sprecherin von Sylt Marketing. "Die Freude, überhaupt in den Urlaub nach Sylt fahren zu können, überwiegt bei allen und wir erfahren viel Verständnis für unsere Maßnahmen." Zudem gebe es auch auf Sylt zahlreiche kleinere Veranstaltungen. Ähnlich sieht es auf Sylts Nachbarinsel Föhr aus. "Viele Menschen sind einfach froh, wieder reisen zu dürfen", sagt ein Sprecherin von Föhr Touristik. "Dann nimmt man auch in Kauf, dass es weniger Veranstaltungen gibt." Zumal zwar Großveranstaltungen ausfielen, aber es ja nicht so sei, dass es gar keine Aktionen gebe.

Tristesse sei definitiv das falsche Wort, findet auch der Geschäftsführer der Tourismusorganisation der Nordseeinsel Borkum, Göran Sell. Zwar brächen diesen Sommer wegen Corona viele Angebote weg - "aber auf der Promenade bleibt ein Grundrauschen. Es besteht sogar gefühlt größeres Leben, weil die Tische ja mit mehr Abstand aufgestellt sind und die Fläche mehr bedecken." Die Musik aus den Restaurants füllt die Stille, die der Wegfall der Kurmusik mit sich brachte. Auch das Promenadenfest mit sonst weit mehr als 1000 Gästen wurde abgesagt. "Die Gäste finden das vielleicht schade, aber sie kommen trotzdem und sagen: Das ist halt so. Und sie suchen sich dann vielleicht tatsächlich auch andere Urlaubsideen."

Sell beobachtet mit dem Wegfall des kulturellen Angebots eine Hinwendung zur Natur. Manche der Stammgäste besuchten vielleicht zum ersten Mal den östlichsten Zipfel Borkums. So könne man seine angestammte Insel noch einmal ganz neu entdecken.

"Weggefallen war am Anfang eigentlich erst mal alles", erzählt Wolfgang Lübben von der Tourismusorganisation Norderney. Mit der Rückkehr der Gäste und anderen Lockerungen werde nun schrittweise wieder hochgefahren. Ein komplettes Alternativprogramm unter den Maßgaben der Corona-Beschränkungen wird es aber nicht geben. "Ich glaube, dass Norderney als Insel für sich schon spannend genug ist, um hier seinen Urlaub zu verbringen. Ich glaube, dass vielleicht der Urlaubstag etwas anders gestaltet ist, aber nicht langweiliger", sagte Lübben. Statt abends ins Kino zu gehen, könnte man etwa eine Flasche Wein einpacken und sich am Strand den Sonnenuntergang anschauen. (dpa)